Quartierleben
Schulen in Höngg, Teil 6: Riedhof-Pünten
Die Einweihung des Riedhof-Schulhauses wurde am 21. September 1963 festlich begangen. Der Architekt, ETH-Professor Alfred Roth, war eine international anerkannte Koryphäe auf dem Gebiet des Schulhausbaus. Heute bilden das Schulhaus Riedhof und das 1957 eröffnete Schulhaus Pünten eine organisatorische Einheit.
25. März 2015 — Redaktion Höngger
Die topografische Aufnahme des Kantons Zürich von Höngg und Umgebung aus dem Jahre 1851 zeigt im Massstab 1:25 000 für den Weiler Riedhof gerade mal vier Gebäude. Vom möglichen Erstbesiedler des Riedhofs, dem 1579 zum Hofmeier von Höngg gewählten Rudolf Appenzeller, existiert ein zeitgenössisches Bild, auf dem auch vier Mondgesichter abgebildet sind. Der gute Mann berichtete nämlich am 14. Juni 1581, er habe in der Nacht zuvor, etwa um ein Uhr, gleichzeitig vier Vollmonde am Himmel gesehen und sich über «eine söllichte Heiteri verwundret». Man hielt ihn zwar für «ein wahrhaffter Man, der auch nüt vertrunken»! Ob aber Fata Morgana, spirituelle Erleuchtung oder Vollrausch – der reale Hintergrund dieser Geschichte blieb im Dunkeln. Nach dem Brand des Riedhofs 1888 entdeckte man in einem Haus die Jahreszahl 1560. Sofern diese Zahl den ersten Hausbau im Riedhof markiert, wird der Ort seit 455 Jahren bewohnt.
Pavillonstruktur bald zu eng
Die meisten Häuser zwischen Wieslergasse und Giblen wurden ab Ende der 50er- bis Mitte der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts errichtet. Die stark steigende Bewohnerzahl und der daraus resultierende Kinderboom führten zum Bau der Schulhäuser Imbisbühl, Pünten und Riedhof. Das in den Hang westlich des Wildenwegs eingebettete Riedhof-Schulhaus verteilt auf zwei räumlich getrennte, gleich grosse Trakte zwölf Klassenzimmer. Neun davon werden heute noch als Klassenzimmer genutzt; dazu gesellen sich Räume für Musik, Handarbeit, Werken und die Bibliothek. Die Schulanlage wird durch einen Doppelkindergarten oberhalb sowie durch eine Turnhalle auf der untersten Höhenlage ergänzt. Aktuell besuchen 375 Schüler die Schule Riedhof-Pünten, die zwölf Primarklassen, fünf Kindergartenklassen, drei Tageshorte und einen Mittagshort umfasst. Für das nächste Schuljahr ist ein weiterer Hort geplant, denn die Nachfrage nach dieser familienergänzenden Betreuungsform ist gross. Das Riedhof-Schulhaus wurde wegen seiner Pavillonstruktur Anschauungsobjekt für Architekturstudenten aus der ganzen Welt.
Zwei Personen, 120-Prozent-Schulleitung
Ursula Sâadi und Claudio Bernasconi bilden gemeinsam die Leitung der Schule Riedhof-Pünten. Sie sprechen dem über 50 Jahre alten Architekturkonzept eine erhebliche Bedeutung für den Schulalltag aus. Positiv hervorgehoben wird die Raumstruktur, die mit vielen Nischen gezielt Gruppenunterricht ermöglichen und eine Abkehr vom Frontalunterricht befördern will. Nachteilig auf die Anpassung an neue schulische Bedürfnisse wirken sich die strengen baugeschichtlichen Vorschriften aus. Wegen Platzmangels ist vorgesehen, ab 2016 auf dem Areal Unterrichtspavillons aufzustellen. Ähnlich wie im Vogtsrain ist auch im Riedhof Treppensteigen Alltag. Das Schulhaus ist aber, da es über keinen Lift verfügt, nicht rollstuhlgängig.
Ursula Sâadi amtete bereits von 2002 bis 2011, zusammen mit dem mittlerweile pensionierten Marcel Ruppen, als Ko-Schulleiterin. Heute setzt sie rund 20 Stellenprozente für die Schulleitung ein und erteilt zudem Unterricht. Claudio Bernasconi kam 2012 ins Riedhof-Schulhaus und ist zu 100 Prozent als Schulleiter angestellt. Er hat kein festes Unterrichtspensum, sondern springt bei Bedarf auf allen Stufen ein. Zu seiner eigenen Überraschung hätten es ihm seine Einsätze im Kindergarten besonders angetan. Bei den Kleinen könne man nicht «spetten», das heisst Kinder auf andere Klassen verteilen, wenn die Lehrkraft ausfällt. Da müsse jemand hinstehen und übernehmen.
Keine «Timeout-Struktur» nötig
In der Schule Riedhof-Pünten hat eine flache Hierarchie Tradition. Lehrkräfte und Betreuungspersonen stehen sich im Alltag nahe. Der Umgang untereinander ist von Respekt und Offenheit geprägt. Auch ihm sei, so Claudio Bernasconi, als neuer Schulleiter ein Vertrauensvorschuss entgegengebracht worden, der einen guten Einstieg ermöglicht habe. Mit «Blauäugigkeit» dürfe ein solches Teamklima nicht verwechselt werden. Soziale Nähe bedeute hinschauen, wenn nötig kritisch nachfragen, Anteil nehmen, Verbesserungspotenzial suchen, Ziele vereinbaren und überprüfen. Respekt und Selbstbehauptung sind denn auch Schwerpunktthemen für das Schuljahr 2014/15. Eine Projektwoche mit klassenübergreifenden Angeboten wird dafür eingesetzt.
Für Ursula Sâadi hat sich der Lehrerberuf in den letzten drei Jahrzehnten so entwickelt, dass man von einer neuen Profession sprechen müsse. Solistentum ist nicht mehr gefragt. Der stark individualisierte Unterricht werde in der Regel mit der Teamkollegin oder Fachlehrkräften gemeinsam vorbereitet und gestaltet. Jeder einzelne Schüler bringt ihm eigene Begabungen, eine andere Lernbereitschaft und einen individuellen Hintergrund mit. Dieser Heterogenität gerecht zu werden, sei die grosse Herausforderung der heutigen Schule. Eine mehrheitlich an ihren Kindern interessierte und kooperative Elternschaft unterstütze die Ziele der Schule, halten Sâadi und Bernasconi fest. Es gebe wenig disziplinarische Probleme, weshalb man auch keine besondere «Timeout-Struktur» aufgebaut habe.
Ein Morgen im Kindergarten
Zu Besuch bei der Kindergartenklasse von Rahel Ramsauer: 21 Räupli und Schmetterlinge sitzen um halb neun im Kreis. Mit einem Lied, das sie gekonnt am Klavier begleitet, sammelt die Lehrerin ihre Klasse für den Tag. Danach erklärt sie ihnen die Anwesenheit des Berichterstatters. Kaum haben die Kinder etwas von Zeitungsbericht gehört, melden sich die Forschesten unter ihnen für ein Foto. Nun geht es in Zweierreihen geordnet in die Turnhalle hinunter. Der zurzeit als Klassenassistent im Riedhof eingesetzte Zivildienstler, Jürg Läderach, hat bereits fünf Bewegungsposten aufgebaut. Es setzt ein munteres Treiben ein. Die Kinder klettern, springen, balancieren, versuchen Purzelbäume oder schwingen an Seilen durch die Luft. Gelegentlich klinkt sich ein Kind aus oder sucht Trost bei einer Lehrperson. Die meisten Kinder bewegen sich geschickt, keines fällt in seiner Motorik deutlich auf oder ab. Die Entwicklungsunterschiede unter den Kindern seien vor allem im Bereich sozialer Kompetenzen gross, erklärt auf dem Rückweg die Lehrerin. Es sei nicht einfach, allen stets gerecht zu werden. Aber sie liebe die Kinder und ihre Arbeit. Das ist aus Sicht des Schreibenden zentrale Voraussetzung für ein gutes Klassenklima und für gelingende Lernprozesse.
Quellen:
– «Das Neue Schulhaus» von Alfred Roth, Girsberger Zürich, 1961
– «Ortsgeschichte Höngg» von Georg Sibler, herausgegeben von der Ortsgeschichtlichen Kommission des Verschönerungsvereins Höngg, erhältlich im Ortsmuseum Höngg, Vogtsrain 2.
– «1934–2009: Vom Dorf Höngg zum Quartier Zürich-Höngg», von François und Yves Baer, herausgegeben vom Quartierverein Höngg
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