Situationsgerecht handeln und dabei sich selbst bleiben

Liliane Forster ist Knigge-Trainerin und Professional Image Consultant. Die «HönggerIN» wollte von ihr wissen, warum zeitgemässe Umgangsformen heute so wichtig ist sind, und erfuhr, dass es im Grunde darum geht, Wertschätzung zu zeigen und zwischenmenschliche Situationen angenehm zu gestalten.

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Liliane Forster weiss, wie der Knigge heute gelebt wird.

Es geht nicht nur darum, dass der eigene Brötchenteller links vom Gedeck liegt und das Brötchen nur abgebrochen, aber nicht entzweigeschnitten wird, sondern um viel mehr. «Es ist doch wunderbar, wenn Anlass, Ambiente, Kleidung und Verhalten aufeinander abgestimmt sind. «Wenn ein Mann seiner Partnerin eine Freude bereiten möchte, ist es wichtig, dass er weiss, was ihr gefällt: Ist es der Besuch in einer lockeren Gartenbeiz, in welcher man das Poulet im Chörbli von Hand isst, oder der Besuch in einem gepflegten Restaurant, wo dasselbe Gericht mit Messer und Gabel verspeist wird?» Eigentlich logisch, dass sich der Schenkende Gedanken darüber machen sollte, was er Passendes schenkt – trotzdem gelingt dies nicht immer allen (wohlweislich nicht nur den Männern, auch den Frauen).

Früher stand die Sicherheit im Vordergrund

Auch dass der Mann ein Restaurant vor der Frau betritt, ist nicht in Stein gemeisselt: Eigentlich tut er es, um zu kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Stand dabei früher die Sicherheit der Dame im Vordergrund, prüft der Mann heute, ob die Tischreservation wunschgemäss erfolgt ist. Tritt aber die Frau als Gastgeberin auf, egal ob beim privaten Dinner oder beim Geschäftsessen, so betritt sie das Lokal als Erste. Ebenso ist es heute häufig der Fall, dass die Frau den Wein kostet, und der Sommelier einen Fauxpas begeht, wenn er automatisch dem Mann die Rolle des Weinkenners zuordnet.

Kleine Aufmerksamkeiten bedeuten Wertschätzung

«Das Beherrschen zeitgemässer Umgangsformen bedeutet: Durch das eigene Verhalten die Situation angenehmer gestalten», so Liliane Forster. Kleine Aufmerksamkeiten wie das Aufhalten von Türen aller Art – also auch Autotüren –, das Abnehmen des Mantels (und am Ende das korrekte Hineinhelfen) oder das Zurechtrücken des Stuhls, auf dem die Dame Platz nimmt, zeugen von Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Ob die Dame diese annehmen will, signalisiert sie durch Körperhaltung oder Eigeninitiative. «Klar kann man abweisend durch die Welt gehen und nur für sich schauen – aber man wird auf die Dauer immer einsamer werden, und das liegt ja eigentlich nicht in der menschlichen Natur.»
Es sind die kleinen, vermeintlich selbstverständlichen Dinge, die grosse Wirkung erzielen: ein angenehmer Händedruck, freundliches Begrüssen und Bekanntmachen, die Fähigkeit, sich an einem Event mit noch Unbekannten zu unterhalten, zu wissen, was mit der Serviette zu tun ist, Kauen mit geschlossenem Mund, dem Vis-à-vis Aufmerksamkeit schenken und nicht dem Handy, sich dem Anlass entsprechend kleiden und vieles mehr.

Gutes Benehmen gibt Sicherheit

Wer besucht Liliane Forsters Seminare mit Modulen wie etwa «Nähe und Distanz», «Tischkultur», «Savoir-vivre», «Smalltalk» oder «Auftrittskompetenz»? «Das ist ganz unterschiedlich. Von Menschen, die lernen möchten, wie man sich in verschiedenen gesellschaftlichen Situationen adäquat verhält, über jene, welche die nächste Karrierestufe erklimmen, oder Firmen, die ihre Mitarbeitenden anmelden, damit diese mehr Sicherheit, zum Beispiel im Umgang mit Kunden, erlangen und das Unternehmen kompetent vertreten.»
Nicht zu unterschätzen ist, dass das Beherrschen zeitgemässer Umgangsformen Sicherheit gibt: Wer weiss, wie er sich zu verhalten hat, der kann ungezwungen angemessen handeln und trotzdem sich selbst bleiben. Einleuchtend ist auch das Beispiel, welches Liliane Forster nennt: Stehen in einem Bewerbungsverfahren zwei gleich qualifizierte Personen zur Wahl, so wird diese bevorzugt, welche einen positiven Eindruck hinterlässt und neben der erforderlichen fachlichen Kompetenz auch gutes Benehmen zeigt.

Im richtigen Augenblick das Richtige tun hat Stil

Es gibt keine Altersgrenzen, um Kenntnisse aufzufrischen oder neue Umgangsformen dazuzulernen. Die jeweilige Lebenssituation bestimmt den Fokus. Kinder lernen spielerisch den Umgang mit Messer und Gabel, für Jugendliche und junge Erwachsene ist die Bewerbungssituation ein wichtiges Thema. «Entscheidend ist die Motivation, in diesem Bereich etwas für sich persönlich zu bewirken.» Der Leitsatz der Knigge-Kennerin sagt in wenigen Worten aus, was Stil für sie persönlich bedeutet: «Stil hat, wer im richtigen Augenblick das Richtige tut, ausgedrückt durch Kleidung, Handeln und Worte – und dabei sich selber bleibt.»

Knigge
Der Begriff Knigge wird heute meist als Synonym verwendet für Umgangsformen, Benehmen und Verhaltensregeln. Adolph Freiherr von Knigges Buch «Über den Umgang mit Menschen», erschienen 1788, enthält entgegen der allgemeinen Meinung keine konkreten Verhaltensregeln.
Liliane Forster, Inhaberin der Firma Text.Film.Stil, vermittelt zeitgemässe Umgangsformen an Interessierte jeden Alters und gibt Seminare für Firmen und Ausbildungsinstitutionen. Mehr Infos unter www.lilianeforster.ch.