Stadt
Schule Am Wasser soll Pilot-Tagesschule werden
Bis ins Jahr 2025 will die Stadt Zürich alle Schulen als Tagesschulen führen. Alle Kinder würden über Mittag in der Schule bleiben und verpflegt. In Höngg nimmt die Schule Am Wasser ab dem Schuljahr 2016/2017 als eine von sieben städtischen Schulen an einem Pilotprojekt teil – sofern der Gemeinderat die benötigten finanziellen Mittel genehmigt.
10. September 2014 — Fredy Haffner
Die Zeiten, als es normal war, dass Kinder die Mittagszeit zuhause am Familientisch verbrachten, sind längst vorbei. Fast die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler der Stadt Zürich vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe nehmen heute einen Betreuungsplatz in Anspruch. Gegenüber 2007 hat sich die Zahl verdoppelt und die Tendenz ist weiterhin steigend. Bis 2025, so die Prognosen, werden 70 Prozent aller Kinder einen Betreuungsplatz beanspruchen. Seit das neue Volksschulgesetz im Juni 2005 an der Urne angenommen wurde, sind die Gemeinden verpflichtet, bedarfsgerechte Betreuungsangebote einzurichten. Wer also einen Platz will, hat darauf gesetzlichen Anspruch. In der Schule Am Wasser machen bereits heute überdurchschnittliche 78 Prozent aller Kinder respektive deren Eltern davon Gebrauch. Die Schule leistet damit bereits heute unbestritten einen wichtigen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Doch das heutige System stösst an seine Grenzen, betrieblich und auch finanziell. Die Infrastruktur muss ausgebaut oder die bestehende neu und mehrfach genutzt werden und der Personalbestand muss laufend angehoben werden. Die Stadt Zürich hat deshalb die Vision «Tagesschule 2025» erarbeitet, um Erkenntnisse für eine allfällige flächendeckende Einführung von Tagesschulen zu gewinnen.
Man verspricht sich viel
In der Weisung, die gemäss Stadtrat Lauber voraussichtlich diesen Herbst dem Gemeinderat vorgelegt werden soll, beantragt der Stadtrat einen Objektkredit von 19,1 Millionen Franken, um in den Jahren 2015 bis 2018 an sieben städtischen Schulen die «Tagesschule 2025» zu testen. Dies als erste Phase einer Entwicklung hin zu einer stadtweiten Einführung. «Mit der ‹Tagesschule 2025› bietet die Stadt Zürich ein familienfreundliches Schulmodell, das sowohl den Eltern als auch den Kindern entgegenkommt», betonte Lauber anlässlich der Medienkonferenz. Längerfristig sollen damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert, die Chancengerechtigkeit der Schülerinnen und Schüler erhöht und − wenn das Modell eines Tages flächendeckend umgesetzt werden könnte − jährlich 30 bis 40 Millionen Franken eingespart werden.
An der Medienkonferenz wurde betont, wie sehr alle von der Tagesschule profitieren werden: Die Kinder von einem ruhigeren und klarer strukturierten Tagesablauf, Eltern von mehr Flexibilität und zugleich von erhöhter Verbindlichkeit bei der Planung beruflicher Tätigkeiten. Und nicht zuletzt soll auch das Lehr- und Betreuungspersonal von konstanteren Kindergruppen, neuen pädagogischen Möglichkeiten und einer engeren Zusammenarbeit im Team profitieren.
Was wird neu?
Sieben Schulen mit zwischen 132 und 355 Schülern, von denen zwischen 31 und 78 Prozent bereits heute über Mittag im Schulhaus bleiben, sind am Pilotversuch beteiligt.
An den Pilotschulen bleiben die Schülerinnen und Schüler an den Tagen mit Nachmittagsunterricht über Mittag in der Schule und werden von Fachpersonen betreut. Die Mittagspause wird von heute 110 auf 80 Minuten reduziert und für sechs Franken, von den Eltern zu tragen, erhalten die Kinder eine warme Mahlzeit. Ergänzend besteht weiterhin das heutige Betreuungsangebot zu den bestehenden Tarifen, das bei Bedarf eine Betreuung von 7 bis 18 Uhr anbietet.
Wichtig zu wissen: Möchten Eltern, deren Kinder eine der Pilotschulen besuchen, ihre Kinder weiterhin über Mittag zuhause betreuen, so können sie ihre Kinder voraussetzungslos abmelden, denn der städtische Versuch ist nicht obligatorisch.
Wie sehen die Stundenpläne aus?
Für Kinder im ersten Kindergartenjahr ändert sich nichts: Sie haben jeden Nachmittag frei. Ab dem zweiten Kindergartenjahr und bis zur dritten Klasse endet die Schule am Nachmittag, sofern Unterricht auf dem Stundenplan steht, um 15 Uhr, für Mittel- und Oberstufe um 16 Uhr. Durch den früheren Schulschluss am Nachmittag würden zusätzliche Freizeitaktivitäten ermöglicht, wird als positiver Nebeneffekt betont. Dazu heisst es auf der Homepage des Schul- und Sportdepartements noch wenig konkret: «Die Schulen kooperieren verstärkt mit Anbietern von Freizeitaktivitäten wie Gemeinschaftszentren, Musikschulen, Sportvereinen und weiteren, bei denen nach Unterrichtsschluss Freizeitaktivitäten für die Kinder und Jugendlichen stattfinden.» Und in der Weisung des Stadtrates: «Die Schulen erhalten entsprechende Mittel, um diese Aufgabe wahrnehmen zu können.»
Rückhalt im Gemeinderat absehbar
Im Zürcher Gemeinderat, der am 4. April 2012 je eine SP- und eine FDP-Motion überwiesen hatte, die beide einen Umbau des Schulsystems zur Tagesschule anstreben, wird der Objektkredit von 19,1 Millionen Franken für das Pilotprojekt wohl eine sichere Mehrheit finden. Zumal dieser Betrag relativ ist, denn auch ohne das Pilotprojekt würden die Betreuungskosten in den sieben Schulen um zirka 6,4 Millionen ansteigen und der Ausbau des Angebots wird sich um geschätzte 2,1 Millionen Franken positiv auswirken.
In einer zweiten Phase will der Stadtrat bei der kantonalen Bildungsdirektion einen Schulversuch anregen, um ein obligatorisches Modell erproben zu können. Den Versuch kann der Regierungsrat selbst bewilligen, eine definitive Einführung würde jedoch eine Änderung des Volksschulgesetzes bedingen – womit absehbar ist, dass das Stimmvolk das letzte Wort haben wird. Allerdings rechnet man bei der Stadt damit, dass sich bis dann die Frage nach einem Obligatorium nicht mehr in derselben Schärfe stellt wie heute, da bis dann die Mehrheit der Kinder, so die Prognosen, bereits eine Mittagsbetreuung beanspruchen wird.
Weitere Informationen: www.stadt-zuerich.ch/tagesschule2025
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