Politik
… und alles ohne Couvert in die Urne
25. September, Abstimmungssonntag in Höngg. An drei Orten kann das Couvert noch direkt in die Urnen gelegt werden. Wer tut das noch und warum? Ein Augenschein.
26. September 2016 — Fredy Haffner
Der Schreibende stimmt seit Einführung dieser Möglichkeit nur noch per Brief ab. Jeweils ein Tag nach Erhalt des Stimmrechtscouverts, damit es sicher nicht vergessen geht. Doch es geht ja nach wie vor auch anders, mit dem klassischen Gang zur Urne. Wer tut das noch, und warum? Mit dieser Frage im Kopf ging es diesen Sonntag auf die Suche nach Stimmlokalen. Wo waren die doch gleich? Ach ja, im Bläsischulhaus zum Beispiel. Dort angekommen weist die Tafel auf der Strasse aber weiter die Limmattalstrasse stadteinwärts. Hat sie ein Scherzbold anders platziert? Nein: Während des Umbaus des Schulhauses zog das Wahllokal in die Pfarrei Heilig Geist, und dorthin wird einem auch jetzt, da das Schulhaus längst wieder in Betrieb ist, der Weg zur Urne gewiesen. Und hier werde man auch bleiben, gibt Arthur Müller, der Leiter des Kreiswahlbüros 10, zur Auskunft: «Der Ort hier ist ideal. Es hat ein paar Parkplätze und vor allem ist es ebenerdig, also behindertengerecht».
Rund 350 bis 500 Personen gäben alleine hier jeweils ihre Stimmen ab, sagt Peter Forster, der seit zwei Jahren dieses Stimmlokal leitet. An den anderen beiden Orten in Höngg, dem Kindergarten am Wildenweg und dem Pavillon im Rütihof, seien etwas weniger. Tatsächlich: Um zehn Uhr öffnet die Tür und bis um Punkt zwölf Uhr die letzten eilig um die Ecke zu hasten kommen, reisst der Strom kaum ab. Wer geglaubt hätte, es seien dies vornehmlich ältere Semester, irrt sich. Alle Altersklassen sind vertreten, von offensichtlichen jungen Erstwählern über Familien mit Kindern bis zu Senioren, alle kommen mit dem Stimmcouvert anmarschiert. Auffallend viele bringen gleichzeitig zum eigenen, denn nur so ist dies erlaubt, noch stellvertretend für Unabkömmliche die Couverts mit. Diese werden vor der Abgabe vom Leiter des Stimmlokals genau geprüft. Maximal dürfen zwei Vertretungen abgegeben werden, und natürlich müssen die vertretenen Personen den Stimmrechtsausweis unterzeichnet haben. Und dann heisst es «…und bitte alles ohne Couvert in eine Urne». Während drinnen so Zettel um Zettel eingesteckt werden, stehen draussen vor dem Pfarreizentrum Jungpolitiker der JUSO und sammeln Unterschriften für ihre kantonale Entlastungsinitiative. Kommt sie zustande, wird auch darüber einst an der Urne abgestimmt werden. Dass dies weiterhin im Stimmlokal sein kann und wird, das scheint sicher. Denn die Antworten auf die Frage, warum man nicht per Brief abstimme, sondern extra am Sonntag zum Stimmlokal gehe, lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Die erste Antwort lautet, man habe schlicht den Moment verpasst, die längst ausgefüllten Vorlagen zur Post zu bringen. Jeweils bis Dienstag vor dem Abstimmungssonntag muss dies geschehen sein, damit die Couverts rechtzeitig in der Stimmrechtszentrale ankommen. Und der zweitgenannte Grund ist die gute alte Tradition: «Das gehört sich für mich so», sagt ein Mann mittleren Alters stellvertretend für alle Befragten, «Ich ging schon als Kind mit meinen Eltern am Sonntag ins Stimmlokal und habe dies so beibehalten». Wer die vielen Familien gesehen hat, die an diesem Sonntag zur Urne schritten, gibt dieser Tradition eine schöne Zukunft. Punkt zwölf Uhr werden die beiden Urnen abgeschlossen. Nun werden sie ins Schulhaus Lachenzelg transportiert, wo alle Stimmen des Wahlkreises 10 ausgezählt werden. Bis gegen 16 Uhr könne dies dauern, je nach Anzahl Zetteln, die auszuzählen sind. Allein im Lokal an der Limmattalstrasse haben an diesem Sonntag mit fast 500 überdurchschnittlich viele ihre Stimme abgegeben. Bereits am Montag in zwei Monaten, am 27. November, wird sich das Ritual wiederholen. Und vielleicht auch jenes, am Abstimmungssonntag nach der Stimmabgabe im Ortsmuseum zum Frühstück einzukehren. War da noch was? Ach ja, das E-Voting. Dies steht, nach einer Testphase von 2008 bis 2011, im Kanton Zürich nicht zur Verfügung. Damals wurden erste Erkenntnisse gesammelt, und nun werden in einem Vorprojekt Grundlagen erarbeitet, um dem Regierungsrat einen Bericht über das weitere Vorgehen vorlegen zu können. Heisst es auf der Webseite der Stadt Zürich. Doch selbst wenn es dereinst kommt, auch das E-Voting wird die Stimmabgabe direkt an der Urne nicht so schnell verdrängen. Schliesslich hat auch das längst etablierte E-Banking die direkte Einzahlung am Postschalter noch längst nicht abgelöst.
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