Zeit für ein neues Abenteuer

Die Höngger Buchhandlung Kapitel 10 feiert ihr fünfjähriges Bestehen. Inhaber Andreas Pätzold blickt zurück auf die Anfänge, auf die Herausforderungen und schaut nach vorne.

Andreas Pätzold in seinem Reich, der Buchhandlung Kapitel 10. (Foto: dad)

Als Andreas Pätzold Ende Oktober 2019 im Zentrum von Höngg eine Buchhandlung eröffnete, war die Begeisterung im Quartier gross – aber auch das Erstaunen. Ein Bücherverkauf in Zeiten des Internets? Würde das Bestand haben? Ja, das hatte es. «Natürlich war es ein Wagnis, damals das Kapitel 10 zu eröffnen», sagt Pätzold.

Aber: Höngg sei ein weisser Fleck auf der Karte des Buchhandels gewesen, gleichzeitig eines der grössten Quartiere der Stadt. Der Name nimmt darauf Bezug. «Damals sagte ich mir, ich muss die Menschen überzeugen, dann wird es funktionieren», so der St. Galler. Getragen wurde der ehemalige nationale Verkaufsleiter der Schweizer Post von seiner Familie und seinem Freundeskreis sowie der Vermieterin des Lokals, wie er sagt. Kritische Stimmen gab es dennoch, aber keine Steine im Weg.

Die Eröffnung und die ersten Monate gerieten zum Erfolg. Viele Interessierte besuchten das Kapitel 10 an der Limmattalstrasse 197. Sie waren neugierig und kauften ein Buch. «Das Weihnachtsgeschäft lief an und ich spürte eine grosse Euphorie», erinnert sich Pätzold. Und dann kam die Pandemie.

«Als der erste Lockdown seinen Lauf nahm, wusste ich, ich muss mir etwas ausdenken.» Sein Kundenstamm war noch überschaubar, doch Pätzold machte sich einen Namen, in dem er bestellte Bücher persönlich in den Briefkasten lieferte. «Das zog seine Kreise und ich habe eine grosse Solidarität in Höngg erfahren.»

Die Vision eines Treffpunkts

Fünf Jahre später: Das Kapitel 10 ist mittlerweile mehr als «nur» ein Verkaufsladen, in welchem Pätzold und seine Mitarbeiterin Jasmin Helg anzutreffen sind. Es wurde zum Café und beliebten Treffpunkt im Quartier. «Ich hatte immer die Vision, einen Ort zu schaffen, an dem sich die Leute in angenehmem Ambiente treffen.»

Das Sortiment durchlief ebenso einen sanften Wandel, auch wenn es nach wie vor den gleichen Ressorts zugeordnet wird: So ist ein Drittel der Kinder- und Jugendliteratur vorbehalten, einen weiteren Drittel machen Sachbücher aus, schliesslich Romane und Krimis. «Früher habe ich das Sortiment selbst gestaltet, heute weiss ich, was meine Kundschaft lesen will, daher suche ich die entsprechende Literatur aus und stelle die Bücher vor», sagt Pätzold. Selbstverständlich bestelle er auch jedes Buch. Wichtig ist ihm der Fokus auf Autorinnen.

Lesungen und Vernissagen

Seine Buchpräsentationen avancierten zum grossen Plus: Pätzold veranstaltet regelmässig Lesungen und Vernissagen, die Publikum anlocken. «Ich investiere viel Zeit und Energie in diese Veranstaltungen. Und ich denke, meine Begeisterung überträgt sich auf die Kundschaft», sagt er. Es müsse nicht zwingend ein grosser Name sein, wie etwa Barbara Bleisch, die Ende November dort ihr Buch «Mitte des Lebens» vorstellt. Auch eine noch unbekannte Autorenschaft würde für volle Ränge sorgen. Dabei sei das Publikum stets gut durchmischt, Alt und Jung findet sich im Kapitel 10 ein.

In diesem Zusammenhang erinnert er sich an eine «Fussball-Lesung». Pätzold, der selbst ein erklärter Fussballfan ist, lud den deutschen Autor und Journalisten Lucas Vogelsang ein, der sich literarisch dem Ball widmete. «Ich kannte ihn nicht wirklich, aber die Karten waren im Nu ausverkauft und die Leute kamen von überall her, viele in Fussballtrikots, und sorgten für einen stimmungsvollen Abend.» Das Bier sei früh ausgegangen, sagt Pätzold lachend.

Das Kapitel 11 kommt

Pätzold weiss, dass das Führen einer Buchhandlung kein Selbstläufer ist. Zunächst sind seine Leidenschaft und Freude ein Muss, auch das Sortiment gelte es, ständig à jour zu halten. «Gerade wir Kleinen haben es schwer, der Markt ist umkämpft, daher ist es gut, wenn man Nischen findet, in denen man reüssieren kann.» Für Pätzold sind es die Veranstaltungen und das Café.

Dieses gilt es auszubauen: mit dem Kapitel 11. «Wir starten am 14. November den Versuch, alle zwei Wochen donnerstags von 10 bis 23 Uhr zu öffnen, abends soll ein gemütlicher Treffpunkt entstehen, wo es Wein, Prosecco aber auch Kaffee bis spät in die Nacht gibt». Da in Höngg dieses Bedürfnis vorhanden sei, wolle er nun schauen, ob das Kapitel 11 dieses bedienen kann. «Ich bin sehr begeistert von dieser Idee und das ist immer ein gutes Zeichen, zumal es Zeit wird für ein neues Abenteuer.»

Das bedeutet aber auch mehr Engagement. Wird Pätzold noch Musse finden, um zu lesen? Er lacht: «Ich lese enorm viel, meistens abends, wenn alle im Bett sind und am Wochenende.»

Noch vor fünf Jahren dachte er, er würde auch während der Arbeitszeiten lesen können – ein Trugschluss. Die Kundschaft erfordert seine ganze Aufmerksamkeit.

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