Als der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung das Konzept der zwölf Archetypen in den 1930er-Jahren entwickelte, ahnte er wohl nicht, dass diese symbolischen Figuren ihre eigene Popularität entwickeln. Das taten sie aber. Und nun haben es der Rebell, der Zauberer, der Held, der Liebende, der Narr, der Jedermann, der Betreuer, der Herrscher, der Schöpfer, der Unschuldige, der Weise und der Entdecker auf die Bühne geschafft. Auf jene des reformierten Kirchgemeindehauses in Höngg.

Zu verdanken ist das dem Männerchor Höngg mit seinem Konzert «12 Archetypen» am Freitag letzter Woche. Es war ein Abend, der nicht nur die Musik und die Darbietung feierte, sondern auch den «jungen» Vorstand: Das Durchschnittsalter der 27 Sänger liegt laut Präsident Eric Lehmann neu bei «55,3 Jahren». Abgesehen von dem eingeschlagenen «Verjüngungskurs» ist der Männerchor Höngg in seinem 196. Vereinsjahr angekommen und gilt als einer der ältesten Chöre seiner Art in der Schweiz.

Kurzum: Die Erwartungshaltungen an den Auftritt waren gross und die Herren mussten bei ihrem Bühnen-Comeback liefern, was sie mit den «12 Archetypen» auch getan haben. Allein das Thema der Urbilder war eine dankbare Ausgangslage, die nicht «nur» den Stimmen überlassen wurde. Theatrale Elemente sorgten für heitere Unterhaltung und ausgewählte Begleitmusiker kamen ebenso zum Einsatz.

Das Konzert

Doch von vorne: Zwölf Archetypen bedeuteten zwölf Lieder, die in ein Rahmenprogramm eingebunden waren. Das Setting: Die Praxis einer Psychiaterin, dargestellt von der Höngger Autorin Coco Petit. Selbstverständlich durfte die klassische Couch nicht fehlen: Darauf Platz nahm Vorstandsmitglied Markus Mehnert, der die zwölf Archetypen im Kreuzverhör «durchlebte». Es waren jeweils pointierte und auf den Zeitgeist übertragene Ansagen, welche den Startschuss für die Lieder gaben.

Der Chor unter der Leitung von Andreas Wildi eröffnete mit dem italienischen Partisanenlied «Bella Ciao» (der Rebell) und liess darauf Spans «Louenensee» (der Zauberer) folgen. Schliesslich erklang der «Jägerchor» aus «Der Freischütz» (der Held). Begleitet wurden die Sänger von Fadri Rüedlinger am Klavier. Der Chor schmetterte die Töne nicht von der Bühne, sondern gab Acht auf Nuancen, auch die leisen Töne sollten passen. Etwa bei «Die kleine Kneipe» (der Jedermann), «Comme d’habitude» (der Herrscher) und bei «What shall we do with the drunken Sailor» (der Betreuer).

Dem gegenüber standen Gassenhauer wie «Azzurro» (der Liebende), «Jung san ma!» (der Narr), «Bajazzo» (der Unschuldige) und erneut ein Berner Hit: Mit «W. Nuss vo Bümpliz» von Patent Ochsner (der Schöpfer) schoss der Chor den Vogel ab und setzte auf Begleitmusik: Es spielten neben dem Pianisten Rüedlinger noch Alexander Mykhailov (Violine), Markus Zeisler (Perkussion) und die als Überraschungsgast angekündigte Oleksandra Fedosova (Violine). So wurde die vermeintliche «Venus» zum Schlager des Abends. Mit «Die Wunder dieser Welt» (der Weise) und «La Montanara» (der Entdecker) schloss der Chor das Konzert und genoss einen langanhaltenden Applaus.

Die Zugaben überraschten: Der Männerchor räumte zunächst das Feld für das Quartett, das den Song «Bridge over troubled Water» von Simon & Garfunkel instrumental zum Besten gaben, bis erneut «W. Nuss vo Bümpliz» vom gesamten Ensemble erklang. Eric Lehman dankte dem Publikum, den Freiwilligen und den Sponsor*innen.

Im Anschluss mischten sich die Sänger unter das Publikum für Gespräche, Häppli und Cüpli und liessen den klangvollen Abend gemeinsam ausklingen. Vielleicht, so Eric Lehmann, werde der Chor das Programm im Herbst nochmals zur Aufführung bringen. Der nächste Auftritt folgt hingegen schon bald: Am Muttertags-Gottesdienst in der reformierten Kirche am 12. Mai haben die Höngger Sänger ihren traditionellen Auftritt.