Kultur
125 Jahre Schaggi Streuli
Die Schweizer Schauspiellegende Schaggi Streuli, vielen bekannt als «Polizischt Wäckerli», wäre am 4. Juli 125 Jahre alt geworden. Einen Teil seines bewegten Lebens hat der Schauspieler in Höngg verbracht. Eine Hommage.
23. August 2024 — Dagmar Schräder
Mit der Hörspielreihe «Polizischt Wäckerli» wurde Schaggi Streuli 1949 zum nationalen Star: Einmal monatlich wurden die insgesamt 16 Folgen aus dem Leben des Dorfpolizisten Wäckerli im Radio ausgestrahlt und sorgten, glaubt man den Chronisten von Radio SRF, in der Schweiz für ähnlich leergefegte Strassen wie heutzutage etwa die EM-Spiele der Schweizer Nati. Schon bald folgten auf das Hörspiel ein Bühnenstück sowie ein Spielfilm, später auch eine Fernsehserie.
«Mit seinem Polizischt Wäckerli wurde Schaggi Streuli zum populärsten Volksschauspieler der fünfziger Jahre, zum bekanntesten Schweizer nach General Guisan», schreiben Philipp Flury und Peter Kaufmann in der von ihnen verfassten Biografie des Schauspielers.
Kein einfacher Start ins Leben
Streuli, oder Emil Kägi, wie er mit bürgerlichem Namen hiess, war also bereits fünfzig, als er nationale Berühmtheit erlangte. Bis dahin verlief sein Leben nicht immer einfach: Geboren wurde er am 4. Juli 1899 als jüngstes von sechs Kindern in Bauma im Kanton Zürich. Die Familie lebte in äusserst bescheidenen Verhältnissen, die Mutter arbeitete in der Fabrik, der Vater war Zimmermann und Kleinbauer und, so lässt sich nachlesen, dem Alkoholkonsum nicht abgeneigt. Die Ehe der beiden war zerrüttet und die Tatsache, dass Emil das Resultat eines Seitensprungs der Mutter mit ihrem Vorgesetzten in der Fabrik war, führte schliesslich zum endgültigen Bruch.
1905 kam es zur Scheidung, die Mutter zog mit ihren sechs Kindern nach Höngg, wo sie in einer Seidenweberei zu arbeiten begann. Viel Zeit für Emil hatte die Mutter nicht, er musste jeweils tagsüber allein zu Hause auf sie warten, bis sie von der Arbeit kam. «Ich hatte eine harte Jugend, sie prägte mein ganzes Leben», erklärt Kägi dazu in seiner Biografie.
Turnen und Theaterspielen
Schon in jungen Jahren zeigte sich die Begabung Kägis: Hier in Höngg schnupperte er das erste Mal Theaterluft und das bereits im Alter von sechs oder sieben Jahren. In der Biografie erinnert sich Kägi daran, bei den selbstgeschriebenen Stücken eines Nachbarjungen einzelne Rollen übernommen zu haben. Vorgespielt wurden die Stücke zu Hause, vor Nachbarn und Bekannten.
Und auch ein weiteres Hobby übte er hier im Quartier aus: das Turnen. Er wurde Mitglied im Turnverein, wobei er diese Mitgliedschaft allerdings nicht nur zur sportlichen Ertüchtigung nutzte, sondern auch hier einen Weg fand, Theater zu spielen: bei der einmal jährlich stattfindenden Theateraufführung während des Turnfestes. Als Laienschauspieler betätigte er sich zudem bei der Zürcher Freizeit-Bühne, die damals noch den Namen «Dramatischer Verein Höngg» trug: Laut Angaben der Freizeit-Bühne gehörte er ab circa 1920 zum Ensemble des Vereins.
Als Einnahmequelle diente ihm das Theater jedoch zunächst noch nicht. Nach Abschluss seiner Schulzeit im Jahr 1914 sammelte er verschiedene berufliche Erfahrungen: Er begann zunächst als Ausläufer für einen Stoffmanufakturisten an der Löwenstrasse, anschliessend betätigte er sich über ein Jahr lang als Hausbursche in einer Lausanner Augenklinik, bevor er nach Zürich zurückkehrte und hier eine Lehre bei einer Bank absolvierte.
Auch dieser Beruf sagte ihm jedoch nicht wirklich zu und er schrieb nebenbei ununterbrochen Theaterstücke, die er im Selbstverlag herausbrachte und mit einigem Erfolg verkaufte. Beim Turnfest des Turnvereins wurden in der Folge alljährlich nur noch die Stücke Kägis aufgeführt – unter seiner Regie und mit ihm als Hauptdarsteller.
Partnerinnen aus Höngg
In Höngg fand Streuli jedoch nicht nur seine Bestimmung, sondern auch die Liebe: Hier heiratete er 1928 seine erste Frau, Elisabeth Eigenheer. Anschliessend zog er mit ihr ins Tessin, wo sie gemeinsam eine Gastwirtschaft übernahmen – allerdings ohne grossen Erfolg. Auch die Ehe der beiden stand unter keinem guten Stern: Während Kägi viel unterwegs war, beruflich für ein Blindenheim arbeitete und sich in der Freizeit voll und ganz dem Volkstheater widmete, ging seine Frau ihren eigenen Interessen nach. Um das gemeinsame Kind, Hans Rudolf, kümmerte sie sich, so ist es in der Biografie nachzulesen, auch nur eher widerwillig.
Im Alter von nur 21 Monaten verstarb der Sohn im Jahr 1931 an einer Lungenentzündung, die Ehe fand ihr Ende. Der Tod seines Sohnes traf Streuli hart. Doch fünf Jahre später begegnete er bei einer von ihm geleiteten Inszenierung für den Dramatischen Verein Hedwig Obrist, einer jungen Hönggerin. Er gab ihr eine Rolle in seinem Stück – und anschliessend auch in seinem Leben: 1939 heirateten die beiden und blieben bis zu seinem Lebensende zusammen.
Auch Wäckerli war ein Höngger
Beruflich entwickelte er sich zum professionellen Schauspieler. Er trat als Conférencier auf und «spielte Theater, wo immer und wie immer es möglich war», so die Biografie. 1936 erhielt er seine erste Anstellung am Corso-Theater in Zürich und kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs übernahm er die erste kleine Filmrolle im Schweizer Spielfilm «Füsilier Wipf». Zu dieser Zeit nahm er auch seinen Künstlernahmen Schaggi Streuli an. Während des Krieges war er Mitglied der Soldaten-Bühne sowie Teil des Ensembles des Cabaret Cornichon und später des Cabaret Federal.
1948 gelangte Radiomoderator Arthur Welti mit einer Bitte an ihn: Er solle, so das Anliegen Weltis, doch rund um die Figur eines Dorfpolizisten ein Hörspiel verfassen. Eine Aufgabe, die Streuli nur zu gerne annahm: «Polizischt Wäckerli» war geboren. Und auch dieser ist im Grunde genommen ein Höngger: Heiri Bucheli, ein Höngger Turnkollege Streulis, der später Kantonspolizist wurde, so ist es der Biografie über Streuli zu entnehmen, stand für die Paraderolle Pate.
Der Rest ist Geschichte: in den 1950er- und 1960er-Jahren folgten nicht nur die Bühnenstücke, der Spielfilm und die Fernsehserie zum «Polizischt Wäckerli», Streuli war auch in zahlreichen anderen Produktionen zu sehen, unter anderem im Film «Oberstadtgass» von Kurt Früh oder gemeinsam mit Magrit Rainer, Ruedi Walter und Jörg Schneider bei den Märcheninszenierungen von Jörg Schneider. In den 1960er- und 1970er-Jahren nahmen seine Engagements ab, doch seine Popularität blieb ungebrochen. Am 3. November 1980 verstarb er nach kurzer Krankheit in Bauma.
0 Kommentare