Wie geht nachhaltiges Wirtschaften?

Anlässlich des «Zwingli-Jahres» lud die Reformierte Kirche im Sonnegg zum «Zwingli-Gsprööch». Die Gäste diskutierten zum Thema nachhaltiges Wirtschaften und kamen zum Schluss: Nur gemeinsam geht es.

Pfarrer Günthardt begrüsst die Gäste.

Passend zum goldenen «Wirtschaftszwingli», der am Meierhofplatz aufgestellt worden war, lud die Reformierte Kirche zu einem Podiumsabend mit dem Thema nachhaltige Wirtschaft. Als Experten eingeladen waren Stadtrat Michael Baumer, Vorsteher Departement der Industriellen Betriebe, Thomas Wallimann, Wirtschaftsethiker der Uni Luzern, Tiziana Werlen, Inhaberin He-Optik und Vorstandsmitglied des Quartiervereins Höngg, sowie Daniel Wegmann, Bauer und Präsident des Vereins Handel und Gewerbe Höngg. Nachdem Pfarrerin Yvonne Meitner, die das Gespräch gemeinsam mit Pfarrer Martin Günthardt organisiert hatte, die Runde vorgestellt hatte, war die Diskussion eröffnet: Was heisst es, in einem Wohnquartier zu wirtschaften? Und wie funktioniert nachhaltiges Wirtschaften überhaupt?

«Wer nachhaltig sein will, kauft lokal ein», antwortete Tiziana Werlen auf die Frage der Moderatorin. Daniel Wegmann bekundete seine Mühe mit dem Modewort Nachhaltigkeit, weil dieses viel Spielraum offen liesse, sich das rauszunehmen, was man gerade brauche. Er appellierte an die einzelne Person, selber zu überlegen, wie jede*r mehr Nachhaltigkeit in seinem eigenen Umfeld implementieren könne. Stadtrat Michael Baumer verstand unter Nachhaltigkeit einen schonenden Umgang mit den Ressourcen, etwas, das vernünftigem Wirtschaften eigentlich inhärent sei. Er pflichtete seinen Vorredner*innen bei, was das lokale Einkaufen angehe, denn kurze Wege seien sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll. Ethiker Thomas Wallimann verstand unter Nachhaltigkeit, so zu leben, dass auch künftige Generationen auf die nötigen Ressourcen zurückgreifen können. Ein wichtiger Pfeiler der nachhaltigen Wirtschaft sei die Gesellschaft. Es könne nicht den Politiker*innen, Pfarrer*innen oder Ethiker*innen überlassen werden, die Probleme zu lösen, sondern nur gemeinsam könne etwas erreicht werden.

Leerstände beschäftigen die Bevölkerung

Obwohl die Moderatorin und der Ethiker das Gespräch immer wieder auf eine Metaebene zu führen versuchten und einen grundlegenden Wertewandel thematisierten, der weg von Gewinnmaximierung hin zu gemeinschaftlichem Tun und Sinn führt, und dafür auch zustimmende Voten erhielten, merkte man schnell, dass den Gästen ein konkreteres Problem unter den Nägeln brannte: Die vielen leerstehenden Ladenflächen in Höngg. Ob die Politik hier nicht Hand bieten könne? Baumer wandte ein, dass in den Immobilien, die der Stadt gehören, bezahlbare Gewerbeflächen angeboten würden. In der revidierten Bauzonenverordnung werde zudem vorgeschrieben, dass Erdgeschossflächen an zentralen Lagen wie Plätzen, Strassenkreuzungen und ÖV-Haltestellen für gewerbliche oder publikumsorientierte Nutzungen zur Verfügung gestellt werden müssen. In den sogenannten Zentrumszonen, das sind gemäss BZO zentrale, sehr gut erschlossene Gebiete mit einer hohen Personendichte und -frequenz, wurde neu eine Bestimmung eingeführt, wonach in den Erdgeschossen strassen- oder platzseitig im Parterre keine Wohnnutzungen zulässig sind. Aber natürlich sei die Attraktivität des Ortes ein relevantes Kriterium. Ähnlich wie am Rigiblick, wo der Stadtrat selber lebt, sei diese Attraktivität am Meierhofplatz bekanntlich nicht gegeben. Private Hauseigentümer könne man ausserdem nicht zwingen, ihre Räumlichkeiten zu vermieten, meinte auch Wegmann, ob das gut oder schlecht ist, darüber müsse man nicht diskutieren. Fakt sei, so Werlen, dass die Leerstände auch dem Nachbargewerbe schade, weil in der Bevölkerung der Eindruck entstehe, dass auch das noch offene Geschäft bald schliesse. Die spürbare Empörung in der Bevölkerung, wenn wieder ein Laden verschwindet, sei ein spannender Indikator, schaltete sich Wallimann ein. Sie weise nämlich darauf hin, dass die eigenen Ideale nicht unbedingt dem eigenen Verhalten entsprechen. Man wolle zwar Detailhändler im Quartier, ginge aber aus verschiedenen Gründen dennoch meist beim Grosshändler einkaufen. Er beobachte dasselbe auch in seiner Gemeinde in Nidwalden. Im Dorf mit 2000 Einwohner*innen gäbe es keinen Laden mehr, weil die meisten ausserhalb arbeiten und ihre Einkäufe auf dem Heimweg erledigten.

Ist ein Wertewandel möglich?

In der Stadt, so Baumer, seien nicht unbedingt die Leerstände ein Thema, sondern der grundsätzliche Umsatzrückgang bei den Detailhändlern aufgrund des erstarkten Onlinehandels. Auf die Kritik von Wegmann, dass die Stadt mit ihren Submissionsauflagen das lokale Gewerbe nicht unterstütze, entgegnete Baumer, dass zumindest in seinem Departement jährlich Aufträge im Wert von 53 Millionen Franken innerhalb der Stadt vergeben werden. Er gebe allerdings zu, dass der bürokratische Aufwand für Gewerbetreibende in den letzten Jahren zugenommen habe, er merke dies auch innerhalb der städtischen Betriebe. Ohne konkretes Beispiel sei es jedoch schwer, das Problem wirklich anzugehen.

Lösungen, die alle glücklich machen, werden schwer zu finden sein. Vielleicht ist es so, wie Wirtschaftsethiker Wallimann sagte, und es braucht einen Wertewandel, weg von der Gewinn- und Nutzenmaximierung hin zum Gemeinwohl. Und wer in das Gemeinwohl investiere, solle auch entsprechend monetär entlohnt werden, denn reine Fronarbeit sei auch nicht nachhaltig. Auch die Einführung einer lokalen Währung sei eine Alternative, über die nachzudenken sich lohnen würde, meinte Wallimann. Aus dem Publikum wurde angeregt, ob die reformierte Kirche nicht eine Art Box einrichten könne, um Ideen zur wirtschaftlichen Belebung des Quartiers zu sammeln. Diesen Vorschlag nehme man gerne auf und überlege sich eine mögliche Umsetzung, meinte Pfarrer Martin Günthardt im Anschluss an das Gespräch.

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