Was, wenn es regnet?

Sich über das Wetter zu beklagen, ist ja an sich müssig – an wen sollte man sich wenden mit der Reklamation? Trotzdem, so einen Sommer stellt man sich schon anders vor, als das traurige Schauspiel, das sich uns gerade bietet. Der «Höngger» wäre nicht der «Höngger», hätte er nicht schon ein paar Ideen in Petto, wie man trotz Regen Feriengefühle bekommt. Hier die exklusiven Tipps vom Team.

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Schlechtes Wetter gibt es ja bekanntermassen gar nicht – nur unpassende Kleidung. Solche Aussagen können mir dennoch gestohlen bleiben – der Regen nervt. Vor allem, wenn die Sommerferien vor der Tür stehen – Dagmar Schräder

Die Saisonkarte für die Badi wird sich dieses Jahr wohl nur schwerlich amortisieren. Mitte Juli und die Anzahl der Besuche im Hölzli oder auf der Werdinsel lässt sich locker an einer Hand abzählen. Also nix mit Sonne satt, «sich treiben lassen», Chlorgeruch, Pommes frites vom Badikiosk und ekelhaften Süssigkeiten in Form von WC-Schüsseln oder Deo-Rollern. Alternativen? Der Ferienpass ist für Daheimgebliebene mit Kindern wenigstens ein kleiner Trost. Nicht nur der öffentliche Verkehr ist dadurch gratis, auch Ausflüge in den Zoo, Escape-Rooms, die Trampolinhalle und Kino sind deutlich vergünstigt, kleine Geschenke inklusive. Da lassen sich die Kinder schon mal einen Tag lang beschäftigen. Für Regenpausen von ein bis drei Stunden bieten sich auch die verschiedenen Foxtrail-Parcours an, die es in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und passend für jede Altersgruppe zu absolvieren gibt. Die spannenden Schnitzeljagden durch die Stadt sind äusserst kurzweilig und lehrreich. Für ganz schlimme Tage gibt es sogar eine Strecke, die witterungsunabhängig ist – auf den Spuren des Fuchses bewegt man sich hier ausschliesslich im Hauptbahnhof. Die Rätsel lassen sich mit vereinten Kräften relativ gut lösen – und auf der Jagd können die Teilnehmenden sogar die Beleuchtung am dicken Engel von Niki de St. Phalle verändern. Und sonst? Funktionale Regenklamotten anziehen und trotzdem rausgehen. Vorzugsweise möglichst kleine Kinder und ein paar Hunde mitnehmen und so richtig nass und dreckig werden. Über das Wetter fluchen, nach Hause kommen, ein warmes Bad nehmen (im Hochsommer!), alle Kleider in die Waschmaschine schmeissen und dann gemeinsam einen Film anschauen. Oder den Grill unters Dach schieben, die Sonnenstoren runterlassen, damit auch ja kein Tropfen durchdringt, Getränke kaltstellen – oder doch eher Glühwein zubereiten? – und die Nachbar*innen zum gemütlichen Barbecue einladen. Darf gerne auch vegan sein.

Staunend in die Vergangenheit reisen

Wenn ja nicht die letzten allzu langen Monate der sonderbaren Art gewesen wären, dann, ja dann, hätte man ja – vielleicht – noch eine ganze Menge an wertvollen Ideen oder phantasievollen Inputs ausgraben können. Aber so? – Bernhard Gravenkamp

Aber, nun, Hand aufs Herz. Haben Sie denn in dieser Zeit tatsächlich all das gemacht, was Sie schon lange mal tun wollten? Inhäusig, meine ich: aufräumen, entrümpeln, sich leichten Herzens von schweren Altlasten zu befreien, um – wenigstens auf diese Art – endlich aufatmen zu können?

Als Reiseziel, fern von Altlasten, empfehle ich alte Erinnerungen und damit auch alte Freuden aufleben zu lassen. Wer hat nicht einen Haufen Ferienbilder, die er schon längst mal sortieren wollte? Ist doch nicht so schwierig, man darf sich nur nicht allzu viel vornehmen: Sich an jedem Regentag an eine schöne Ferienwoche erinnern. Und wenn es da noch ein paar Reisenotizen gibt, umso besser. Sollten die Ferienbilder noch analog sein, dann: auf zur Fleissarbeit! Sollten sie bereits in digitaler Form gespeichert sein, dann ist die Bilderflut bestimmt so gross, dass man sich schon fast beeilen muss, um an einem Ferientag eine ganze Ferienwoche wieder aufleben zu lassen, dabei könnte man doch gleichzeitig die vielen Musik-CDs digitalisieren. Wenn dann da noch Videoclips die Speicherkarten oder Harddisks (über-)füllen wird man definitiv zum perfekten Alleinunterhalter für die ganze Familie. Dazu noch die passende Musik geniessen und, als Krönung, ein dazu passendes Essen kochen, oder ein passendes Restaurant besuchen. Oftmals, nein, fast immer, kommen da meist «nur» die schönen Momente an die Oberfläche. Und sollte die eine oder andere Erinnerung oder der Name des Ortes, wo man dies erlebt hat, gerade entfallen sein, dann helfen der Atlas oder ein Ausflug auf eine der unzähligen hilfreichen Seiten im Internet. Aber Achtung: denn diese «kurzen Ausflüge» enden meist in den unendlichen Tiefen des Netzes. Man kann ja als Schutz einen Timer stellen, der einen nach nützlicher Frist zurück in den Regentag bringt. Sonst endet diese Reise vermutlich anders als geplant. Aber vielleicht zählen gerade diese Unwägbarkeiten zu den Hauptgründen für unsere Reiselust und den Wunsch nach weiteren überraschenden Erlebnissen. Ich bin sicher, dass diese vergangenen und so erneut erlebten Momente zur Zufriedenheit, wenn nicht gar zu Augenblicken des Glücks führen werden, Energie und Hoffnung geben, auf dass der nächste Winter besser werde, mit viel Bewegung an frischer Luft und nach dem vielen Regen (?) vielleicht auch mal viel Schnee? Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei dieser Reise in die Vergangenheit.

Affiges Wetter

Wenn schon nass, dann bitte richtig nass. Das funktioniert mit Eintauchen in der Therme, nach einem vorgängigen, spannenden Kunstrundgang im Park – Eva Rempfler

Lassen wir uns nicht unterkriegen oder gar die Sommerlaune vermiesen. Es gibt so viele Sachen, die man auch bei schlechtem Wetter unternehmen kann. Ich empfehle einen Ausflug nach Bad Ragaz. Zur grössten Freiluft-Skulpturenausstellung «Bad RagARTz» von Europa, mit anschliessendem Besuch im Thermalbad. Der IC fährt ab Hauptbahnhof im Halbstundentakt. Nach einer guten Stunde kann bereits herrliche Bergluft eingeatmet werden. Nur schon diese tut gut, geschweige denn die sagenhaften 2500 Tonnen Kunst. In der kostenlosen Freiluftausstellung, die alle drei Jahre im Kurort und im nahegelegenen Valens im Taminatal stattfindet und noch bis am 31. Oktober dauert, stellen 83 Künstler*innen aus 16 Ländern rund 400 Kunstwerke aus. Ich bin immer wieder fasziniert ob den imposanten Werken und Ideen. In welcher Industriehalle und mit welchen Materialien und Maschinen sind wohl diese Affen entstanden – oder der Kopf, der zu viel denkt? Zu erfahren ist dies alles in einer Broschüre oder bei verschiedenen Führungen, die am bestem im Voraus über die Website gebucht werden. Sollte nun die ganze Angelegenheit eine nasse und kalte Angelegenheit gewesen sein, wäre es jetzt Zeit, in die Therme einzutauchen. Eine Quelle für alle Sinne ist das 36,5-Grad-Becken oder die auf 1300 Quadratmeter grosse Saunalandschaft. Jedenfalls bietet das traumhafte Ambiente viele Aufwärmgelegenheiten sowie Ruhe und perfekte Erholung.

Bouldern – Klettern auch mit Höhenangst

Klettern ist ein faszinierender Sport, aber leider nichts für Menschen mit Höhenangst – für die gibt es Bouldern – Petra England

Beim Bouldern bewegt man sich in einer Höhe an der Wand, aus der man ohne grosses Verletzungsrisiko abspringen kann. In Boulderhallen ist der Boden sogar mit weichen Matten ausgelegt. Ein weiterer Vorteil ist, dass man sich nicht weiter mit Klettergurt und Seilen beschäftigen muss, sondern sich ganz aufs Klettern konzentrieren kann. Das ist auch gut so, gilt es doch einiges an Technik zu beachten, wie ich kürzlich in einem Boulder-Schnupperkurs erfahren habe. Obwohl nicht unsportlich, war ich nach jeder Übung nudelfertig und hatte es mir einfacher vorgestellt. Nichtsdestotrotz war es eine ausgesprochen positive Erfahrung, die ich gerne fortsetzen würde. Sollte es also weiterhin so regnen, wäre dies eine gute Gelegenheit, das Gelernte in einer der nahe gelegenen Boulderhallen aufzufrischen. Gerade vis-à-vis in Schlieren gibt es das Kletterzentrum Gaswerk und in Altstetten das Minimum – letzteres übrigens mit einem sympathischen Restaurant. Beide Hallen bieten verschiedene Kurse an, auch Angebote speziell für Kinder und Familien sowie Senior*innen. Allerdings starten die meisten Kurse erst wieder nach den Sommerferien. Bis dahin könnte man mit einem Einzeleintritt Boulderluft schnuppern und ausprobieren, ob man Lust auf mehr hat.

«Architektour» – auch vom Sofa aus
Der Countdown bis zur Eröffnung des Kunsthaus Erweiterungsbaus von Chipperfield läuft. Am 9. Oktober öffnet das neue Gebäude mit seinen Kunstwerken für Besucherinnen und Besucher. Sollte das Wetter weiterhin keine Lust auf Baden oder Wandern machen, so können Sie sich die Zeit damit vertreiben, noch einmal zu rekapitulieren, wie es zu diesem Gebäude kam und was das Besondere daran ist. Jetzt hängt es davon ab, ob Sie eher der Typ Couch-Potato sind oder sich auch bei Regen vor die Tür wagen. Vom Sofa aus lässt sich prima über Video und Bildmaterial verfolgen, wie die Bauphasen verliefen (Zeitraffervideo) und was das Gebäude auszeichnet. Hintergründe und Fakten sind in einer anschaulichen Broschüre zu finden. Wer sich lieber vor Ort ein Bild machen möchte, dem empfehle ich eine Architekturführung durch das neue Haus. Die Führungen finden auch in den Sommerferien statt, sind aber schnell ausgebucht.

Bouldern
https://www.kletterzentrum.com/standorte/schlieren/, https://minimum.ch/bouldern

Kunsthaus

Countdown: https://countdown.kunsthaus.ch/
Informationen: https://www.kunsthaus.ch/museum/ueber-uns/erweiterung
Führungen: https://www.kunsthaus.ch/besuch-planen/agenda/

Sommer für alle Sinne

Wie heisst es, «wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann kommt der Berg zum Propheten»? – Patricia Senn

Ich wandle mal recht frei um: Wenn der Sommer nicht nach Zürich kommen will, dann hole ich ihn mir halt auf den Teller. Schön ist, dass in den kommenden Wochen fast alle Gemüse Saison haben und super lecker duften, schmecken und aussehen. So lässt sich der Sommer mit allen Sinnen erleben und zelebrieren, auch wenn es draussen grau und nass ist. Mit einem Gericht, das so einfach, wie geschmacksintensiv ist, und von dem man nicht genug kriegen kann: Tomaten-Nektarinen-Salat mit Burrata, wahlweise mit oder ohne Crevetten. Für zwei Personen reichen drei mittelgrosse Ochsenherztomaten, zwei Nektarinen, Basilikum, Oregano, ein wenig Zitronenschale – oder, wenn zur Hand, gerne auch ein wenig gehackte, eingelegte Zitrone – reichlich Olivenöl, ein wenig Essig und Salz. Nektarinen und Tomaten in mundgerechte Stücke schneiden. Die Nektarinen in einer Pfanne mit etwas Öl langsam auf mittlerer Hitze anbraten, damit sie weich, aber nicht zu dunkel werden, und ihre Süsse so richtig gut zum Vorschein kommt. Kräuter und Zitronenschale hacken, alles zusammen mit Öl, Essig und Salz vermengen und etwas marinieren lassen. Wer will, brät in der Zwischenzeit ein paar Garnelen für das Ferien-am-Meer-Feeling, ansonsten einfach die Burrata zerzupft oder als ganze Kugel auf den angerichteten Salat geben – fertig!

«America in a nutshell»
«Serien schauen? Dafür habe ich doch keine Zeit!». Wer so etwas sagt, würde wahrscheinlich niemals sagen: «Bücher lesen? Dafür habe ich doch keine Zeit!». Serien hängt immer noch der Ruf an, nur was für Stubenhocker*innen zu sein. Dabei gibt es mittlerweile Produktionen, die es locker mit der Weltliteratur aufnehmen können. Die siebenteilige HBO Mini-Serie «Mare of Easttown» mit einer überirdisch guten Kate Winslet – ja, die von Titanic – ist meiner Meinung nach so ein Meisterwerk. In der amerikanischen Kleinstadt «Easttown» versucht sie als Ortspolizistin Mare einen Mord an einer Jugendlichen aufzuklären. Eine aufwühlende Aufgabe, denn in diesem engen Ort sind alle auf die eine oder andere Art miteinander verwandt oder verbunden. Wie auf einer Bühne bilden die Gesellschaftsthemen der heutigen USA die Kulisse – Teenager-Eltern, Opioidkrise, Armut, Identität, Verlust – doch das Scheinwerferlicht bleibt stets auf die Hauptfigur gerichtet. Diese ist weder besonders sympathisch noch moralisch überlegen – im Gegenteill. Und genau das macht diese Serie so einzigartig und sehenswert. Momentan zu sehen auf Sky.

 

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