Quartierleben
Rekordbeteiligung am Neuzuzügeranlass
Einmal im Jahr organisiert der Quartierverein eine Führung mit anschliessendem Umtrunk für die Neuzuzüger Hönggs. Rund 120 Personen folgten der Einladung, darunter auch Wiederholungstäter.
27. September 2016 — Redaktion Höngger
Marcel Knörr, Architekt und Altgemeinderatspräsident, leitete in einem Abendspaziergang durch den Dorfkern und entführte die erfreulich durchmischte Gruppe für einen kurzen Moment lang in die Zeiten vor und während der Reformation. Man erfuhr, dass die reformierte Kirche in Höngg eine der ältesten der Gegend sei, dass «Schulbildung für alle» ─ damals aber nur für Buben ─ eine Errungenschaft der Reformation gewesen sei und die Jugendlichen auch zu jener Zeit nur Flausen im Kopf hatten: «Als in der Wettinger Trotte, dem lindgrünen Haus neben der Kirche, 1835 ein Schulzimmer eingerichtet wurde, das eine Klasse von zwanzig Schülern beherbergen sollte, brachten die 17 Oberengstringer Buben die Bänke aus ihrer alten Schule mit – diese mussten allerdings erst repariert werden», erzählt Knörr mit einem Schmunzeln. Schon 1520 soll sich der damals amtierende Pfarrer Simon Stumpf für das Zölibat eingesetzt haben. Als es 1523 in Höngg zum Bildersturm kam, verschwand das Bild «Jesus am Ölberg». Ob der Ausdruck «Höngg am Ölberg» auf dieses Bild zurückzuführen ist, ist nicht belegt.
Man kann sich auf viele Arten einbringen
Nach einigen Erzählungen zum «Waser Haus» und der ehemaligen «Temparenzler-Beiz» im heutigen Generationen-Haus Sonnegg, wandert die Gruppe zum Meierhofplatz, wo Fredy Haffner vom «Höngger» die Besucher begrüsst und herzlich dazu einlädt, mit allfälligen Anliegen ins neue Informationszentrum zu kommen, wo man sich auch über die Vereine des Quartiers informieren kann. Schliesslich geht es zum heimelig beleuchteten Ortsmuseum, dass in einem Rebbauernhaus eingemietet ist, dessen ältester Teile aus dem Jahr 1506 stammt. «Es lohnt sich am Abstimmungssonntag hier zum Brunch zu kommen – es hat nicht viele Leute, dafür umso mehr zu essen», wirbt Beat Frei, Präsident des Vereins Ortsmuseum Höngg, mit einem Augenzwinkern für einen der verschiedenen Anlässe im Haus. Ausserdem gäbe es immer etwas zu tun, wenn man sich engagieren wolle. Wer es etwas weniger anstrengend möge, könne sich als passives Mitglied oder Gönner beteiligen, das sei sogar jederzeit möglich, schliesst er seine sympathische Rede.
Neue Ideen für Höngg
Tobias, Vera und Veronika sind mit der kleinen Mathilda zum Rundgang gekommen, aber «mit Kindern hat man ein etwas anderes Tempo, und die Interessen liegen manchmal in etwas unterschiedlichen Gebieten. Die historischen Anekdoten waren spannend, aber vielleicht könnte man ja auch einen Rundgang mit Schwerpunkten für Familien anbieten», überlegen die jungen Eltern. Alle drei fühlen sich in Höngg schon sehr wohl. Einziger Wehrmutstropfen sei der fehlende «Heurigen», finden die beiden Frauen, die ursprünglich aus Österreich stammen: Ein Garten, der sowohl einen Spielplatz für die Kinder, als auch eine Möglichkeit, etwas zu trinken und zu essen biete, vielleicht ähnlich wie beim GZ Wipkingen.
Vereine legen sich ins Zeug
Rund 1600 Einladungen habe man an die Neuzuzüger versandt, erzählt Karin Keller, die den Anlass bereits seit acht Jahren mit tatkräftiger Unterstützung von Tiziana Werlen und Paul Keller organisiert. Anschliessend an den Rundgang lud Paul Zweifel im Fasskeller des Zweifel Vinariums zu einem Apéro ein. Hier stellten sich wie jedes Jahr die Vereine des Quartiers vor und zeigten sich den potentiellen Mitgliedern von ihrer besten Seite. Auswahl gab es wahrlich viel: Vom Männer- oder Frauenchor, über das Forum – bei dem es sich entgegen der Vermutung nicht um eine kirchliche Institution handelt, sondern um den Kulturveranstalter unter dem Patronat des Quartiervereins – bis hin zur Höngger Sektion der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG). Seit dreissig Jahren engagiert sich Alexandra Kömeter bei der SLRG. In Höngg geboren und aufgewachsen, lernte sie ihren Mann, Martin Kömeter, im Verein kennen, nun sind sie seit acht Jahren glücklich verheiratet. Der Verein als Amors Helfer ─ vielleicht lockt man mit diesem Argument neue Anhänger an?
Ein Ort für die Jugend
An einem Stehtisch kredenzt eine Gruppe junger Männer in Begleitung einer jungen Dame ein Glas Weisswein. Sie studieren an der ETH und an der Uni und leben als Wohngemeinschaft im Haus eines ihrer Grossväter. Auf die Frage, was sie sich in Höngg noch wünschten, kommt die Antwort unisono: «Ein Pub, wo man auch nach Mitternacht noch ein Bier trinken gehen und Leute treffen kann». Als Wohnort gefalle es ihnen hier sehr, besser als direkt auf dem Campus der ETH zu wohnen, «da hat man zu wenig Distanz zum Studium», meint die junge Frau. Auch Shanti, seit vier Monaten im Quartier, ist der Ansicht, dass man die jüngere Bevölkerung besser abholen könnte, mit entsprechenden Beizen oder Treffpunkten. Die Gässchen in Höngg erinnern sie an das Niederdorf und die Altstadt, so etwas gäbe es in anderen Quartieren gar nicht. «Man könnte sich diese Schönheit zu Nutzen machen, es müsste ja nicht gleich so touristisch werden wie im Zentrum», schlägt sie vor.
Man fühlt sich wohl in Höngg
Etwas weiter weg steht ein adrett gekleideter Herr, der schon auf dem Rundgang durch seine geheimnisvolle Aura auffiel. Er sei der neue «Örgelimann» von Höngg, stellt er sich vor. Erst vor Kurzem habe er eine Wohnung im Quartier gefunden, gleich in der Nähe seiner Schwester, die er pflegt. Er sei überglücklich mit dieser Lösung und hat nur lobende Worte für Höngg. Um einen Tisch herum sind zwei Frauen und ein Herr mit Hut in ein Gespräch vertieft. Eine der Damen lebt schon seit zwei Jahren hier und liebäugelt seit einiger Zeit mit einem Beitritt bei einem der Vereine. Die anderen zwei sind noch recht neu hier, schätzen aber die Lage Hönggs ─ nah an der Stadt und doch im Grünen. Doch, sie könnten sich schon einmal vorstellen, sich in einem Verein zu engagieren. Aber erst einmal einleben. Und wer weiss, vielleicht wird die eine oder andere Idee eines Neuzuzügers bis zum nächsten Jahr sogar Realität.
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