Seilwahn fahren?

Na das ist ja wieder ein Steilpass, den mir da die Redaktion dieser Zeitung zur Begutachtung zugesandt hat. Pardon, ein Seilpass natürlich, schliesslich geht es im Artikel um eine Seilbahn.

Am 1. April 2016 – und leider ist das Datum nicht der einzige Witz – hatte der Zürcher Gemeinderat dem Eintrag einer Seilbahn von Altstetten nach ETH Hönggerberg in den regionalen Richtplan zugestimmt. Am 21. Juni 2017 – der Sommer war gerade geboren – verweigerte der Regierungsrat diesem Beschluss die Zustimmung. Es fehle ihm die planerische Grundlage, der Bedarfsnachweis und die Frage der Wirtschaftlichkeit sei auch unklar, befand er. Zwei eifrige FDP-Gemeinderäte reichten am 2. Juli – die Sommerhitze feierte ein Hoch – eiligst eine Motion ein, die vom Stadtrat verlangte, einen Projektierungskredit vorzulegen, um die Fragen des Regierungsrates beantworten zu können. Die Mehrheit des Gemeinderates legte sogar noch nach und erhob am 30. August – die Sommerhitze lag dröge über der Stadt – Beschwerde gegen den Regierungsratsbeschluss ein. Seither beschäftigt sich das arme Verwaltungsgericht damit.

Am 22. Dezember 2017 beantwortete der Stadtrat die FDP-Motion. Im Gemeinderat vorgetragen durch Stadtrat Andres Türler (FDP). Auf fast fünf Seiten führt er winterlich kühl und entsprechend vernünftig aus, warum eine solche Seilbahn absolut unmöglich ist und keinen Sinn macht. Wie er es geschafft hat, so nüchtern und mit trockenen Fakten der Seilwahnidee zu widersprechen, echt jetzt, dafür verdient er meine volle Bewunderung. Ich nämlich hätte die Damen und Herren Gemeinderäten frank und frei gefragt, ob sie eigentlich einen Sprung an der Gondel hätten? Einen so grossen, der ihnen die Sicht auf Höngg derart verzerrte, dass sie sich ganz leicht vorstellen konnten, wie hoch die Masten sein müssten – mein inneres Auge sieht einen gleich neben der Kirche – damit Hönggs Topografie überwunden werden könnte. Und durch den Riss sahen sie bestimmt auch, wie sich alle Menschen, deren Dächer die Gondeln künftig überfliegen würden, darum reissen, von den Balkonen aus den Fahrgästen zuzuwinken. Vor allem wenn oben in der ETH Vorlesungen sind, dann sind die Menschen immer so jung und hübsch: «Guck mal, Armin, wie wir damals vor 60 Jahren» – «Ne, kann nicht, hab noch Nackenstarre von gestern». Den Apotheker wird’s freuen.

Und an all jene im Gemeinderat, welche immer über ausufernde Verwaltungen und Kosten nörgeln, hätte ich da noch eine Zusatzfrage: Wie viele Amtsstunden wurden wohl bereits und werden weiter verbraten, um auf diese Seilwahnidee überhaupt einzugehen? Bitte zuerst denken, und dann Geschäfte und Beschwerden einreichen.
Der Stadtrat hat die Motion übrigens abgelehnt, war aber bereit, sie als Postulat entgegenzunehmen – was ihm erlaubt, sie weitere zwei Jahre in eine Schublade zu legen und dann hoffentlich abzuschreiben. Ach ja, einen letzten Witz hab’ ich noch: Einer der damaligen FDP-Motionäre war Michael Baumer, der unterdessen in den Stadtrat gewählt wurde. Sollte er das Departement seines abtretenden Parteikollegen Türler übernehmen, müsste er sich mit seinem eigenen Postulat beschäftigen. Ich wünsche ihm eine klarere Sicht auf Höngg, als er sie noch aus dem Gemeinderatsfenster hatte.

Es winkt aus der 360º-Panoramagondel
Frank Frei

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