Rabenvögel stellen eigene Werkzeuge her

Am Freitag, 8. November, fand im GZ Höngg/Rütihof am Standort Schüür ein interessanter Vortrag über Rabenvögel statt. Wildhüter This Schenkel erklärte Wissenswertes über die schwarzen Flugkünstler, von denen es viele Unterarten gibt.

Eine Rabenkrähe. Diese Vögel sind sehr intelligent und überraschen immer wieder.
Wildhüter This Schenkel mit seiner Rauhaardackelhündin Dyra.
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Das Thema sprach so viele Besucher an, dass gar zusätzliche Stühle in den grossen Raum der Schüür geschafft werden mussten. Kein Wunder, hat doch jeder eine Meinung über Rabenvögel, speziell über die häufigen Rabenkrähen. This Schenkel war nicht allein gekommen: Brav zu seinen Füssen lag Rauhaardackeldame Dyra, welche geduldig wartete, bis die spannende Stunde vorüber war. Der Vortrag mit dem Titel «Intelligente Flugkünstler oder schwarze Teufel?» sollte das Verhalten und das Wesen der Vögel näher bringen. Weltweit gibt es rund 120 Arten von Rabenvögeln – keine Tiergruppe hat sich so stark ausgedehnt. Ironischerweise gehören die Rabenvögel zu den Singvögeln, obwohl sie nicht singen, sondern krächzen. «Ihre Rufe sind wesentlich, nicht ihr Gesang. Sie sind aber sehr gute ‹Spötter›, das heisst, sie imitieren andere Vogelstimmen», so This Schenkel. Der Kolkrabe, die grösste Art der Rabenvögel, habe 20 eigene und 60 gespottete Rufe in seinem Repertoire. Im Gegensatz zu den Rufen signalisiert der Gesang bei allen Vögeln klar ihr Revier: «Da bini dihei, da ghört niemmer anders ane», so die Erklärung des Wildhüters.

Rabenkrähen erreichen ein Alter von rund 20 Jahren

Rabenkrähen, welche man am häufigsten antrifft, werden auch Aaskrähen genannt, da sie nebst Schnecken, Jungvögeln, Eiern, Insekten und Kleinsäugern wie etwa Waldmäusen auch Aas fressen. Die 50 Zentimeter langen und etwa 500 Gramm schweren Vögel leben bis zu 20 Jahren – ein Alter, das oft erreicht wird – und bleiben das ganze Leben als Brutpaar zusammen. Das heisse aber nicht, dass sie sich deshalb auch treu seien: «Links und rechts und überall vergnügen sich die Rabenkrähen.» Im Tessin ähnlich verbreitet seien die Nebelkrähen, welche ein hellgrauschwarzes Gefieder haben. Die Saatkrähe hat einen bläulichen Schimmer auf ihrem schwarzen Gefieder und ist ausschliesslich in Kolonien anzutreffen. Da ihr Schnabelgrund, also der hinterste Teil des Schnabels, nackt ist, sieht er weisslich aus.

So verspielt, dass sie auf dem Rücken segeln

Kolkraben, die Riesen unter den Rabenvögeln, sind 65 Zentimeter gross und etwa 1,5 Kilogramm schwer. Sie können sogar Rehkitze und Hasen erbeuten und werden bis zu 30 Jahre alt. «Die englischen Tower-Raben, welche gehätschelt und gefüttert werden, erreichen sogar ein Alter von bis zu 44 Jahren», so der Wildhüter, dessen Spezialgebiet die Vögel sind. Kolkraben können auf dem Rücken fliegen beziehungsweise durch die Luft segeln. «Dies tun sie aus reinem Spass – alle Rabenvögel sind sehr verspielt und haben es gerne lustig.» Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Kolkraben fast ausgerottet, da sie durch ihr Beuteverhalten den Jägern ein Dorn im Auge gewesen waren. Seit einigen Jahrzehnten sind sie nun geschützt, kommen aber in Zürich immer noch selten vor. «Die Vögel in der Luft zu unterscheiden ist schwierig. Rabenkrähen erkennt man an ihrem gerade endenden Schwanz und den Rufen Kräh- Kräh-Kräh. Kolkraben haben einen spitz zulaufenden Schwanz und rufen Kra-Kra-Kra.» Ein Tonband zeigte dies klar auf, und in Zukunft werden die Besucher des Vortrags wohl noch mehr auf ein «Kräh» oder «Kra» achten. Die Elster gehört ebenfalls zu den Rabenvögeln. Sie ist etwa 50 cm lang und 250 Gramm schwer. Eine ihrer Spezialitäten ist das Vertilgen von Wespen: Geschickt entfernen Elstern mit dem Schnabel den Giftapparat und zerdrücken die Wespe genüsslich. Spinnen und Insekten gehören auf ihren Speiseplan und in die Speisekammer, die sie für maximal zehn Tage in ihrem Lebensraum anlegen. Sie lieben Glitzerndes und können sich selbst im Spiegel erkennen.

Dohlen sind geschützt

Die Dohlen mit ihren hellblauen Augen, einer Länge von etwa 33 Zentimetern und einem Gewicht von 250 Gramm sind geschützt. Ihre Ansiedlung wird von der Stadt Zürich unterstützt, indem in Kirchen Nistmöglichkeiten angeboten werden. «Leider überlebt von den akrobatischen Flugkünstlern selten ein Jungvogel. Die Elterntiere suchen für ihren Nachwuchs Spinnen und Insekten, welche nicht selten vergiftet sind, weil in der Stadt Zürich die Hausfassaden immer so sauber sein sollen.» Der Wildhüter spricht damit auf Fassaden an, an welchen sich oft Spinnen und Insekten befinden, welche Nahrung für viele Vögel wären – wenn sie nicht entfernt und dann vergiftet am Boden liegen gelassen würden.

Eichelhäher sind die Polizisten und Gärtner des Waldes

Die etwa 170 Gramm schweren und 35 Zentimeter langen Eichelhäher mit den auffälligen, hellblauen Federn sind ebenfalls gute «Spötter» und mit ihrem lauten «Rätschen» nicht zu überhören. Sie gelten als die «Polizisten des Waldes», weil sie Gefahr laut melden. In ihrem Kehlsack können sie bis zu zwölf Eicheln lagern, die sie einzeln verstecken. Pro Jahr verstecken Eichelhäher bis zu 3000 Eicheln – dies sind etwa 15 Kilogramm! Da die Vögel nicht alle brauchen, wachsen an einige Stellen neue Eichen, weshalb der Eichelhäher auch «der Gärtner des Waldes» genannt wird.

Gutes Image, heilig bei den Indianern

Im zweiten Teil des Vortrages ging es um die Geschichte der Rabenvögel. Göttervater Odin hatte zwei Raben namens Hugin und Munin, welche für ihn in die Welt hinausflogen und ihm berichteten, was sie sahen. Bei den Indianern sind Rabenvögel heilig. Der heilige Meinrad aus Einsiedeln, welcher um 861 nach Christus lebte, hatte ebenfalls zwei Raben. Als er von Dieben ermordet wurde, folgten seine treuen Raben lautstark den Mördern und so wussten die Leute in der Stadt gleich, wen es zu hängen galt – und seither hat das Einsiedler Wappen zwei Raben. «Im Vergleich Körpergewicht/ Hirn haben die Rabenvögel das schwerste Gehirn – sogar schwerer als das des Menschen. Die Vögel nutzen zudem nicht nur Werkzeuge, sondern stellen sie auch selbst her – das zeigt, dass sie vorausdenken!» This Schenkel zeigte verschiedene Videos, in denen man sah, wie die Vögel zum Beispiel einen Draht so bogen, dass er einen Haken erhielt. Mit diesem Haken konnten sie nun aus einem Rohr Maden herausangeln. Die Rabenvögel sind so gescheit, dass sie sogar Menschen und Autos erkennen. Sie verteidigen ihr Brutrevier, welches auf dem Land 15 bis 40 Hektaren und in der Stadt wenige Hektaren gross ist, das ganze Jahr. «Einzigartig ist auch, dass bei Paaren manchmal noch ein zweites Männchen dabei ist, welches bei der Revierverteidigung hilft – sein ganzes Leben lang.» Der Grund dafür ist, dass vielleicht irgendwann einmal das «aktuelle » Männchen stirbt und das zweite Männchen dann sofort dessen Platz einnehmen kann. «Da wird gekrampft wie verrückt, und das ohne jegliche Garantie.»

Langeweile animiert zum «Seich machen»

70 Prozent der Jungvögel sterben im ersten Jahr – 1,1 Junge pro Jahr und Paar genügen für die Arterhaltung der Rabenvögel. Wenn man Schwärme mit Rabenkrähen sieht, so sind das selbständige Jungvögel, welche weder einen Partner noch ein eigenes Revier haben. «Diese 50 bis 200 Jungkrähen sind mit etwa zwei Monaten von ihren Eltern verstossen worden und haben nun nur zwei Sachen im Kopf: Futter suchen und fremde Reviere bestürmen – das ist alles. Und was macht man, wenn man zu wenig zu tun hat? Es ist wie bei uns Menschen: Man macht ‹Seich›!» Nach dem allgemeinen Gelächter im Saal erklärte der Wildhüter, dass solche Nichtbrüterschwärme Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen verursachen – etwa das Aufpicken von eingeschweissten Strohballen, was diese schimmeln lässt, oder das systematische Auszupfen von frisch gesätem Mais. «Die Schäden für die betroffenen Bauern können enorm sein. Ab und zu schiessen wir deshalb einzelne Krähen. Der Schwarm weiss dann, dass Aufpassen angesagt ist, und für eine Zeit lang ist dann wieder Ruhe.» Wer ein Krähenpaar bei sich in der Nähe habe, solle dieses nicht vertreiben: Das Paar – oder das Trio – hält die Nichtbrüterschwärme fern. Zum Schluss rief This Schenkel die Besucher auf, mehr «Unordnung» walten zu lassen: «Räumen Sie Ihren Garten erst nach dem Winter ab. Lassen Sie die ‹vertrockneten Besen› stehen. Die verblühten Samenstände sind Nahrung für verschiedene Vögel, und wer nur schon ein Blumenkistchen mit einer vogelfreundlichen Mischung bepflanzt, tut etwas für die Vögel.» Gäbe es bei jeder gartenlosen Wohnung ein solches Kistchen, wäre die Stadt Zürich ein Eldorado für Vögel, so der Wildhüter. Der anhaltende Applaus zeigte ihm, dass der Vortrag auf offene Ohren gestossen war. Bleibt zu hoffen, dass man in Zukunft mehr «vertrocknete Besen» und vogelfreundlich bepflanzte Kistchen und Gärten trifft.

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