Wer finanziert Tempo 30 beim öffentlichen Verkehr?

Wenn auf Strassen mit ÖV-Verkehr das Tempo 30 eingeführt wird, bedeutet das einen finanziellen Mehraufwand, um den Taktfahrplan aufrechtzuerhalten. Wer das finanzieren soll, darüber streiten sich die Stadt und der ZVV seit rund drei Jahren. Mit einem Bundesgerichtsurteil wird der Disput nun fortgesetzt.

1
(Foto: Mike Broom)

Die Auseinandersetzungen zwischen dem Kanton und der Stadt Zürich um die Einführung von Tempo 30, Fahrplanänderungen, Kosten und Bezahlung gehen in die nächste Runde. Man erinnere sich: Die Buslinie 38 sollte abgeschafft und der Taktfahrplan der Linie 46 reduziert werden. Dies wurde im Februar 2021 gemäss einem öffentlichen Protokoll der Regionalen Verkehrskonferenz zwischen der Stadt und dem Zürcher Verkehrsverbund bekannt.
 
Begründet wurde die Reduktion mit den Mehrkosten, welche die Einführung von Tempo 30 zwischen Rosengartenbrücke und Schwert generierte. Denn weil die Busse auf besagter Strecke nur noch Tempo 30 fahren können, ist der Einsatz von zusätzlichen Fahrzeugen notwendig, um den aktuellen Takt aufrechtzuerhalten. Und weil der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) keinen Anlass sah, die Mehrkosten zu übernehmen, sah sich die VBZ genötigt, an anderer Stelle Einsparungen vorzunehmen.

Und das Opfer dieser Einsparungen sollte die Linie 38 werden, dessen Betrieb mit 900’000 Franken jährlich ungefähr den Mehrkosten entsprach, die durch die Temporeduktion zwischen Wipkingen und Höngg entstanden. Doch der Widerstand gegen die Einstellung der Buslinie war gross.

Unterschriften wurden gesammelt, die Stadt rekurrierte gegen den Entscheid der ZVV beim Regierungsrat. Sie beantragte, dass die Taktreduktion und die Einstellung der Buslinie aufzuheben seien und die Mehrkosten für die Tramlinie 13 und den Bus 46 vollumfänglich durch den ZVV zu übernehmen seien.

Vom Regierungsrat zum Bundesgericht

Der Regierungsrat reagierte abweisend und lehnte den Rekurs ab. Durch die Taktreduktionen werde das gesetzliche Minimum an Zugang zu öffentlichem Verkehr nicht verletzt, so das Votum des Regierungsrats. Und die Kostenüberwälzung auf den ZVV sei nicht zulässig, weil die Stadt den Strassenlärm verursache, den die Temporeduktion zu reduzieren versuche. Bezahlen müsse also die Stadt. Eine Antwort, die der Stadt wiederum nicht genehm war, weswegen sie ihr Anliegen an die nächste Instanz weitertrug: ans Bundesgericht.

Und dort lag es nun während eineinhalb Jahren, bis am 11. Oktober ein Urteil gefällt wurde, welches am 21. November publiziert wurde. Das Urteil, auf das so lange hatte gewartet werden müssen, ist aber in Realität gar keines: Vielmehr erklärt das Bundesgericht, dass es auf die Beschwerde der Stadt Zürich nicht eintreten werde und die Angelegenheit stattdessen an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zur Behandlung überwiesen werde. Damit ist die Entscheidung ein weiteres Mal vertagt.

Wie reagiert die Stadt?

Wie Irene Tschopp, stellvertretende Leiterin Kommunikation der Industriellen Betriebe, dem «Höngger» auf Nachfrage erklärt, nehme die Stadt die Entscheidung zur Kenntnis. Mit dem knappen Entscheid, so Tschopp, sei das Bundesgericht inhaltlich gar nicht auf die Thematik eingegangen, sondern habe neu und erstmals entschieden, dass der Zuständigkeitsausschluss des kantonalen Verwaltungsgesetzes dem massgebenden Bundesrecht widerspricht und den Fall ans Verwaltungsgericht überwiesen. Normalerweise würden Nichteintretensentscheide innert Tagen oder Wochen gefällt und bräuchten nicht eineinhalb Jahre. Die Frage war also für das Bundesgericht nicht leicht zu entscheiden.

Im Moment bezahlt die Stadt

Bis das Verwaltungsgericht nun zu einer Entscheidung gelangen wird, wird die Stadt Zürich die Mehrkosten übernehmen. Denn der «38er» fährt weiter und auch der Fahrplan der Linien 13 und 46 wurden nicht ausgedünnt. Momentan betragen die Mehrkosten für die Temporeduktion wie oben erwähnt jährlich rund 700’000 Franken. Bei einem weiteren Ausbau von Tempo 30, wie er in Bälde etwa für die Regensdorferstrasse bis zum Rütihof geplant ist (der «Höngger» berichtete), werden die Kosten weiter ansteigen.

Und auch im restlichen Stadtgebiet kommen in naher Zukunft mit der zunehmenden Einführung von Tempo 30 nicht unerhebliche Kosten auf die Verkehrsbetriebe zu. Insgesamt könnten diese rund 15 Millionen Franken pro Jahr betragen. Eine grundsätzliche Entscheidung darüber, wer die Mehrkosten dafür zu zahlen hat, ist deshalb von allen Seiten äusserst wünschenswert.

1 Kommentare


Friedhelm Zollinger

12. Dezember 2024  —  23:01 Uhr

Vielen Danke an die rot/grüne Regierung. Ich frage mich wieso so stur überall 30 sein muss, der Lärm bleibt da, verursacht durch die Fahrweise in den niederen Gängen und die breiten Pneus von den SUVs. Einige Strasse in der Stadt kann man auf 40 erhöhen, dann kann die VBZ besser damit planen, da eh nicht schneller gefahren werden kann. Ein gutes Beispiel ist Lissabon die xmal grösseres Verkehrs aufkommen haben und es fertig bringen, all die Strassen zu klassifizieren mit Geschwindigkeiten von 20, 30, 40, 50, 60 etc.. Wieso Zürich nicht? Mein Glauben geht zu Bequemlichkeit, denn es wäre ein Projekt das sicher Arbeit gibt und bereit wäre für einen Konsens der ZVV und Stadt, doch lieber Geld ausgeben für jahrelange Gerichtliche Auseinandersetzungen. Am Ende zahlen wir Steuerzahler wie immer die Mehrkosten.

Themen entdecken