100 Nester mehr für Höngger Mehlschwalben

Höngg hat die grösste Mehlschwalbenkolonie der Stadt Zürich. Nun wird sie dank dem Natur- und Vogelschutzverein NVV und Sponsoren noch grösser.

Mit der Hebebühne geht es unter das Dach, während auf der Strasse die gereinigten Nester noch trocknen.
Verena Steinmann und Benjamin Kämpfen (rechts) beobachten das Geschehen am Haus.
Schwindelfrei muss man schon sein.
Verena Steinmann und Benjamin Kämpfen beim Frühlingsputz der Schwalbennester.
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Seit Gründonnerstag und damit früher als sonst kurven sie wieder über die Dächer von Höngg, die Mehlschalben, zurückgekehrt aus ihrem Winterquartier in Südafrika, rund 13 000 Kilometer entfernt.
In Höngg gibt es im Geviert Garage Zwicky–Wieslergasse–Singlistrasse–Riedhofstrasse mehrere Quartiere, die seit vielen Jahren besiedelt sind, und auch an der Bombachhalde sind an verschiedenen Häusern Nisthilfen montiert und besiedelt. 2015 waren am Stichtag von total 132 Mehlschwalbennestern deren 79 besetzt. Besonders die grossen Kolonien mit mehr als zehn Nestern waren gut belegt, denn Mehlschwalben lieben Nachbarn.
Diesen Umstand macht sich der NVV in seinem zweijährigen Projekt zunutze, um die ortstreuen Zugvögel, deren Bestände in der Schweiz  um mehr als ein Drittel zurückgegangen sind, besser zu schützen. «Der Schutz bestehender Kolonien ist die wirksamste Massnahme zur Förderung der Mehlschwalbe», unterstreicht Projektleiterin Verena Steinmann die Aussage von BirdLive Schweiz.
Information der Hausbesitzer und -bewohner ist das eine, um eine Kolonie zu schützen – deren Ausbau das andere. Da Schwalben in den modernen Siedlungsräumen längst kein geeignetes natürliches Material mehr für den Nestbau finden, werden bei bestehenden Kolonien zusätzliche Kunstnester angebracht und die alten gleichzeitig gereinigt. Doch Anschaffung und Montage − oft ist dazu eine Hebebühne notwendig − kosten Geld. Der NVV selbst stellte einen grossen Teil, suchte aber auch unter Höngger Firmen und Privatpersonen Sponsoren und warb am Stand des Wümmetfäschtes für sein Projekt. Mit Erfolg: «Wir können rund 142 zusätzliche Nisthilfen montieren», berichtet Verena Steinmann freudig, während vor ihr diesen Montagmorgen an der Singlistrasse bereits die Hebebühne ausgefahren wird. Für sie ist es nach fast einem Jahr Vorbereitung der grosse Tag: An der Singlistrasse und danach auch in der Umgebung wird Nest um Nest montiert. Die bereits anwesenden Mehlschwalben fliegen den Naturschützern dabei fast um die Ohren. «Das sind Männchen», erklärt Benjamin Kämpfen, Co-Präsident des NVV, «sie reisen den Weibchen voraus, um die Nester zu besetzen.» Es wird mit der Reinigung also noch keine neue Brut gestört.

Reinigung statt «Neubau»

Doch warum reinigt man die Nester eigentlich? In der Natur macht das ja auch niemand. «Natürliche Nester halten bis zu sechs Jahre», weiss Steinmann zu berichten, «dann fallen sie ab.» Die Reinigung entfällt somit, der «Neubau» ist ja wieder sauber. Auch künstliche Nisthilfen müsste man eigentlich nicht reinigen, denn das erledigen die Schwalben bei ihrer Ankunft selbst. Zudem gibt es Vermutungen, dass ein Nest, das bereits etwas verschmutzt ist, die Vögel sogar anzieht: «Hier wurde bereits erfolgreich gebrütet», scheint das den Tieren zu signalisieren. Kämpfen ergänzt, dass man neue Nester sogar versuchsweise mit Zahnpasta künstlich aussen «verschmutzt», um die Vögel anzulocken. Doch wenn man gerade bei den Nestern oben ist, macht die Reinigung schon Sinn, denn gegen die Vogelmilben, die in den Nestritzen überwintert haben, sind die Schwalben machtlos und haben bestimmt nichts dagegen, wenn sie vor ihrem Einzug entfernt werden.

Hausbesitzer zeigten sich offen

Verena Steinmann erzählt, dass sie bei den Hausbesitzenden auf offene Ohren gestossen sei mit ihrem Anliegen. Jene, die bereits eine Kolonie am Haus haben, waren gerne bereit, noch mehr Nester zu platzieren. Zumal der NVV ja einmalig die Kosten für Anschaffung und Montage der neuen sowie die Reinigung der alten Nisthilfen übernimmt, was bis anhin selbst berappt wurde. Und neu angefragte Hauseigentümer seien auch alle sehr aufgeschlossen gewesen. «Natürlich gab es Fragen zum Thema Kot an den Fassaden, doch da können Kotbretter Abhilfe leisten. Und die Lärmbelästigung, nach der auch gefragt wurde, ist eine Einstellungsfrage.» Die Erfahrung zeigt, dass wer Mehlschwalben an seinem Haus toleriert, nicht nur den faszinierenden Anblick der eleganten Flieger geniessen und die Jungenaufzucht aus nächster Nähe beobachten kann, sondern auch direkt etwas davon hat, denn die Population der Stechmücken geht mit der Ankunft der Schwalben signifikant zurück. Die Zahlen sprechen für sich: Rund ein Kilo Insekten oder umgerechnet 250 000 Stück frisst eine Mehlschwalbenfamilie während einer Brutzeit. Das Jagdrevier liegt meistens innerhalb 450 Metern vom Nest entfernt, nur wenn es dort nichts mehr gibt, fliegen Schwalben bis zu zwei Kilometer weiter. So gesehen decken die beiden grossen Kolonien fast ganz Höngg ab – und die ebenfalls grossen Populationen der Mauersegler tragen das Ihrige dazu bei, dass Höngg für Mücken kein schöner Ort ist. Dafür für Schwalben und Menschen.

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