Schüüch wien es Reh

So bezeichnen wir schüchterne Menschen. Diese exponieren sich nie, fallen kaum auf, flüchten stets in den Hintergrund und «verstecken» sich meisterhaft. Im Hönggerwald hingegen, wo wenige Meter vom Wegrand entfernt Rehe stehen, stellt sich die Frage: Kennen unsere Rehe diese Redensart denn nicht?

Dieses Reh wittert Gefahr. Es warnt seine Artgenossen, indem es beginnt, die weissen Haare am Hinterteil abzuspreizen, damit der Spiegel gut sichtbar wird.

Im Hönggerwald wird gejoggt, Velo gefahren, geritten, gewandert, mit Hunden spaziert. Und trotzdem äsen Rehe neben den vielbenutzten Wegen, so als hätten sie ihre Scheu verloren. Doch wer stehen bleibt, um sie genauer zu beobachten, merkt bald, dass dem überhaupt nicht so ist. Langsam aber stetig entfernen sie sich hin zum dichten Unterholz und verschwinden darin. Als typische «Schlüpfer», mit gedrungenem Rumpf, schlanken Beinen, die vorderen kürzer als die hinteren, sind sie darauf spezialisiert, ins Dickicht zu schlüpfen. Da die Zehenspitzengänger mit ihren Hufen – im Gegensatz zu uns «Sohlengängern» – eine sehr kleine Auflagefläche haben, hören wir auch kaum je das Knacken eines Astes. Im Dickicht blitzt nur noch ab und zu der «Spiegel» auf, eine weissliche Fellpartie am Hinterteil. An der Spiegelform können Wildfachleute männliche von weiblichen Rehen unterscheiden. Laien erkennen Rehböcke nur wegen deren Geweihe. Doch diese sind bereits abgeworfen und die neuen wachsen erst im Laufe des Winters nach. Die meisten Rehgeissen sind jetzt trächtig, aber das sehen wir ihnen noch nicht an. Würde die 24 Wochen dauernde Embryonalentwicklung nach der Paarung im Juli/August ablaufen, kämen die Kitze mitten im Winter zur Welt. Doch in der kalten Jahreszeit herrscht Nahrungsmangel und die Rehgeissen könnten zu wenig Milch produzieren. Deshalb «verzögern» sie ihre Schwangerschaft. Zwar teilen sich die befruchteten Eizellen nach der Paarung ein paar Mal, fallen dann aber in eine «Keimruhe» und bleiben frei im Uterus. Erst mit der Einnistung gegen Januar erfolgt die weitere Embryonalentwicklung. Darum setzen Rehgeissen ihre Jungen von Mai bis Juni, wenn qualitativ und quantitativ wieder genügend Nahrung vorhanden ist.
Die Stadt Zürich ist ein Wildschongebiet. Der Hönggerwald wird von Wildhüter Erwin Nüesch betreut und hat eine reiche Wildtierfauna. Tragen auch Sie das Ihre dazu bei und stören Sie die Rehe nicht. Halten Sie sich an die Leinenpflicht, selbst dann, wenn Sie davon überzeugt sind, dass genau Ihr Hund nie jagen würde. Seien Sie für andere ein Vorbild und denken Sie daran, dass auch Ihr Hund für Capreolus capreolus ein Canis lupus, nämlich ein Wolf, ist.

0 Kommentare


Themen entdecken