Ordnung schaffen

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute über die Befreiung.

Dagmar Schräder bringt ihre Gedanken aufs Papier. (Foto: dad)

Ich habe das vergangene Wochenende mit Aufräumen verbracht. Das ist nicht wirklich eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, das können mein Haushalt und die mit mir Lebenden bestätigen. Aber auf Wunsch meiner Kinder (!) haben wir gemeinsam ein «Deep-Clean-Wochenende» veranstaltet. Alles auf den Kopf gestellt, vom WC bis zum Schuhschrank, ausgeräumt, sortiert, weggeworfen, arrangiert.

Ausserordentlich anstrengend fand ich diese Putzsession und ich war mehr als einmal versucht, den Putzlappen in die Ecke zu werfen und mich lieber dem Fussballspiel auf dem Bildschirm zu widmen. Aber meine Mitbewohner*innen haben durchgehalten, da durfte ich als Erziehungsberechtigte natürlich nicht einfach schlapp machen.

Also weiter aufgeräumt, unter ihren strengen Blicken, damit ich genug von den Dingen entsorge, die ich zwar in den letzten zwei Jahren nie in die Hand genommen habe, von denen ich aber dennoch bisher immer der Meinung war, sie unbedingt zu benötigen. Nicht lange zögern, weg damit! Unglaublich viel Müll ist dabei angefallen, der nun weggeworfen, verschenkt und einer neuen Nutzung zugeführt werden muss.

Und was soll ich sagen: Der Effekt ist enorm! Noch ist nicht alles ent- und versorgt, aber das Gefühl, die nun vergleichsweise leeren Räume zu betreten, ist unglaublich gut. Die Schränke quellen nicht mehr über, das Tageslicht kann wieder ungehindert in die gute Stube dringen, es hallt sogar leicht. Der Wahnsinn! Ich fühle mich tatsächlich viel leichter und freier. Und das nur, weil ich mich von Dingen getrennt habe.

Ist doch verrückt. Wir verbringen einen Grossteil unseres Lebens damit, Sachen anzuhäufen, einzukaufen, zu konsumieren. Wir wollen besitzen, immer mehr und mehr. Aber der Besitz hat eine Kehrseite: Er verpflichtet uns.

Denn die Dinge wollen nicht nur aufgeräumt und abgestaubt, sondern auch gepflegt und gewartet werden. Und die teuren müssen wir sogar schützen – mit Versicherungen und was weiss ich.

Und dann: räumen wir auf, schmeissen weg und der Ballast fällt endlich von uns ab. Und wir haben plötzlich wieder Luft, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Denn was brauchen wir denn eigentlich wirklich zu unserem Glück? Nix von alledem. Gar nix. Ausser ein paar netten Menschen und ein bisschen wertvoller Lebenszeit. Und das gibt’s gratis.

Ja, ich weiss, ich bin nicht die erste Person auf der Welt, die sich das überlegt. Aber das Aufräumen hat mich nachdenklich gestimmt. Denn ich dachte von mir immer, ich sei gar kein Konsumtyp. Und dann hat’s mich eiskalt erwischt. Man stelle sich mal vor, was passieren würde, wenn wir alle damit aufhören würden, unnötige Dinge anzuhäufen. Wie viel Unordnung sich dann von alleine auflösen würde. Nicht nur in den Haushalten, sondern auch global. Wäre eigentlich gar nicht so schwierig.

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