Quartierleben
Verurteilung im Brandfall «Limmatberg»
In der Nacht auf den 19. Oktober 2007 brannte das Restaurant Limmatberg an der Imbisbühlstrasse 1 vollständig aus. Bald war klar: Es war Brandstiftung. Letzten Donnerstag stand ein Angeklagter vor dem Bezirksgericht und kassierte 4½ Jahre Gefängnis unbedingt.
14. Mai 2009 — Fredy Haffner
Beim Prozess letzten Donnerstag fragten sich die Beobachter im Gerichtssaal lange nach dem Motiv des Angeklagten I. M., denn verhaftet worden war der 43-Jährige am 14. November 2007 vorerst im Zusammenhang mit den Ermittlungen um eine auf Motorräder spezialisierte Diebesbande. Deswegen wurde er auch vom 18. auf den 19. Oktober 2007 observiert. In einem von ihm gemieteten Lieferwagen protokollierten die Beamten am Nachmittag des 18. Oktober den sichtbaren Inhalt des Laderaums: einen Benzinkanister, einen Rucksack und weitere verdeckte Gegenstände, möglicherweise ebenfalls Benzinkanister. Abends um sieben parkierte I. M. das Auto in der Hohenklingenstrasse und brachte von dort zu Fuss und mit dem Fahrrad «schwere Gegenstände», wie es im Protokoll heisst, in Richtung Restaurant Limmatberg. Morgens um 4.20 Uhr stellte I. M. das leere Fahrzeug beim Vermieter in Höngg ab und die Observierung wurde abgebrochen. Um 5.40 Uhr meldete eine Anwohnerin den Brand im Restaurant Limmatberg. Die Verbindung zwischen dem Brand und dem observierten I. M. stellte die Polizei aber offenbar erst her, als man nach dessen Verhaftung die Protokolle der Überwachung genauer betrachtete. Zeitpunkte und Orte ergaben einen Zusammenhang und die in der Brandruine sichergestellten ausgebrannten Benzinkanister, der Rucksack und die auf dem umgeworfenen Zigarettenautomaten gefundenen Gummihandschuhe mit der DNA von I. M. trugen diesem die Anklage wegen Brandstiftung ein. Doch welches Motiv sollte er gehabt haben? Erst jetzt erfuhren die Prozessbeobachter, dass der Mann vor den Schranken des Gerichts der Bruder der damaligen Wirtin ist. Einen kurzen Moment scheint alles klar: Der Betrieb, so wird auch vor Gericht gesagt, war stark verschuldet, die Versicherungssumme war kurz vor der Brandnacht erhöht worden – der Verdacht einer «heissen Liquidation» drängte sich auf. Doch die Staatsanwältin verweist in ihrem Strafantrag darauf, dass sich dieser Verdacht damals nicht erhärten liess und das Verfahren gegen die Wirtin mangels Beweisen eingestellt worden sei.
Indizien und Widersprüche
Klar scheinen jedoch die Beweise gegen ihren Bruder, obwohl dieser alles abstreitet. Er habe in jener Nacht «Sachen“ zu seiner Freundin in der Imbisbühlstrasse gebracht. Was, das gibt er ebenso wenig preis wie den Namen der Frau, obwohl ihm diese als Entlastungszeugin dienen könnte. Die Staatsanwältin verweist auf Widersprüche in den Aussagen des Angeklagten und wirft ihm vor, ohne Rücksicht auf Konsequenzen mit einer hohen kriminellen Energie gehandelt zu haben. Der Verteidiger dagegen plädiert auf Freispruch und verweist auf Ungereimtheiten und Lücken im Überwachungsprotokoll: Von der Hohenklingenstrasse aus sei für die Polizisten nicht sichtbar gewesen, ob I. M. zum Restaurant gegangen sei. Es sei auch nur von «schweren Gegenständen“ die Rede, die er transportiert habe, und nicht von Kanistern. Zudem sei nach 20 Uhr nichts mehr klar protokolliert und das Ende der Observation ebenso wenig ersichtlich wie der Name des zweiten Beamten.
Ungeklärtes Motiv
Ungeklärt bleibt auch das Motiv. Laut Aussage der Schwester während der Untersuchung hätte sie seit 13 Jahren keinen Kontakt mehr zum Bruder gehabt, ja, sie würde ihn gar verachten, berichtet der Anwalt. Dann sei ihr Bruder eines Tages im Restaurant aufgetaucht und man habe sich gestritten. «Warum also hätte der Angeklagte seiner Schwester mit dieser ‹heissen Liquidation› einen Gefallen erweisen sollen? Oder warum hätte sie sich in die Abhängigkeit des verachteten Bruders begeben sollen?», fragt der Anwalt. Wie aber kamen die Gummihandschuhe mit der DNA von I. M. an den Tatort? Der Angeklagte sagt aus, die Handschuhe seien im Rucksack gewesen, den er beim Treffen mit seiner Schwester im Restaurant vergessen habe. Jemand habe sie wohl benutzt, um den Verdacht auf ihn zu lenken. Dieser Darstellung folgte das Gericht nicht. Nach einstündiger Beratung wird I. M. der Brandstiftung und in allen anderen Anklagepunkten für schuldig befunden, zu 4½ Jahren Gefängnis und zu Schadenersatz in Höhe von über 900 000 Franken verurteilt. I. M. kündigte noch im Saal Berufung an.
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