Stiftungsgründerin auf «Wolke sieben»

Die Höngger Solojodlerin Luise Beerli vermacht ihr ganzes Erbe der neu geschaffenen, wohltätigen «Luise Beerli Stiftung» und überträgt ihr ihre Liegenschaften bereits heute. Wie es dazu kam, erzählte sie dem «Höngger» exklusiv.

Stiftungsgründerin Luise Beerli anlässlich dem Sechseläuten 2017 in Höngg.

Luise Beerli wurde durch ihre Musik weit über die Landesgrenze hinaus bekannt. In Höngg, wo sie im Bauernhaus an der Gsteigstrasse 23 aufwuchs und heute an der Ferdinand-Hodler-Strasse lebt, kennt man sie unter anderem als «Traktor-Beerli» (siehe Infobox) und natürlich auch dank ihrer Lieder, insbesondere jenem, das sie «ihrem Dorf» schenkte: «In Höngg isch öppis los». Grosszügigkeit in vielen Bereichen kennzeichnet den Weg dieser bodenständigen Frau, die sich nun, mit 75 und selbst ohne Nachkommen, Gedanken machte, was aus ihrem Besitz dereinst werden soll. Dieser Besitz besteht vor allem aus Liegenschaften. Wie viele Bauern hatten auch Beerlis in Höngg Grundbesitz, und als man einiges davon für den Bau der ETH Hönggerberg verkaufen musste und das Bauern aufgab, bauten die Eltern Beerli damals auf dem ihnen verbliebenen Land Mietshäuser. Bei der Erbteilung 1980 erbte sie sechs dieser Häuser mit 57 Wohnungen an der Ferdinand-Hodler-Strasse. Und sie, die bis dahin von Gesang und der Autobranche, in der sie arbeitete, viel, jedoch von Liegenschaften nichts verstand, arbeitete sich in die Materie ein und sah schnell, dass einiges am Zustand der Häuser im Argen lag. «Ich musste zuerst einfach dort flicken, wo es am nötigsten war», erinnert sie sich an den schwierigen Start. «Die ersten zwei Jahre habe ich mehr geweint wegen diesen Häusern als etwas anderes – bis ich den richtigen Baumeister gefunden habe, mit dem ich alle Renovationen realisieren konnte». Wie eine Familie sei dies, bis heute. Und so kam es, dass die Liegenschaften heute praktisch zum Neuwert glänzen – dass die Wohnungen darin für Höngger Verhältnisse äusserst günstig vermietet werden, begründet Beerli fast schon lapidar mit «das Land war ja Familienbesitz, dessen Wert wir nicht auf die Mieten abwälzen mussten». So denkt sie eben, «s’Beerli», wie sie sich selbst nennt und man sie hier kennt. Entsprechend war ihr im Hinblick auf ihren Nachlass auch wichtig, «dass sich meine treuen Mieter keine Sorgen machen müssen, dass die Mietverhältnisse und -zinsen mit meinem Tod ändern», betont sie und fügt wie in Gedanken an, dass dies eben immer «Beerli-Gut» geblieben sei und sie einfach das Lebenswerk ihrer Eltern in deren Sinn und Geist erhalten habe. Und nun wollte sie Gewissheit, dass dieses «Beerli-Gut», im Andenken an ihre Eltern, an Menschen weitergegeben wird, die es nötig haben.

Ab heute gehört fast alles der Stiftung

Dass die Stiftung, welche die Liegenschaften nun endgültig der Spekulation entziehen, Realität wurde, ist auch ein Verdienst zweier anderen Höngger: Rechtsanwalt Bruno Dohner und Treuhänder Werner Flury. Beide hatte Beerli in anderen Zusammenhängen einst um Rat angefragt und nun standen sie ihr auch bei der Stiftungsgründung bei. Anders als einst testamentarisch festgehalten, entschloss sich Beerli auf Rat von Treuhandexperte Flury, die Stiftung bereits zu Lebzeiten zu realisieren. «Was das für ein Aufwand war, ist unglaublich», blickt sie auf die letzten Monate zurück, «Nun aber bin ich glücklich, dass die Stiftung genau so steht wie ich sie mir vorgestellt hatte – und ich kann erst noch als Präsidentin amten und die Entwicklung prägen». Am 9. Januar wurde die «Luise Beerli Stiftung» im Handelsregister eingetragen. Heute, dem 29. Juni, gehen alle Liegenschaften auch grundbuchamtlich in den Besitz der Stiftung über. Alle ausser zwei, die in Beerlis Besitz bleiben und erst nach ihrem Ableben zusammen mit den übrigen Vermögenswerten an die Stiftung übergehen. «Das wollte das Steueramt so, damit ich auch noch etwas zum Leben habe und nicht plötzlich der Staat für mich aufkommen muss, weil ich alles an eine Stiftung verschenkt habe», erklärt die Stifterin und kann sich dabei ein Schmunzeln kaum verkneifen.

Eine Stiftung für Betagte und Behinderte

Im Handelsregister ist der Stiftungszweck festgehalten mit: «Die Stiftung unterstützt vorwiegend in der Stadt Zürich domizilierte Institutionen, die sich für Betagte oder behinderte Menschen einsetzen». Folglich werden nicht Einzelpersonen direkt unterstützt, sondern nur Institutionen. Auf die Frage, warum sie gerade Betagte und Behinderte im Stiftungszweck nennt und nicht – was mit Blick auf Beerlis Biografie auch denkbar gewesen wäre – junge Musikerinnen und Musiker, Kulturschaffende oder Tierschutzorganisationen, kommt Beerli kurz ins Zögern, sagt dann aber: «Ich selber durfte bislang bei bester Gesundheit sein und all mein Besitz würde mir ohne diese Gesundheit nichts nützen. Anderen geht es nicht so gut und diese Menschen wollte ich beschenken. Zudem: betrachtet man die demografischen Daten, so wird die Zahl unterstützungsbedürftiger alter Menschen weiter zunehmen. Deshalb ist es wichtig, dass man Institutionen unterstützen kann, die dann Möglichkeiten schaffen, auch weniger Gutgestellten etwas zu bieten». Und abgesehen davon, so beendet sie das Thema und was sie sagt lässt sich leicht bestätigen, habe sie – und tue es auch weiterhin – Musiker und Kulturveranstaltungen immer grosszügig unterstützt. Betrachtet man die Anzahl Liegenschaften und Wohnungen, so ist das Stiftungskapital beachtlich. Mindestens zwei Drittel des jährlichen Nettoerlöses müssen gemäss Stiftungsurkunde dem Stiftungszweck zufliessen. Da kommt mehr als ein bloss stolzer Betrag zusammen. Über die Vergabungen entscheidet der Stiftungsrat, der sich aus der Präsidentin Luise Beerli und den beiden Mitgliedern Werner Flury und Bruno Dohner zusammensetzt. Ob die Gelder auf Einladung der Stiftung oder auf Antrag der Gesuchstellenden hin vergeben werden, ist noch offen: «Das werden wir an einer der nächsten Sitzungen besprechen».

«S’Beerli» auf Wolke sieben

Was ist das für ein Gefühl, wenn man seinen Nachlass so geregelt hat und alles in guten Händen weiss? «Ein gutes!», strahlt Beerli über das ganze Gesicht, «ich schwebe auf Wolke sieben.» Sie habe ihren Wunsch realisieren können, dank den guten Menschen, die nun mit ihr die Stiftung leiten. An ihrem bisherigen Leben ändert sich vorerst aber nichts, betont sie: Sie werde so lange wie möglich die Verwaltung weiter besorgen und auch den Garten, der immer tadellos aussieht. «S’Beerli bliibt s’Beerli», lacht sie im selben Moment, wie dem Schreibenden ebendieser Gedanke still durch den Kopf ging.

Mehr zu Luise Beerlis Leben und Wirken unter www.hoengger.ch, Archiv, Ausgabe vom 15. Oktober 2009.

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