Zu viele Bürolisten!

Nicole Barandun-Gross, Präsidentin Gewerbeverband der Stadt Zürich, GVZ

Früher waren es nur die allerbesten Sekundarschüler, die eine KV-Lehre absolvierten. Sie galt als Königsweg in der dualen Berufslehre. Heute hat es leider viel zu viele KV-Absolventen. Nicht nur Lehrabgänger, sondern alle, insbesondere auch ältere Arbeitnehmer, finden trotz grosser Bemühungen keine Stelle mehr. Auf jede Stellenausschreibung flattern teilweise Hunderte von Bewerbungen ins Haus. Dennoch finden immer noch viele Jugendliche – und deren Eltern – das KV höchst erstrebenswert. Selbst dann, wenn sie eigentlich für eine KV-Lehre ungeeignet sind. Aber wie finden diese eine Lehrstelle? Finden sie eben nicht. Da springen Privatschulen in die Bresche. Werbung: «Keine Lehrstelle, kein Problem!» Aber wie soll man nachher eine Stelle finden, wenn man schon keine Lehrstelle gefunden hat und nur Praktika vorweisen kann? Auch die Stadt bildet offenbar Lernende aus, die nur bedingt für das KV geeignet sind. Unlängst hat sich eine verzweifelte Mutter an mich als Gewerbepräsidentin gewandt. Ihr Sohn fand nach der Lehre bei der Stadt keine Stelle mehr. Ein Blick auf die Zeugnisse – auch auf die Sekundarschulzeugnisse – zeigte das Problem deutlich. Der Junge war schon ein mittelmässiger Sek-Schüler und dann ein doch eher schlechter KV-Schüler, das Arbeitszeugnis der Stadt wenig enthusiastisch. Dem Jungen bleibt wohl nur ein Weg: Umschulung. Wenigstens hat er schon eine Vorstellung: Er möchte gerne Logistiker werden. Dem stehen nur noch die Bedenken der Mutter im Weg, die ihren Sohn lieber im Anzug im Büro gesehen hätte. Die Berufsberater stehen in der Pflicht, den Jugendlichen – aber auch ihren ehrgeizigen Eltern – aufzuzeigen, dass für ihr Kind das KV womöglich nicht der richtige Weg ist. Arbeitgeber stehen in der Verantwortung, nur diejenigen Lernenden auszubilden, für welche anschliessend auch Platz im Betrieb ist. Lernende sind keine billigen Arbeitskräfte. Ein Blick auf die Alternativen lohnt sich. Handwerk hat immer noch goldenen Boden. Zukünftige Gebäudetechnikplanerinnen, Elektroinstallateure und andere sind gesucht und ihre Berufe haben ebenfalls ein anspruchsvolles Anforderungsprofil. Im Gesundheitswesen herrscht schon lange Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften. Es gibt unzählige Berufe mit Zukunft und grossem Weiterbildungspotential. Schauen Sie doch mal rein: www.berufsberatung.ch. Sie werden staunen!

Nicole Barandun
Präsidentin Gewerbeverband der Stadt Zürich

0 Kommentare


Themen entdecken