Quartierleben
Parkinson schon im jungen Alter
Beatrice Ulrich war erst Anfang 50, als bei ihr Parkinson diagnostiziert wurde. Nach dem anfänglichen Schock hat die Hönggerin gelernt, sich von der Krankheit nicht unterkriegen zu lassen und setzt sich für Aufklärung ein.
17. Mai 2022 — Dagmar Schräder
Beatrice Ulrich war gerade mal 53 Jahre alt und stand mitten im Berufsleben, als sich ihr Leben schlagartig veränderte. Plötzlich begann ihr linkes Bein zu zittern – ein anhaltendes Zittern, das sich nicht mehr abstellen liess. Ulrich suchte ihren Hausarzt auf, doch auch der konnte ihr nicht weiterhelfen und überwies sie zu weiteren neurologischen Abklärungen. Es dauerte rund ein dreiviertel Jahr, bis sie die Diagnose hatte: Parkinson. «Das war für mich ein ziemlicher Schock», erzählt Ulrich dem Höngger in einem Gespräch.
Die Muskeln spielen verrückt
Parkinson ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, welche durch das Absterben derjenigen Nervenzellen, die für die Produktion von Dopamin zuständig sind, hervorgerufen wird. Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter, der die Steuerung der Muskulatur reguliert. Ein Mangel daran führt zu muskulären Problemen. Wie diese Probleme genau aussehen, ist bei allen Betroffenen anders. Bekanntestes Symptom ist das Zittern, es gibt jedoch eine Fülle weiterer und weniger offensichtlicher Auswirkungen der Erkrankung – wie Störungen des Gleichgewichtssinns, Verdauungsprobleme, Beeinträchtigungen von Mimik und Feinmotorik. Auch Schmerzen und psychische Probleme sind häufig. Heilbar ist die Krankheit bis heute nicht, der Verlauf ist schleichend, die Symptome verstärken sich mit der Zeit. Eine direkte Auswirkung auf die Lebenserwartung hat Parkinson in den meisten Fällen glücklicherweise jedoch nicht.
Ursache Pestizide?
Die Ursache ist bisher nicht endgültig geklärt. Neben einer möglichen, aber eher seltenen genetischen Variante wird eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen Faktoren diskutiert. Insbesondere stehen bestimmte Chemikalien und Pestizide als Verursacher in Verdacht. «Die Krankheit wird in Frankreich und Kanada sogar als Berufskrankheit von Landwirten bezeichnet», erklärt Ulrich. Weltweit steigt die Zahl der Patient*innen kontinuierlich an – und das durchaus nicht nur bei der älteren Generation. So wird im Buch «Schluss mit Parkinson» von Ray Dorsey die Zahl der Patient*innen weltweit im Jahr 2015 auf 6,3 Millionen geschätzt. Für das Jahr 2040 geht man bereits von 12,9 Millionen aus. Rund 10 Prozent der Betroffenen sind bei Diagnosestellung unter 40 Jahre alt.
Ungewisse Entwicklung
Bei Ulrich äussert sich die Krankheit neben dem Zittern im Bein vor allem in Gleichgewichtsstörungen und einer ungewöhnlich leisen Stimme. Die offensichtlichen Symptome wie das Zittern lassen sich mit Medikamenten heutzutage gut einstellen und auch Schmerzen hat Ulrich kaum. Dennoch ist ihr Leben durch die versteckten Symptome stark beeinträchtigt.
So musste sie ihren Vollzeitjob als Bildungsverantwortliche in der Pflege unterdessen aufgeben. Mittlerweile arbeitet sie zu 30 Prozent als Stabmitarbeiterin Betreuung und Pflege in einer Alterseinrichtung. «Ich bin längst nicht mehr so stressresistent wie früher», erklärt sie, «und auch in punkto Konzentrationsfähigkeit kann ich keinen achtstündigen Arbeitstag mehr bewältigen».
Die Erkrankung als Chance nutzen
Doch das heisst keineswegs, dass sie die Hände in den Schoss legt. Ganz im Gegenteil: Ulrich hat beschlossen, sich von ihrem Schicksal nicht unterkriegen zu lassen. «Ich habe grundsätzlich eine positive Einstellung zum Leben», sagt sie. Das Glas sei für sie stets halbvoll und nicht halbleer. Direkt nach der Diagnose habe ihr eine Gesprächstherapie sehr geholfen, den Schock zu verarbeiten. Und schon bald machte sie sich aktiv auf die Suche nach Austausch mit anderen Betroffenen.
Fündig wurde sie bei Parkinson Schweiz und insbesondere bei der Gruppe «move for young parkinson, move4ypd». Hier treffen sich die jüngeren der Betroffenen. Ausser Therapieangeboten, Trainings und Aktivitäten wie Paragliding-Ausflügen, Höhlenexpeditionen oder Wanderungen hat es sich die Gruppe zum Ziel gemacht, über die Krankheit und ihre Auswirkungen zu informieren: «Ich möchte mich dafür einsetzen, dass die Krankheit und die damit verbundenen Probleme in der Gesellschaft besser bekannt werden. Das würde auch das Verständnis für uns Betroffene erhöhen. Es gibt nämlich viel mehr Betroffene, als man so denkt – den meisten sieht man dies auf den ersten Blick gar nicht an.» Andererseits möchte sie mit ihrem Engagement aber auch andere dazu animieren, sich einer der Selbsthilfegruppen anzuschliessen: «Hier findet man nicht nur Austausch und Gespräche, sondern nebenbei auch ganz viel Spass und Vergnügen», erklärt sie.
Aktiv für die Betroffenen
Um das Problem publik zu machen, führt der Verein gemeinsam mit Gruppen aus Österreich und Deutschland nun von April bis Juni die «Aktion Aktivzeit» durch. Denn Bewegung, das haben Studien ergeben, hat einen positiven Effekt auf den Verlauf der Krankheit. Jede*r, ob alt oder jung, ist eingeladen, Bewegungsminuten zu sammeln. Jegliche Zeit, die pro Tag aktiv sportlich verbracht wird, kann auf der Website registriert werden. Ursprünglich war das Ziel, zwischen dem 11. April, dem offiziellen Welt-Parkinson-Tag, und dem 11. Juni 500 000 Bewegungsminuten zu sammeln. Doch die Resonanz war so gross, dass das Ziel bereits zweimal nach oben angepasst werden «musste». Gesammelt werden nun 2,2 Millionen Minuten – eine Minute für jede*n Parkinson-Patient*in in Europa und den USA.
2 Kommentare
Kramer Alice
23. Mai 2022 — 19:33 Uhr
Ich finde es super wie Du das machst. Mach weiter so! Das gibt vielen wieder Mut. Lieber Gruss
Georges
24. Mai 2022 — 13:58 Uhr
Danke für diesen Artikel; es sind Menschen wie Bea die anderen Mut machen. Allen Grund stolz auf sich zu sein, den längst nicht alle haben diesen Mut. Danke