Stadt
Ohne ein Wunder bleibt der Halbstundentakt bis 2030
Am Dienstagabend, 20. Januar, gab Stadtrat Andres Türler, begleitet von Vertretern der SBB, des ZVV und der VBZ, öffentlich Antworten auf die Petition für einen Viertelstundentakt am Bahnhof Wipkingen. Die Stadt setzt sich dafür ein, doch eine Lösung liegt in weiter Ferne.
27. Januar 2015 — Fredy Haffner
Am 9. Juli 2014 war FDP-Stadtrat Andres Türler, dem Vorsteher der industriellen Betriebe, die Petition für einen Viertelstundentakt am Bahnhof Wipkingen überreicht worden, denn seit die Durchmesserlinie eröffnet wurde, wird Wipkingen nur noch halbstündlich von der S24 bedient. Die Petition, von über 6000 Personen unterzeichnet, verlangte auf den nächsten Fahrplanwechsel hin wieder eine Bedienung im Viertelstundentakt. Türler betonte letzten Dienstag im spärlich besetzten grossen Saal im reformierten Kirchgemeindehaus Wipkingen erneut, dass eigentlich der Kanton respektive der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) und die SBB die richtigen Adressaten gewesen wären, auch wenn das Anliegen bei ihm, wie er sagte, «eine offene Türe einrannte», da der Stadtrat doch für alle Quartierbahnhöfe eine viertelstündliche Anbindung ans S-Bahn-Netz möchte.
Türler moderierte persönlich durch den Abend, von dem sich die Anwesenden erhofften zu erfahren, wann der Bahnhof Wipkingen wieder im Viertelstundentakt bedient wird – oder wenigstens, warum dies eben nicht möglich sein sollte. Einleitend warf er einen kurzen Blick zurück auf die späten Neunzigerjahre, als die SBB das Projekt «Fil Rouge» präsentierten, welches den Ausbau des Aussersihler Viadukts um bis zwei Gleise vorsah, um die Kapazität der Linie Zürich HB – Oerlikon auszubauen. Im Quartier Wipkingen, Türler war damals Co-Präsident des Quartiervereins Wipkingen, regte sich Widerstand, der auch in angrenzenden Quartieren breit getragen wurde und schliesslich in einer Volksabstimmung den SBB eine Abfuhr erteilte – was letztlich den Weg zum Bau der Durchmesserlinie ebnete. «Wer hätte damals gedacht», resümierte Türler nun, «dass nun mit dieser für alle guten Lösung ausgerechnet Wipkingen den Viertelstundentakt verliert.» Dann übergab er das Wort an die Experten von VBZ, ZVV und SBB.
Die VBZ kommen mit einer neuen Buslinie
Die VBZ prüften die von den Petitionären gewünschten Übergangslösungen: Eine Direktbuslinie von Wipkingen nach Oerlikon oder die Verlängerung der Linie 46 bis Bahnhofplatz, um dort das Umsteigen zu erleichtern, sollten Verbesserungen bringen. Beides, so zeigte sich, ist zum Beispiel aus verkehrstechnischen Gründen nicht machbar und auch die möglichen Fahrzeitverkürzungen stehen in keinem Verhältnis zu den entstehenden Kosten, wie der Gebietsmanager der VBZ, Claudio Büchel, plausibel ausführte. Gegen die Geschwindigkeit der S-Bahn habe die VBZ einfach keine Chance, hielt er fest.
Die gute Nachricht, welche die VBZ hier erstmals öffentlich machten: Kommenden Dezember werden die Buslinien 71 und 95 zur neuen Linie Bus 96 zusammengeschlossen. Diese verkehrt dann vom Milchbuck über die Rosengartenstrasse, Bahnhof Hardbrücke, Albisriederplatz, Hubertus weiter bis zum Bahnhof Altstetten und zurück. So ist Wipkingen wenigsten etwas besser, an der Hardbrücke und in Altstetten, an das S-Bahn-Netz angebunden.
Auch der ZVV plant in die Ferne
Christian Vogt, Verkehrsplaner des Zürcher Verkehrsverbunds (ZVV) holte einleitend weiträumig aus über die Entwicklungen, welche der ZVV derzeit plant. Diese sind eng verknüpft mit der Vorlage zur Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI), welche das Stimmvolk am 9. Februar letzten Jahres gutgeheissen hatte. Damit konnte auch er für mögliche Verbesserungen nur einen fernen Horizont im Jahr 2030 bieten. Die Pläne des Projekts «S-Bahn 2G», wie der nächste Ausbauschritt der Zürcher S-Bahn genannt wird, der unter anderem alle Zürcher Quartierbahnhöfe im Viertelstundentakt bedienen möchte, seien weit fortgeschritten, betonte Vogt, und das sei ein grosser Vorteil, wenn es dann um die Umsetzung gehe.
Die SBB fanden keine kurzfristige Lösung
Einen schweren Stand hatte Urs Arpagaus, bei den SBB zuständig für den Regionalverkehr Zürich. Immerhin konnte er seine Ausführungen mit der positiven Nachricht einleiten, dass mit dem Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2015 die S24 verlängert wird und dann von Zug her kommend, mit Halt in Wipkingen und Oerlikon, neu via Flughafen bis nach Winterthur verkehrt. Somit ist Wipkingen wenigstens, wenn auch weiterhin nur halbstündlich, mit diesen Destinationen direkt verbunden.
Was es bräuchte für mehr
Die Probleme der SBB, in Wipkingen zusätzliche Züge halten zu lassen, sind vielseitig. Hauptsächlich fehlt es an fehlendem Rollmaterial oder − trotz Ausbau − an freien Gleiskapazitäten am HB und in Oerlikon und auch das zu kurze Perron am Bahnhof Wipkingen, an dem lange Zugskompositionen, die heute zum Beispiel aus Luzern kommend in Wipkingen durchfahren, nicht halten können. «Wir haben alles geprüft, aber bis jetzt keine Lösung gefunden», betonte Arpagaus. Mit seiner Äusserung, die Forderungen kämen zu kurzfristig, stiess er allerdings auf klaren Protest, war diese doch bereits 2008 gestellt worden, wie ihn SP-Kantonsrat Benedikt Gschwind erinnerte.
Fragerunde mit breitem Themenfeld
In der Fragerunde nach den Präsentationen war viel Unmut spür- und hörbar. Ganz allgemein wurden die Argumentationen der SBB kritisch hinterfragt. Wie lange es denn dauern würde, neues Rollmaterial zu kaufen, wurde gefragt. Die Antwort: bis zu fünf Jahre, gesicherte Finanzierung vorausgesetzt. Vermisst wurde aber besonders, dass die SBB, entgegen der VBZ, nicht aufzeigte, welche Varianten geprüft worden waren. «So bleibt mir», fasste ein Besucher die Stimmung im Quartier zusammen, «immer die Fantasie, dass wenn man dieses oder jenes machen würde, dann ginge es doch.» Als Beispiel wurde genannt, eine der bestehenden S-Bahn-Linien statt über die Hardbrücke über Wipkingen zu führen. Ganz allgemein wurde den SBB fehlender Wille vorgehalten. Dagegen wehrte sich SBB-Vertreter Urs Arpagaus vehement: Man wolle jeden Zug fahren, den man könne, und er versichere, dass man alles geprüft habe, auch Verlängerungen der bestehenden S-Bahnlinien, Shuttlebetriebe oder den Halt von Fernverkehrszügen. Aber Lösungen habe man keine gefunden und er finde es nicht zielführend, an einer Veranstaltung wie dieser viele technische Daten zu präsentieren. Vielleicht hätte jedoch gerade dies den Unmut der Bevölkerung in Verständnis gewandelt
Türler gibt die Hoffnung nicht auf
Mit dem nächsten Ausbauschritt ist also erst in 15 Jahren zu rechnen. Zwischenzeitliche Verbesserungen sind wohl nur mit Unterstützung eines Wunders möglich. Und solche, hält Stadtrat Türler immer wieder fest, dauern leider meistens etwas länger. Was er aber tun werde ist, sich weiterhin für das Wipkinger Anliegen in der regionalen Verkehrskonferenz stark zu machen. «Solange ich dort vertreten bin, behalten wir Wipkingen auf der Traktandenliste», versicherte Türler. Und getreu seinem Motto «Geht nicht gibt’s nicht» will Stadtrat Türler die Hoffnung nicht aufgeben, dass nicht plötzlich doch noch eine kurzfristigere Lösung gefunden wird. «Bei aller Planung können wir nie mit letzter Sicherheit sagen, wie sich die Bedürfnisse grossräumig entwickeln: Wächst eine Region langsamer als prognostiziert, öffnet sich vielleicht für Wipkingen plötzlich wieder eine Tür, und dann stehen wir bereit.»
Weitere Informationen auf der Seite des Quartiervereins Wipkingen unter www.wipkingen.net oder unter www.hoengger.ch, im Suchfeld Stichwort «Bahnhof Wipkingen» eingeben.
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