Quartierleben
Überleben dezentrale Läden in Höngg?
Höngg scheint, zählt man den Rütihof nicht mit, für ein einziges Zentrum mit Läden für den täglichen Bedarf zu gross − und für mehrere, dezentral gelegene Läden scheinbar zu klein. Der Wandel ist offenbar, die Folgen ungewiss.
10. Februar 2011 — Fredy Haffner
Höngg hat eine relativ gesunde und intakte Ladenstruktur. Aber nur im Zentrum – in der Peripherie herrscht Einkaufsödnis vor. Das war nicht immer so: Als im Höngg der 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts die Bautätigkeit schnell zunahm, entstanden an ehemaligen Rebhängen, auf Obstgärten und Feldern nicht nur Siedlungen mit zahlreichen Wohnungen, sondern auch verschiedene kleine Geschäfte, welche die neuen Bewohner in nächster Nähe mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs versorgten. Der Weg bis ins Zentrum für den täglichen Einkauf war vielen zu Fuss zu weit oder zu steil, ein Auto besassen längst nicht alle – und wenn doch, dann stand es der Hausfrau nicht zur Verfügung − und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln war keines der Gebiete genügend gut erschlossen. Viele dieser Faktoren haben das Einkaufsverhalten der modernen, mobilen Gesellschaft verändert: Eingekauft wird heute mit dem Auto irgendwo beim Grossverteiler oder – Heimlieferung inklusive – über das Internet.
Einer nach dem anderen schloss
Zu spüren bekamen und bekommen dies die dezentralen Detaillisten oder Filialen grösserer Ladenketten. Einer nach dem anderen schlossen sie längst ihre «kleinen» Türen: Der Konsum an der Ecke Regensdorfer- und Giblenstrasse – wer erinnert sich noch daran; der kleine Laden an der Segantinistrasse 133 – wie hiess der gleich; die kleine Migros neben dem Restaurant Alte Trotte – Kinder gehen dort heute in die Ballettstunde, im Dorfladen an der Wieslergasse werden Modellflugzeuge verkauft und bestimmt ruft jemand die Redaktion des «Hönggers» an, um noch auf einen vergessenen Laden hinzuweisen. Im Rütihof – dem Quartier im Quartier – versorgt eine Coop- Filiale die nahe Umgebung und auch unten Am Wasser ist der Grossverteiler mit einer Pronto-Filiale an der Tankstelle präsent. Nicht zu vergessen der beliebte Hofladen des Obsthauses von Zarina und Daniel Wegmann im Frankental. Der Letzte seiner Art, der noch existiert, ist der Höngger Frischmarkt an der Kreuzung Michel- und Segantinistrasse. Ursprünglich als Filiale des damaligen Lebensmittelvereins Zürich (LVZ) eröffnet, wechselte das Geschäft über die letzten vier Jahrzehnte Besitzer um Besitzer. Seit genau fünf Jahren gehört es Mehmet Onur. Mit Öffnungszeiten an sechs Tagen die Woche von 7 bis 19 Uhr, einem Gratis-Heimlieferdienst und einem ansehnlichen Sortiment versucht er, den Bedürfnissen seiner Kunden gerecht zu werden. Onur ist Partner bei «Maxi», einem Franchising- Konzept der SPAR-Gruppe für Verkaufsflächen bis 300 Quadratmeter. Er bietet aber auch lokale Produkte wie Obst von den Marktfahrern Esther und Thomas Wegmann an. «Die Schweizer verlangen nach Qualität, auch wenn sie ihren Preis hat», sagt er, und so finden sich Freilandeier, Bio-Milch und selbst am Nachmittag noch frisches Brot aus dem Hause Buchmann in den Regalen. Einzig Frischfleisch ist nicht zu finden. Doch Onur kämpft: Zwar schätzen gerade ältere Kunden aus der Umgebung sein Angebot, doch viele andere kaufen nur ein, was sie anderswo vergessen haben, wie dem «Höngger» auch schon eingestanden wurde. Auch die Baustelle direkt vor der Haustüre drückt auf den Umsatz. Zwar hat sich Onur vorausschauend mit Getränken für die Bauarbeiter eingedeckt, ob diese aber auch gekauft werden, wird erst der Sommer zeigen.
Die Zukunft ist ungewiss
Bei einer kleinen, nicht repräsentativen Umfrage des «Hönggers» letzten Freitag unter Passanten war zu hören, das Angebot sei zu teuer oder man habe erst zu Hause entdeckt, dass die Ware nicht frisch gewesen sei. Doch Hand aufs Herz: Wie oft hat man schon im Mandarinennetz des Grossverteilers etwas Unappetitliches entdeckt und ist am nächsten Tag trotzdem wieder hingegangen ohne zu reklamieren? Und preislich hatten kleine Läden gegenüber der grossen Konkurrenz seit jeher schlechte Karten. Es ist wie mit den kleinen Lebensmittelläden in den abgelegenen Bergdörfern, in die derzeit viele in den Urlaub fahren: Wer sie beim Einkauf nicht berücksichtigt, darf sich nicht wundern, wenn sie nächstes Jahr nicht mehr da sind – und dann ist auch der lokalen Bevölkerung die Möglichkeit genommen, in nächster Umgebung einzukaufen.
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