Tatort Kreis 10
Vater tötete Tochter mit einer Axt
Im Frühjahr 2010 erschütterte ein grausamer Mord in Höngg die ganze Schweiz. Ein damals 51-jähriger pakistanischer Vater erschlug seine 16-jährige Tochter brutal mit einer Axt.
7. Dezember 2020 — Stefan Hohler
Swera hatte einen christlichen Freund, hatte sich geschminkt und westlich gekleidet und war ein selbständiges junges Mädchen – doch das passte nicht in das konservative Weltbild ihres muslimischen Vaters. Mit mindestens 19 Beilhieben erschlug der Vater am 10. Mai 2010 seine 16-jährige Tochter in einer Genossenschaftswohnung im Rütihof. Denn Swera plante auszuziehen, was zu einem heftigen Streit führte. Noch während sie ihre Sachen packte, schlug der Vater mit der Axt auf sie ein: Zwölfmal mit der Schneide, siebenmal mit dem stumpfen Hinterteil. Die junge Frau verstarb allerdings erst nach einigen Minuten. Am gleichen Tag hatten die Eltern ihre Tochter auf der Uraniawache der Stadtpolizei abgeholt, weil sie dort wegen eines geringfügigen Ladendieb-stahls festgehalten wurde. Das Mädchen hatte zusammen mit einer Freundin ein Päckchen Zigaretten mitgehen lassen und wurde dabei erwischt. Laut der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft lehnte die Tochter aber den Kontakt mit der Mutter ab, sodass der Vater mit ihr getrennt in die Wohnung nach Höngg fuhr. Dort wies die Tochter die Mutter erneut zurück. Auf Anraten des Mannes verliess die Ehefrau mit den beiden anderen Kindern die Wohnung und fuhr in die Stadt.
Es begann nun ein langer Streit zwischen dem Vater und dem Mädchen, wobei die 16-Jährige den Vater heftig beleidigte und ihre Sachen packte und zum Freund ziehen wollte. Als sie im Keller war, um ein Paar Schuhe zu holen, holte der Vater vom Balkon ein Beil, das dort schon seit vielen Jahren deponiert war und versteckte es im Elternschlafzimmer. Als Swera, die inzwischen wieder in der Wohnung war, kniend Gegenstände in einer Kommode im Elternschlafzimmer suchte, schlug der Vater mit grosser Wucht auf ihren Hinterkopf. Nach der Tat platzierte der Vater das Beil sorgfältig auf dem Gesäss der Tochter, wusch sich die Hände, verliess die Wohnung, rief seine Frau an und sagte ihr, dass er die Tochter umgebracht habe. Eine Viertelstunde später informierte er die Polizei, welche ihn an der Regensdorferstrasse unweit der Wohnung verhaften konnte.
Vater war schon länger polizeibekannt
In der Genossenschaftswohnung in Höngg lebten Vater, Mutter sowie ein Knabe und drei Mädchen. Die sechsköpfige Familie galt in der Nachbarschaft als freundlich und nett. Doch gab es in der pakistanischen Familie immer wieder Streit, wie Nachbarn sagten. Auch den Behörden war der Vater bekannt. «Wir haben etliche Male bei der Polizei angerufen. Swera hat erklärt, dass sie geschlagen wird, weil sie ausgerissen ist und dass sie Angst hat», berichtete ihr Freund. Schon im Jahr 2007 machte die Schule für alle drei Kinder eine Gefährdungsmeldung, weil sie blaue Flecken im Gesicht hatten. Als Hilfe erhielt die Familie einen Erziehungsbeistand sowie einen Familienbegleiter muslimischer Herkunft, der zwei- bis dreimal pro Woche Kontakt aufnahm. Solche Beistandschaften werden angeordnet, wenn Verdacht besteht, das Wohl des Kindes könnte gefährdet sein. Die Familie stand der Massnahme positiv gegenüber und arbeitete mit dem Begleiter einen Plan aus, den alle Familienmitglieder unterschrieben. Direkte Anzeichen für eine akute Gefährdung der Tochter habe es nie gegeben, sagte damals ein Vertreter der Sozialen Dienste. Bereits drei Wochen vor dem Mord hatte der Vater versucht, seine Tochter umzubringen, weil sie Marihuana geraucht haben sollte. Laut der Anklageschrift hatte er seine Tochter geschlagen, in die Badewanne gezerrt, diese volllaufen lassen und dann einen Föhn in die Wanne geworfen. Swera konnte sich wehren und überlebte den Anschlag. In durchnässten Kleidern floh das verängstigte Mädchen zu einer Freundin.
Dreizehneinhalb Jahre Haft wegen Mordes
Im April 2012 verurteilte das Zürcher Bezirksgericht den Vater zu einer Freiheitsstrafe von 17 Jahren wegen Mordes. Der Staatsanwalt hatte in der Tat einen Ehrenmord gesehen und wegen Mordes und versuchter vorsätzlicher Tötung eine Strafe von 20 Jahren gefordert. Der Verteidiger sprach lediglich von Totschlag und forderte viereinhalb Jahre. Es sei eine Tat im Affekt gewesen. Für seinen Mandanten habe die Tochter mit ihrem Verhalten seine Ehre und diejenige der Familie in Pakistan beschmutzt. Das Obergericht senkte das Urteil auf dreizehneinhalb Jahre Gefängnis, bestätigte die Tat jedoch als Mord. Der Grund für die Strafsenkung: «Schwerwiegend verminderte Schuldfähigkeit». Das Obergericht verneinte in seinem Urteil einen Ehrenmord oder kulturelle Besonderheiten. «Wer seit 25 Jahren in der Schweiz lebt, kann sich nicht mehr auf die kulturellen Eigenheiten seiner Heimat berufen», sagte der Richter.
Bundesgericht bestätigte Mordvorwurf
Der Pakistani zog daraufhin das Urteil vor das Bundesgericht mit der Be-gründung, dass er unter grosser psychischer Belastung und heftiger Gemütsbewegung gehandelt habe und plädierte auf Totschlag. Das oberste Gericht wies den Antrag jedoch ab und bestätigte das Urteil des Oberge-richts. Der Vater sei heimtückisch und kaltblütig vorgegangen, das Tatmotiv zudem krass egoistisch gewesen. In der Anklageschrift war die Rede von einem richtiggehenden Abschlachten und einem Massaker.
Laut dem Urteil seien die Beleidigungen «Schwein» und «Arschloch» der Tochter gegen den Vater sowie die Ankündigung, auf den Strich gehen zu wollen, kränkend und nicht dem üblichen Umgangston in einer Familie ent-sprechend gewesen. Jedoch sei dies eine Eskalation eines mehrjährigen Konflikts in der Familie gewesen. Der Vater habe das Leben seiner 16-jährigen Tochter ausgelöscht, weil ihre Ansichten und Zukunftspläne nicht seinen moralisch-muslimischen Wertvorstellungen entsprachen. Der Mann habe den grausamen Mord kaltblütig geplant und ihn auf hinterhältige und ausserordentlich grausame Art durchgeführt. Mit der Tat habe er erreichen wollen, dass endlich wieder Ruhe einkehrte.
0 Kommentare