Schiesslärm, ein Dauerthema

Auch wenn «Lärm» ein individuell zu definierender Begriff ist, es gibt gesetzliche Vorschriften und Grenzwerte. Auch für Schiessplätze. Doch wie werden die gemessen? Und erfüllt der Schiessplatz Hönggerberg die Vorschriften oder besteht Sanierungsbedarf?

300-Meter-Schützen auf dem Hönggerberg legen auf die 300-Meter-Distanz an. Im Vordergrund, grün, die 18 Scheiben der 50-Meter-Distanz mit den neu installierten elektronischen Trefferanzeigen.
Ein Jungschütze bereitet sein Gewehr auf der 50-Meter-Anlage zum Training vor.
Wie viele Schützen werden sich künftig der Gewehrkontrolle auf dem Schiessplatz Hönggerberg, dessen Sicherheitsvorkehrungen umfangreich sind, unterziehen, wenn andere Schiessplätze in Zürich vielleicht geschlossen werden?
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Die Lärmvorschriften auf Schiessanlagen sind, wie alles, das Lärmimmissionen verursacht, bundesrechtlich geregelt. Für den Vollzug zuständig sind die Kantone. Die Stadt Zürich und die privaten Schiessstandbetreiber sind an die Vorgaben gebunden.
Die gültige Lärmschutzverordnung des Bundes stammt aus dem Jahr 1986 und wurde bis 2016 laufend ergänzt. Detailliert und formelreich ist dort aufgeführt, was an Belastungsgrenzwerten bestimmt wurde, unterteilt in Planungswerte, Immissionsgrenzwerte und Alarmwerte. Eine Wissenschaft für sich – und im Zweifelsfall bestimmt Arbeit für Juristen.
Gemessen im herkömmlichen Sinn, also mit entsprechenden Geräten vor Ort, wird Schiesslärm in der Regel nicht. Es wird nur flächendeckend berechnet. Das hochkomplexe Programm dazu heisst «sonArms» und wurde von der EMPA mitentwickelt. Bei der Berechnung fliessen zahlreiche Faktoren mit ein. Gemäss der gültigen Lärmschutzverordnung wird der Emissionspegel für jede Waffenkategorie getrennt ermittelt und hängt von der Anzahl Schüsse pro Jahr und den Betriebszeiten ab. Auch die Tage werden unterschieden: Schiessanlässe an Sonntagen werden beispielsweise verglichen mit solchen an Werktagen mit dem Faktor drei gezählt. Ebenfalls berücksichtigt werden in den Berechnungen Wind- und Temperaturschichtungen sowie Hinderniswirkung von Gelände und Gebäuden, selbst Reflexionen an Gebäuden und Waldrändern werden mitberechnet. Gerade in Höngg sind einige dieser Faktoren von zentraler Bedeutung (siehe Artikel auf Seite XY), wie auch die Fachstelle Lärmschutz der Baudirektion des Kantons Zürich auf Anfrage des «Hönggers» bestätigt: «In den 1990er-Jahren wurden an einzelnen Punkten Schiesslärmmessungen durchgeführt. Dabei wurde tatsächlich eine grosse Abhängigkeit der Immissionspegel von der meteorologischen Situation festgestellt, insbesondere von den Windverhältnissen».

Überschrittene Grenzwerte

Im Jahr 2014 wurde dann mit «sonArms» ein detailliertes Lärmgutachten für die Schiessanlage Höngg erstellt. Dabei hat sich gezeigt, dass der Schiessbetrieb der Jahre 2012 bis 2014 bei 14 Liegenschaften zu Grenzwertüberschreitungen geführt hatte. In der Betriebszeit 2014 bis 2016 wurden die Immissionsgrenzwerte noch bei 13 Liegenschaften überschritten. Im erstellten Gutachten wurden daraufhin bauliche und betriebliche Lärmschutzmassnahmen geprüft und vorgeschlagen, doch offene Fragen bezüglich der zukünftigen Schiessplatzstrategie der Stadt Zürich hätten zu einer Verzögerung des Entscheids und der Umsetzung der Massnahmen geführt, so die Fachstelle Lärmschutz. Zu Verzögerungen führt dies auch in der Nähe des Schiessplatzes: Baugenossenschaft für neuzeitliches Wohnen, die für ihre Siedlung am Engadinerweg einen Ersatzneubau plant (siehe «Höngger» vom 30. März 2017), hat einen Planungsstopp verfügt. Nicht nur, aber auch wegen der unklaren Situation auf dem Hönggerberg, wie Genossenschaftspräsident Markus Steiner sagt: «Wir wollen zwecks Planungssicherheit einen rechtsverbindlichen Beschluss zum Umgang mit dem Schiessplatz, der in direkter Nachbarschaft zu unserer Siedlung ist, abwarten».

Man prüft, wartet ab und zweifelt

Roland Spitzbarth, Präsident der Schiessplatzgenossenschaft Höngg, sagt, dass man selbstverständlich weitere Lärmschutzmassnahmen prüfe: «Das kantonale Amt für Lärmschutz schlägt uns Schiesstunnels vor. Die Kosten haben wir noch nicht erhoben, doch wir können auch keine weiteren Investitionen tätigen, solange die Schiessplatzstrategie des Stadtrates noch aussteht». Um als «lärmtechnisch saniert» zu gelten, braucht die Schiessanlage die Schiesstunnels. Spitzbarth ist persönlich jedoch nicht Fan dieser Technik: «Ich schaue lieber in die schöne Landschaft als durch einen dunklen Tunnel. Andere Schützen hingegen schätzen zum Zielen gerade diese Dunkelheit. Doch hauptsächlich kritisiere ich an den Tunnels das Gesundheitsrisiko: In ihnen sammeln sich Bleirückstände an, die bei jedem Schuss entstehen und von jedem neu aufgewirbelt werden – man atmet sie direkt ein». Zudem gebe es Schützen, die kniend oder stehend schiessen, zum Beispiel für den Dreistellungsmatch, gibt er zu bedenken: «Also braucht man entweder höhenverstellbare Tunnels oder einfach grosse. Beides ist eine Kostenfrage – und woher wir das Geld für diese Sanierung nehmen sollen, ist generell noch offen».
Doch mit Schiesstunnels würde so oder so nur der Mündungsknall gedämpft. Viel lauter ist der Überschallknall, den die Geschosse verursachen. Dieser ist nur durch Schallschutzwände oder zum Beispiel durch die Verlängerung des hinter dem Fussballfeld bereits bestehenden Walls etwas zu mildern. «So einen Hügel prüfen wir», so Spitzbarth, «doch es ist kompliziert zu berechnen, wie hoch so ein Wall sein müsste, damit er etwas bewirkt». Das Amt für Lärmschutz gibt aufgrund von Berechnungen mit «sonArms» zu bedenken, dass «zusätzliche Hindernisse wie die Verlängerung des Lärmschutzwalles den Lärm nicht wesentlich verringern würden». Abgesehen von der geringen Wirksamkeit ist auch fraglich, ob solche Erdaufschüttungen, geschweige denn Lärmschutzwände auf der Allmend Höngg überhaupt erlaubt wären.
Dann gebe es theoretisch noch die Möglichkeit, Unterschallmunition zu verwenden, wie Spitzbarth erklärt: «Bei solcher Munition entsteht kein Überschallknall, man hört die Kugeln nicht mehr, weshalb sie auch gerne von Geheimdiensten verwendet werden. Aber jeder einzelne Schuss würde für den Schützen um ein Mehrfaches teurer als die heute überall verwendete Armeemunition». Spitzbarth schätzt, einen Preis von zwei bis drei Franken, anstatt die 60 Rappen pro Schuss mit der Armeemunition. Und er wisse auch nicht, ob es überhaupt für die im Schweizer Schiesssport üblichen Kaliber und Gewehre zugelassene Unterschallmunition gebe. Man habe sich schon viel überlegt, gerade weil man sich der Diskussion um den Schiesslärm bewusst sei. Auch Schalldämpfer auf den Gewehren habe man ernsthaft in Erwägung gezogen, doch zugunsten der Präzision darauf verzichtet, und in der Schweiz seien sie für Privatpersonen sowieso verboten.

Warten auf die Schiessplatzstrategie der Stadt Zürich

Egal welche Massnahmen man treffen wird, einen Einfluss darauf, wie der Schiesslärm der 300-Meter-Anlage wahrgenommen wird, hat auch die Anzahl der schiessenden Vereine. Würde die Stadt tatsächlich einen oder zwei ihrer eigenen Schiessplätze spätestens 2020 schliessen, würden gewisse Vereine nach Höngg ausweichen. Das sieht auch die Schiessplatz-Genossenschaft Höngg so, bestätigt Spitzbarth: «Mit den bestehenden Strukturen und innerhalb der bestehenden Schiesszeiten könnten wir sicher noch einen Verein mehr aufnehmen». Er sei auch schon mit potentiellen Zuzügern im Gespräch gewesen, doch Schützen seien sehr lokalverbunden und liessen sich nicht gerne entwurzeln: «Man ist vielleicht bereits seit man Jungschütze war einem Schiessstand verbunden, den verlässt man nicht gerne. Die letzten, die zu uns stiessen, waren die Feldschützen Zürichberg, die durch den Bau der Masoalahalle ihre Heimat verloren». In den Gesprächen, sagt Spitzbarth nebenbei, habe ihm ein Vereinspräsident gesagt, dass noch Jahre vergehen, bis sein Stand – wenn überhaupt – geschlossen werde. Und es gäbe ja auch vor allem noch das Albisgüetli – ergo würde dieser Verein wohl eher dorthin ziehen. «Ein anderer Verein findet die Zufahrtsmöglichkeit nach Höngg ungünstig, überlegt es sich aber», schliesst Spitzbarth, und: «Im Moment warten alle Vereine notgedrungen die künftige Schiessplatzstrategie der Stadt ab». Und mit ihnen wartet Höngg.

Zürcher Kantonalschützenfest 2018
Das 26. Zürcher Kantonalschützenfest findet an drei Wochenenden nacheinander vom Freitag, 15. Juni, bis Sonntag, 1. Juli 2018 im Limmattal statt. Der Schiessplatz Hönggerberg ist einer der fünf Austragungsorte, er erwartet täglich rund 350 Schützen und Schützinnen.
Die Schiesszeiten auf dem Hönggerberg:
Freitag, 15. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 19 Uhr
Samstag, 16. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 19 Uhr
Sonntag, 17. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 17 Uhr
Montag, 18. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 19 Uhr
Freitag, 22. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 19 Uhr
Samstag, 23. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 19 Uhr
Sonntag, 24. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 17 Uhr
Montag, 25. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 19 Uhr
Freitag, 29. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 19 Uhr
Samstag, 30. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 19 Uhr
Sonntag, 1. Juli, 8 bis 12 und 14 bis 17 Uhr
Die Schiessplatz-Genossenschaft Hönggerberg bittet um Verständnis.
Weitere Informationen unter www.zhksf2018.ch

Der Martin Cup wurde auf das Wochenende vom Freitag 6. bis Sonntag, 8. Juli 2018 verschoben.

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