Quartierleben
Schulen in Höngg, Teil 7: Am Wasser
Das Schulhaus «Am Wasser» wurde als Teil eines grossen Bauprojekts im Verbund mit der ehemaligen «Seidenstoffweberei Höngg» geplant. Es ist die jüngste Schulanlage in Höngg und wurde im Jahr 2000 eröffnet und 2007 bereits erweitert. Die Schule verfügt über eine «Exklave» auf dem gegenüberliegenden Limmatufer.
29. April 2015 — Redaktion Höngger
An den Ufern der Limmat entstanden im 18. und 19. Jahrhundert zahlreiche Fabriken, welche die Wasserkraft als Energiequelle nutzten. Eine davon war die ab 1873 an der Ackersteinstrasse gebaute Seidenstoffweberei Höngg. Ein kurzer Kanal führte das Wasser ins Turbinenhaus, wo der Strom zum Betrieb der Maschinen erzeugt wurde. Heute gibt es im 1874 errichteten Gebäude im Obergeschoss einen Mehrzweckraum für die Schule, im Erdgeschoss ein Bistro mit Gartenrestaurant. Bis zum Ersten Weltkrieg war die Seidenstoffweberei Höngg eine der wichtigsten Arbeitgeberinnen der Region. Nach dem Krieg ging es mit der Textilindustrie bergab und so musste auch die Seidenstoffweberei Höngg ihre Tore schliessen. Das Areal blieb vorerst ungenutzt. 1942 kaufte es die Stadt auf und vermietete es fortan an Gewerbebetriebe. 1990 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt, doch an Weihnachten 1992 zerstörte ein Grossbrand – dessen Ursache bis heute ungeklärt geblieben ist – erhebliche Teile der Anlage. Der Brand ermöglichte ein neues Kapitel in der Geschichte des Areals. Der 1996 aus einem öffentlichen Wettbewerb hervorgegangene Gestaltungsplan führte zu politischen Kontroversen, schliesslich aber zu einem Kompromiss im Gemeinderat. Denn Wohnungs- und Schulraumnot drängten. Im Jahr 2000 konnte das Schulhaus, 2002 die Siedlung Am Wasser mit 34 Wohnungen, einem Kindergarten und einem Hort bezogen werden. Das auf sechs Primarschulklassen angelegte Schulhaus gelangte wider Erwarten schnell an die Grenzen seiner Kapazität. Die starke Bautätigkeit entlang der Limmat in Höngg hatte viele Familien angelockt. Schon 2004 wurden deshalb auf der anderen Flussseite zwei Ersatz-Pavillons aufgestellt. Das Schulhaus «Am Wasser» bot mit der Erweiterung 2007 im Obergeschoss Platz für drei zusätzliche Klassen. Im Erdgeschoss wurden eine Bibliothek, ein Musikraum, ein Werkzimmer sowie die Räume für das Lehrerteam, die Schulleitung und die Hauswartung erstellt.
Beziehungen als Basis für Lernprozesse
Die 62-jährige Susanne Gauch ist seit 2004 Schulleiterin. Sie hat die Entwicklung der Schule «Am Wasser» massgeblich geprägt. Eindrücklich die «demografischen» Zahlen: Startete man im Jahr 2000 mit vier Klassen, zwei Kindergärten und zwei Horten, umfasst die Schule «Am Wasser» heute mit allen Aussenstationen fünf Kindergartenklassen, insgesamt zwölf 1. bis 6. Klassen und sechs Horte. Etwa zwei Fünftel der 365 Kinder kommen aus «Zürich West»; rund 80 Prozent besuchen an einem oder mehreren Tagen einen Hort. Susanne Gauch nimmt neben den «normalen» Schulleitungspflichten, die bereits in früheren Artikeln dieser Serie beschrieben worden sind, kein fixes Unterrichtspensum wahr. Die ehemalige Kleinklassenlehrerin vikarisiert bei Bedarf. Zudem entlastet sie das Lehrer-Team, indem sie die Betreuung von Kindern in Krisensituationen, bei denen ein Timeout angezeigt ist, bis zu einem halben Tag übernimmt – was immer wieder hohe Flexibilität fordert. Dass die Schulleiterin einen partizipativen Führungsstil pflegt und auf Kooperation setzt, wird bereits mit der Beschriftung «Teamzimmer» an der Türe des landläufig als «Lehrerzimmer» bekannten Raums deutlich. Ein Kernthema von Susanne Gauch ist die Beziehungsgestaltung. Sie ist der festen Überzeugung, dass stabile, von gegenseitigem Wohlwollen und Respekt getragene Beziehungen zwischen Lehrpersonen und Schülern unabdingbare Basis für gelingende Lernprozesse sind. Damit dies möglich wird, müssen alle Schnittstellen der Schule – die pädagogischen Stufenteams, die Elternarbeit, die Hortbetreuung, schulische Fachstellen und nicht zuletzt jene der Schulleitung zu den Lehrkräften – entsprechend gestaltet werden.
Drei Bezugspersonen
Die Schule «Am Wasser» nimmt denn auch am kantonalen Schulprojekt «Fokus starke Lernbeziehung» teil. Das Projekt will eine Antwort auf Nachteile des integrativen Unterrichts geben, der seit seiner Einführung die Zahl der Lehr- und Fachpersonen pro Klasse stark gesteigert hat – zu stark, wie viele Eltern, aber auch Experten meinen. Das Modell «Am Wasser»: Zwei Lehrkräfte teilen sich pro Klasse, abhängig von deren Bedarf, in 130 bis 180 Stellenprozente. Dazu kommt bei den meisten Kindern eine Bezugsperson im Hort. Um jeden Schüler – und dessen Eltern – bildet sich somit im Idealfall höchstens ein Trio von für ihn zuständigen Personen. Ausgebildete Heilpädagoginnen beraten punktuell und situativ Lehrkräfte und Betreuerinnen. Da das Projekt erst seit zwei Jahren läuft, fand noch keine der Öffentlichkeit zugängliche Evaluation statt.
Ein besonderer Nachmittag pro Woche
Eine weitere Besonderheit der Schule «Am Wasser» stellt der Projektunterricht am Dienstagnachmittag dar. Initiiert und konzipiert wurde das schulinterne Projekt von Käthi Mühlemann mit dem Ziel, zwei Lektionen pro Woche für die Begabungs- und Begabtenförderung einzusetzen. Der Projektunterricht am Dienstagnachmittag will nicht nur kognitive Begabungen fördern, sondern möglichst alle Intelligenztypen. Er bietet eine Alternative zu Ansätzen, die mit einer Auswahl von Hochbegabten arbeiten. «Wir wecken Neugier, Motivation, Interesse und Freude am Lernen», ein Leitsatz, der für alle gilt. Zur Organisation: Jede Lehrkraft der Schule «Am Wasser» bietet einen Kurs zu einem Thema aus den Bereichen Gestaltung und Musik oder Mensch und Umwelt an. Die Schüler wählen nach Neigung drei Angebote aus und werden danach klassen-übergreifend so verteilt, dass sinnvolle Kursgruppen entstehen. Die Unterrichtsformen sind das A und O für das Gelingen des Projektes. Kurze Fachinputs durch die Lehrkräfte und Kleingruppenarbeit wechseln sich ab. Die Schüler sollen, ihren Begabungen und Interessen angemessen, eigene Themen vertiefen können. Der Berichterstatter war in drei Kursen auf Stippvisite: Magnetismus, Gärtnern auf der Hardturmbrache sowie Ukulele-Unterricht. Er traf dabei auf eifrige, sich gegenseitig unterstützende und vergnügt arbeitende Schüler – und kam zum Schluss: Lernen und Üben macht besonders Spass, wenn Thema und Interesse zusammenpassen.
Quellen:
– «1934-2009: Vom Dorf Höngg zum Quartier Zürich-Höngg», von François und Yves Baer, herausgegeben vom Quartierverein Höngg
– Grünzeit Zürich, Juli 2007, Spielplätze
– Architekturbericht Schulanlage „Am Wasser“ vom 5.12.2007
– Medienmitteilung der Stadt Zürich vom 7.12.2007 zum Erweiterungsbau Schulhaus „Am Wasser“
Bisher erschienen:
15.1.2015: Eine Reise durch vier Jahrhunderte
29.1.2015: Der Schulpräsident und die Schulpflege
5.2.2015: Lachenzelg und Imbisbühl: Die Oberstufe
26.2.2015: Vogtsrain mit Wettingertobel
12.3.2015: Das Schulhaus Rütihof
26.3.2015: Riedhof-Pünten
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