«The Wiz» begeistert mit Witz, Tiefsinn und Können

Die Premiere von «The Wiz», dem neuesten Streich des Musicalprojekts Zürich 10, war ein riesiger Erfolg: Im voll besetzten grossen Saal des reformierten Kirchgemeindehauses fieberten die Zuschauer am letzten Freitagabend mit den Darstellern intensiv mit – man hat jetzt noch die Chance, das Musical zu erleben.

Vogelscheuche, Blechmann, Dorothy und der Löwe halten Ausschau – was wohl kommen mag?
Dorothy überrumpelt die böse Hexe Evillene.
«The Wiz» ist eine herrische, blitzeschleuderne Frau.
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«Ein Tornado braut sich über Höngg zusammen!» – mit dieser Aussage haben die Schauspielenden des Musicalprojekts Zürich 10 die Zuschauer bereits in der Tasche und dies lässt sie auch die nächsten zweieinhalb Stunden nicht los, denn ein Tornado in Höngg ist schliesslich nicht ein Tornado irgendwo. Tante Emma, die das Mädchen Dorothy ruft, wird nicht fündig: Dorothy wurde weggeweht. Ankommen tut sie in Oz, einem gar wunderlichen, farbigen Land. Als Erstes wird sie für die «Plattmachung» der «bösen Hexe aus dem Osten» gelobt: Dorothys Haus, welches ebenfalls im Tornado mitgewirbelt wurde, fiel direkt auf die Ost-Hexe. «Gratuliere, du häsch die bös Häx plattgmacht!», lässt die «gute Hexe Addaperle, the feel good girl», vernehmen.

«Hast Du ein Problem mit Secondhand-Kleidern?»

Addaperle erklärt Dorothy, die nur eines will, nämlich zurück nach Höngg: «Geh in die Smaragdstadt zum mächtigen Wiz. Er kann dir helfen. Und zieh die roten, magischen Schuhe der toten Hexe an – du hast doch kein Problem mit Secondhand-Kleidern, oder?» Zudem solle sie sich vor einem Mohnfeld in Acht nehmen «Der Mohn lässt dich hundert Jahre schlafen, grauenhaft, dann sind all Deine Kleider so was von aus der Mode!» Dorothy verdreht die Augen und murmelt: «Ich han nie dänkt, dass ich Höngg so wird vermisse!»

Tanzende, singende Wegweiser und eine bettelnde Vogelscheuche

Auf ihrem Weg zur Smaragdstadt weisen ihr akrobatische, verwirrende «Wegweiser» mit Backsteinhänden den Weg – oder eben nicht, wenn sie alle in verschiedene Richtungen zeigen. Als Dorothy des Weges kommt, erwacht die Vogelscheuche «Chräieschreck», der das Stroh überall aus ihrer löchrigen Armeeuniform und sogar den abgetragenen Stiefeln quillt, aus ihrer Lethargie und fragt sie zuerst einmal nach Geld – weil sie sich ein Hirn kaufen möchte, damit es «nöd nur Stroh da obe» hat. Zu zweit ziehen sie weiter und treffen auf einen Blechmann, der dringend geölt werden muss: «Ich bruuche Öl!» Krähenschreck meint darauf lapidar: «Die ganz Wält brucht Öl!» Dorothy findet ein Kännchen Öl und bringt den Blechmann so wieder zur Gesundung.

Witzige, tiefsinnige Dialoge

Die Dialoge sind witzig, tiefsinnig und hintergründig – Nicole Meier, welche das Drehbuch in Mundart umgeschrieben hat, ist ein grosses Kränzchen zu winden. Das wild zusammengewürfelte Trio – Dorothy ohne Heim, Krähenschreck ohne Hirn und Blechmann, dem das Herz fehlt – trifft auf den «King of Jungle», einen machohaften Löwen, der so von sich selbst überzeugt ist, dass sie ihn nur auslachen können. «Ich chan nüt defür, das ich so bin, ich bin es Einzelchind gsi!», meint dieser entschuldigend, denn eigentlich ist er ganz ängstlich, und der Mut fehlt ihm an allen Ecken und Enden.

Das Mohnfeld lockt . . .

Da der Löwe für jegliche Aufmerksamkeit empfänglich und ja eher eine riesige Schmusekatze ist, lässt er beim berüchtigten Mohnfeld seine neuen Freunde alleine weiterziehen: «Gönd nur, ich mache dänn s’Schlussliechtli!», sagt er schon halb schlafend und lässt sich von den Mohnblumen ins Traumland entführen. Endlich angekommen in der Smaragdstadt, der «Clean Green City», wie ein arroganter Torwächter sie anpreist, sind die vier Suchenden noch lange nicht am Ziel angelangt. Schliesslich treffen sie den berüchtigten Wiz. Er erfüllt ihre Wünsche nach Heimat, Herz, Hirn und Mut, wenn sie dafür die böseste Hexe von Oz, Evillene, töten würden. Wiz, zur Überraschung aller, ist eine Frau, selbstbewusst, herrisch, Blitze schleudernd. «Du hast die roten Schuhe der Hexe des Ostens an! Gib sie mir!», herrscht sie Dorothy an. «Nein, ich habe versprochen, sie nicht auszuziehen.» «Pha, Verspräche cha mer bräche!», poltert Wiz, doch die Schuhe bleiben an Dorothys Füssen, die zu Versprechen und deren Brechen eine andere Meinung hat. Krähenschreck wird mit Fragen gelöchert, die er nicht zur Zufriedenheit löst: «Ich bin nie guet gsi ide Multiple Choice Teschts!», verteidigt er sich. Zum Blechmann ohne Herz meint Wiz: «Ohni Herz empfindisch kei Schmerz, kei Leid und kei Truur! Wieso also wotsch dänn es Herz?»

Wirklichkeit sieht ganz anders aus

Ob die böse Hexe Evillene zur Strecke gebracht wird, verrät der «Höngger» nicht. Nur soviel: Es ist vieles ganz anders, als es zu sein scheint. Oder wie es Joachim Hoffmann, der Darsteller des Krähenschrecks nach der Standing Ovation in seiner Dankesrede sagte: «De Chräieschreck würd jetzt säge, ich han zwar nüt verstande, aber es isch schön gsi!» Und das war es auf jeden Fall. Das Musical wird von den jungen Frauen und Männern mit so viel Herzblut gespielt, gesungen und getanzt, dass es ein Muss ist, es zu erleben.

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