WLAN-Smog in Zürcher Schulzimmern?

Die Informatik-Ausstattung der Zürcher Schulzimmer kommt im drahtlosen WLAN-Zeitalter an. Die Strahlenbelastung sei unbedenklich, sagt die Stadt – ein Augenschein im Schulhaus Am Wasser stellt dies infrage.

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Die Messungen (auf den beiden Fotos) zeigen es auf, die gelbe Kurve zeigt jeweils den zimmereigenen Sender an: hier die Messung direkt am IT-Wagen.
Und hier die Messung gegenüber, auf der anderen Seite des Schulzimmers – die gelbe Linie zeigt, wie stark dort die Sendeleistung noch ist, die grüne Kurve zeigt bereits den Sender des Nachbarzimmers an.
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Die Datenmengen, welche über drahtlose Netzwerke wie UMTS, LTE und WLAN auf Handys, Tablets und Notebooks heruntergeladen werden, nehmen täglich zu und bringen selbst die Sendeanlagen der Grossen der Telekommunikationsunternehmen an ihre Leistungsgrenzen. Die Funknetze müssen laufend ausgebaut werden, um mit der Nachfrage Schritt halten zu können. Wie im Alltag, so sind auch im Schulzimmer Computer heute nicht mehr wegzudenken. Doch wo früher ein festinstallierter PC genügte, sind heute für Einzel- und Gruppenarbeiten flexibel einsetzbare Notebooks gefragt, welche das Projekt «KITS3» nun einführt. Um deren Nutzung zu ermöglichen, hat der Stadtrat die Bewilligung erteilt, in den Schulen WLAN-Netzwerke zu installieren. Damit nimmt auch die Strahlungsbelastung im Schulzimmer zu, was von manchen kritisch und mit Sorge beobachtet wird, denn drahtlose Netzwerke haben sogenannte hochfrequente elektromagnetische Felder (EMF) beziehungsweise verbreiten nichtionisierende Strahlungen, über deren Auswirkungen auf die Gesundheit kontrovers diskutiert und engagiert gestritten wird. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) beschwichtigt zwar mit «gemäss heutigem Kenntnisstand und aufgrund vorhandener Expositionsmessungen ist die durch drahtlose Netzwerke erzeugte hochfrequente Strahlung zu schwach, um durch Absorption über eine Erhöhung der Temperatur nachweisbare, akute gesundheitliche Wirkungen auslösen zu können», gibt aber gleichzeitig zu, dass Langzeit- und nichtthermische Auswirkungen derzeit noch ungenügend erforscht seien. Anders sieht das zum Beispiel der Dachverband Elektrosmog Schweiz und Liechtenstein. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Funkstrahlung seien durch wissenschaftliche Studien hinreichend belegt, heisst es in einer Medienmitteilung mit Verweis auf die eigene Website, auf der zahlreiche Studien abrufbar sind (siehe Infobox). Vor diesem Hintergrund wird die flächendeckende Ausrüstung der Zürcher Schulzimmer mit WLAN besonders kritisch beobachtet.

«Risikoarmer Einsatz steht im Fokus»

Die Behörden wissen um die Sensibilität der Thematik: «Im Auftrag des Zürcher Stadtrates wurde mit dem Gesundheits- und Umweltdepartement der Stadt Zürich genau definiert, wie die geforderte Flexibilität in den Schulzimmern durch eine kabellose Technologie ermöglicht werden kann», heisst es auf der Website des Schul- und Sportdepartements (SSD) und weiter: «Dabei steht der risikoarme Einsatz von drahtlosen Netzwerken im Fokus.» Der eigens verfasste Informationsflyer nimmt die Sorgen ernst: Jedes Zimmer erhalte einen eigenen Access Point modernster Technik, also eine funkbetriebene Basisstation, die als Zugangspunkt zum Festnetz der Schule dient; die Ablageorte der Notebooks befänden sich in geringem Abstand zum Access Point − Lehrpersonen und Schüler holen die Notebooks nur zum Arbeiten auf ihr Pult. Sind die Notebooks am Ablageort, werde die WLAN-Verbindung automatisch abgeschaltet. Und Personal wie Schüler würden umfassende Hintergrundinformationen zum Thema «Risikopotenzial von drahtlosen Netzwerken» erhalten, versichern die Behörden.

Die Realität sieht anders aus

Der Dachverband Elektrosmog Schweiz und Liechtenstein hat im Höngger Schulhaus Am Wasser, wo der Umbau auf WLAN letzten Sommer bereits vollzogen worden ist, einen Augenschein genommen und ist entsetzt: «Weder ein Abschalten der Access Points bei Nichtgebrauch noch eine Leistungsregelung ist möglich, ausserdem sind die Access Points viel zu nahe an den Arbeitsplätzen der Kinder platziert.» Ein wichtiger Tipp im Umgang mit WLAN ist, es nur einzuschalten, wenn man es braucht − so steht es auch im Infoflyer der Stadt. «Doch leider kann der Tipp im Schulhaus Am Wasser nicht umgesetzt werden, da es an den Access Points keinen Schalter gibt. Die Geräte laufen während dem ganzen Unterricht», sagt der Höngger Martin Zahnd, der sich zeitweise im Dachverband engagiert. Auch weitere Ungereimtheiten wurden festgestellt. So wird etwa die empfohlene Leistungsregelung des Access Points kaum gemacht, wie mit jedem Handy geprüft werden kann: Bis zu sieben empfangbare Access Points in einem einzigen Schulzimmer wurden festgestellt. «Wären die Sender gedrosselt, würde man den Sender des betreffenden Schulzimmers und allenfalls noch den vom Nachbarzimmer empfangen, nicht aber diejenigen des halben Schulhauses», sagt Zahnd. Gar zynisch empfindet er den Tipp, Access Points am besten mindestens einen Meter entfernt von Arbeitsplätzen zu platzieren: «Der Informatikdienst der Universität Zürich empfiehlt für einen dauernd benutzten Arbeitsplatz einen Abstand von ein bis zwei Metern. Beides ist schon für Erwachsene viel zu nahe, erst recht aber für Kinder. Kein Schulzimmer ist gross genug, um für alle Schülerinnen und Schüler einen genügenden Abstand zu gewährleisten.»

Siehe auch unter Suchbegriff «WLAN-Smog: Stellungnahme der Stadt», Ausgabe vom 27. Februar 2014.