Prinzessinnen und Piraten werden gross

Am Mittwoch, 6. April, lud der Elternrat der Schule Rütihof interessierte Eltern zu einem Referat über Geschlechterrollen ein. Rund 50 Mütter und Väter folgten der Einladung und erhielten einen Einblick in die Genderthematik.

Warum sind Jungs und Mädchen so, wie sie sind, worin unterscheidet sich ihr Verhalten und welchen Einfluss haben Eltern und Gesellschaft auf die Geschlechterrollen? Diesen und anderen Fragen sollte an dem vom Elternrat organisierten Themenabend im Schulhaus Rütihof nachgegangen werden. Sozusagen als Fortsetzung zum letztjährigen Referat von Lu Decourtins zum Thema «Bubenstärken – Buben stärken» setzte sich nun Gastreferentin Marianne Aepli von der Fachstelle JUMPPS (Jungen- und Mädchenpädagogik und Projekte für Schulen) mit dem Thema auseinander.

Biologisches und soziales Geschlecht

Zunächst erläuterte sie ihren Zuhörerinnen und Zuhörern den begrifflichen Unterschied zwischen biologischem und sozialem Geschlecht. Während «sex» das biologische Geschlecht bezeichnet, nach dem die meisten Menschen eindeutig entweder als Frau oder als Mann bezeichnet werden können, ist «gender» die Bezeichnung des «soziokulturellen» Geschlechts, also der Geschlechterrolle, die Gesellschaft und Umgebung vorgeben. Das Geschlecht eines Menschen, so Aepli, entsteht so also aus einem Zusammenspiel biologischer und soziokultureller Faktoren. Dabei drängt sich natürlich die Frage auf, inwieweit Unterschiede zwischen den Geschlechtern sozusagen «natürlich» sind und wie viel davon rein durch Sozialisation entsteht.

Genderspezifische Erziehung

Wie Aepli in ihren Ausführungen anschaulich darlegte, unterscheidet sich die geschlechtsspezifische Sozialisation von Jungen und Mädchen in der Gesellschaft auch heutzutage noch sehr stark – das lässt sich unschwer nur schon an den Spielwarenkatalogen zur Weihnachtszeit erkennen. Ganz eindeutig sind dort die Spielwaren in Mädchen- und Bubenartikel unterteilt. Auch in der Familie und im engsten Umfeld wird die unterschiedliche Sozialisation weitergegeben, selbst wenn sich die Eltern bemühen, ihre Söhne und Töchter nicht in Rollenbilder zu zwängen und möglichst gleich zu behandeln. So werden etwa Mädchen Untersuchungen zufolge sehr viel häufiger für ihr Aussehen und ihre Kleidung gelobt als Jungen, die demgegenüber eher für ihre Taten Lob erhalten. Anderen Studien zufolge sind die Erziehungserwartungen, die Eltern an ihre Kinder haben, ebenfalls deutlich geschlechterdifferenziert: Während von Mädchen an erster Stelle Zärtlichkeit erwartet wird, steht bei Jungs das selbstständige Denken zuoberst auf der Prioritätenliste.

Mehr Tabus für Jungs

Problematisch ist diese Sozialisation nicht nur für Mädchen und Frauen hinsichtlich der Gleichberechtigung im Berufsleben, sondern auch für die Jungen. Während Mädchen mittlerweile beispielsweise in Bezug auf Mode sowohl «Mädchen-» als auch «Jungenbekleidung» tragen können, ohne dass dies sozial auffällig wäre, haben Jungs diese Wahl nicht. Rosarote T-Shirts etwa sind für Jungs spätestens ab dem Kindergartenalter ein soziales Tabu. Ein Verhalten, das nicht den gängigen Rollenvorstellungen entspricht, erscheint für Jungen viel schwieriger als für Mädchen, weil die Grenzen dessen, was «männlich» ist, viel enger gesteckt sind. Auch in Bezug auf Rollenvorbilder sind Jungen eindeutig im Nachteil: In den ersten Lebensjahren bis zum Ende der Primarschulzeit sind männliche Vorbilder in der Minderheit – sowohl in der Erziehungsarbeit in der Familie als auch in Kinderkrippe, Kindergarten und Primarschule sind Frauen weitaus präsenter als Männer. Die Suche nach geeigneten Vorbildern, an denen sie sich orientieren können, ist für die Jungs daher ungleich schwieriger als für die Mädchen.

Geschlechtergerechte Erziehung in Familie und Schule

Was bedeutet dies nun konkret für eine gleichberechtigte Erziehung von Buben und Mädchen in Schulen und zu Hause? Wie lässt sich die Zementierung von Klischees und beengenden Rollenbildern vermeiden? Angesichts all der Erkenntnisse, die sich aus dem Referat Aeplis ergeben, erscheint es nicht einfach, seine Kinder «genderkompetent» zu erziehen. Aepli verwies zum Ende ihres Referats auf Bilderbücher und Literatur, die Eltern helfen sollen, ihre Kinder jenseits gängiger Klischees zu einem selbstbestimmten Leben zu erziehen. Auch Beispiele aus den Medien, die positive Beispiele für einen selbstbewussten Umgang mit Gender darstellen, könnten, so Aepli, als Rollenvorbilder für Kinder dienen. In der abschliessenden Gruppendiskussion nutzten die Eltern nicht nur die Gelegenheit, sich über eigene Erfahrungen und Probleme auszutauschen, sondern auch, um sich zu überlegen, wie man den Problemen am besten begegnen könnte.  

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