Ratgeber
Moules et frites und Roger Federer
Klar war Roger nicht da! Aber auf der Grossleinwand im Restaurant Rütihof konnte ihn Höwi hautnah verfolgen: Da schlug unser Tennisass eben den entscheidenden Ball übers Netz und Nishikori musste packen. Die Quartierbeiz hat ein «ü» im Schriftzug, das die Form eines Smileys hat. Typisch für den Stil des Rütihofs, der sich nicht nur im gemütlichen Aufenthaltsraum betont locker und familiär präsentiert.
25. Januar 2017 — Eingesandter Artikel
Im Restaurant Rütihof ist alles ein bisschen anders. Klar steht meist der quirlige «Bangladeshi» am Herd, den alle Abu nennen. Doch auch Sandro Morellini greift gerne zum Kochlöffel. Tagsüber arbeitet er als Banker, nach Feierabend schlüpft er in die Rolle des Quartierbeizers. «Das Restaurant ist meine Passion», sagt er. Was auch damit zu tun habe, dass er fürs Leben gerne koche, wie alle in seiner Familie. «Wir sind falsche Tessiner», sagt Morellini und grinst, «meine Grosseltern stammen vom Lago Maggiore, aber von der italienischen Seite. Heute leben sie im Piemont in der Nähe von Alba, im Trüffelland». Wen wundert‘s, ist der kochende Banker auch Pilzler, wie man auf der Webseite sehen kann: Da hält er einen 1,5 Kilogramm schweren Steinpilz in den Händen, gefunden in einem Wald in Obwalden, «ohne einen einzigen Wurm drin, was aussergewöhnlich ist». Versteht sich, dass er sich von seinen Grosseltern alljährlich im Herbst Trüffeln schicken lässt, rausgebuddelt von einem Hund der Rasse Lagotto Romagnolo, der eigens für die Suche abgerichtet wurde. Dass man im Rütihof im Herbst die Köstlichkeiten je nach Saison für gerade mal vier bis sieben Franken das Gramm bekommt, hat sich Höwi gemerkt: Das nächste Trüffelessen ist gebongt!
Scharf soviel man will – wenn man will
Pakoras, wörtlich übersetzt «Frittiertes», nennt sich die Vorspeise, die Höwi als erstes geniesst. Beim Aufschneiden enthüllen die Gemüsehäppchen ihr Geheimnis: Es sind Brokkoli, Zucchetti, Auberginen und Champignons, die in einem Teig aus Kichererbsenmehl liegen. In Indien werden sie als Fingerfood an Strassenständen verkauft. Im Rütihof sind die Pakoras eine beliebte vegetarische Speise, die man aber auch mit Fleisch oder Fisch haben kann. Ein Hammer sind die Saucen. Im Uhrzeigersinn: Knobli-Koriander, gefolgt von Abus Spezialsauce mit Zitronengras, Limettenblätter, Honig und viel Chili, danach folgen ein Tandoori- und ein Madras-Dip. Es macht Spass, die Pakoras reihum in die Saucen zu dippen. Some like it hot! Das gilt für Höwi besonders. Abus Spezialdip – der rote – erfüllt den Anspruch, die Schärfe kommt an die 100’000 Scoville heran. Wem das nicht genügt, bekommt im Rütihof noch die Flasche mit Habanero, einem der weltweit schärfsten Chilis. Da kommen dann 1,5 Millionen Scoville oder noch mehr auf die sensorische «Richterskala». Aber selbst das lässt sich noch steigern: Morellini hat einen Höngger namens John entdeckt, der eine kleine Chili-Plantage betreibt. Die Büchsen auf dem Foto enthalten eine Auswahl seiner über zwanzig Scharfmacher, darunter «Habanero Orange» oder «Penis Pepper». «Da wird es selbst für mich gefährlich», sagt Abu, «ich liebe es scharf, aber die sind megascharf!». Also: Falls sie einen Pfnüsel kurieren müssen: Ab in den Rütihof und eine Landung Pakoras reinziehen! Ab Oktober kann man Johns Chilis auch im Rütihof kaufen.
Miesmuscheln
Warum die «Mytillidae» so heissen und dann noch als «Gemeine Miesmuscheln» apostrophiert werden, ist Höwi schleierhaft. «Vongole» klingt schon besser. «Moules» ohnehin. Und im Rütihof sind sie auch alles andere als mies, sondern knackig, frisch und aus ökologischem Fang. Wie alles, was aus dem Meer kommt und in der Rütihof-Küche landet. Klar ist im Weissweinsud kein Arneis drin, ein guter, säurearmer Kochwein genügt da vollauf. Wichtiger ist, dass viel Peterli, Basilikum und Knoblauch in den Sud kommen. Und da wird nicht gschmürzelet in der Küche, der «Saft» ist gut abgeschmeckt, sodass man ihn gerne auslöffelt. Höwis Geheimtipp: Die letzten Muscheln im Sud schwimmen lassen und das Ganze als Süppchen geniessen. Aber wo ist der Löffel? Die Serviertochter hat vergessen, ihn aufzudecken. Sie löst das Problem brav und ist erleichtert, dass es dem Gast sonst «ausgezeichnet schmeckt». Die Moules sind nur eines von vielen Themengerichten, mit denen die Quartierbeiz den Gästen Spezielles bietet. Jeden Dienstagabend sind Pouletflügeli und Pommes angesagt. «Iss, soviel wie Du willst für 25 Franken», heisst das Versprechen, das viele Familien mit Kindern an die Tische lockt. Am Samstag, 4. Februar, liegt der Focus auf Currys, die Abu als «Bangladeshi» meisterlich beherrscht und auf Wunsch auch hier die Schärfe dazu gibt, die einem den Pfnüsel austreibt. Am Wochenende vom Freitag 10. bis Sonntag 12. Februar steigt das «Burger-Festival» mit hausgemachten Rindfleischburgern, die mit Käse überbacken werden. Und so geht das weiter: Mal sind es Fischspezialitäten, mal Cordon bleus, mal Mexican-Food. Nicht zu vergessen der Brunch am ersten Sonntag im Monat mit einem reich dotierten Buffet. Nebst hausgemachtem Zopf, Schinkengipfeli oder erstklassigem Räucherlachs stehen auch zehn Sorten Konfis zur Wahl: «Hergestellt werden sie von meiner Mama und meinem Papa aus Früchten aus ihrem Garten, garantiert bio», versichert Morellini. Wer doch lieber zu Hause speist: Fast alles kann man auch im Take-away haben. Sandro Morellini legt Wert darauf, sein Restaurant als freundnachbarschaftliche Institution zu profilieren. Dass auch mal der Männerchor auftritt, sich Seniorinnen und Senioren zum «Compitalk» treffen, die «Beef and Ball Championship» mit den besten Playstation-Gamern stattfindet oder der Laden pumpenvoll ist, weil ein Geburtstag steigt, gehört zum – ja, man ist versucht zu sagen – Lebensstil des Hauses. Auch das Fumoir ist keine versteckte Abstellkammer, sondern schon eher ein Aufenthaltsraum, wo man sich so nebenbei auch den nächsten Match von Federer reinziehen kann, während Abu in der Küche Chicken-Nuggets für Ingel und Matteo frittiert, die beiden Kinder der Zamboninis. Gleichzeitig brät er für den Papa einen «1-A-Wildlachs» an und bereitet der Mama ein Spezial-Curry mit Mango, Bananen und Ananas zu. Alles gleichzeitig und ohne den Überblick zu verlieren. Das liebe er am meisten, sagt Abu, dass er nicht einfach die Menükarte runterkochen, sondern seine Kreativität ausleben könne. Und wer hat schon einen Boss, der noch einspringen kann am Herd? Und am Schluss auch noch den Abwasch macht. Ehrlich, das war so!
Kein Schmarren
Der kaiserliche Schmarren war hervorragend, wie Höwi den strahlenden Gesichtern der Zamboninis am Nebentisch entnehmen konnte. Irgendwie hatte Morellini den Eindruck, der Journalist sei rundum satt und hat das wundervolle Dessert den lieben Nachbarn serviert. Na ja, wenigstens fotografieren durfte Höwi den «Schmarren». Das nächste Mal wird er ihn selber geniessen, garantiert Boss!
Kritik
Das Brot sieht knusprig aus, hat jedoch die Konsistenz von Klebeteig. Zu wenig lang aufgebacken? Ein Fehler des Bäckers? «Ganz klar ein Ausrutscher, den ich abklären werde», erklärt Morellini, der sonst immer Komplimente für das Brot bekommt. Dann: Ein Fingerschälchen wäre hilfreich gewesen für das Moules-Gericht. Man nimmt die Schalen ja in die Hände, um das Muschelfleisch rauszuholen, und die Pommes sind ebenfalls Fingerfood. Etwas verhalten ist die Produktedeklaration. Warum steht auf der Karte nicht, dass die Muscheln höchsten ökologischen Ansprüchen genügen, was ja bei Miesmuscheln matchentscheidend ist: Das sind effiziente Filterer, die so ziemlich alles reinziehen, was ihnen an den Küsten vor die Schalen kommt. Dass man im Rütihof kein Risiko eingeht, ist löblich, aber dann sagt es doch, Jungs! Das Gleiche gilt für die gesamte Karte: Die Produkte dürfen besser ausgelobt werden. Ist doch gut zu wissen, dass das Gemüse im Sommer von den lokalen Bauern kommt. Oder die Bio-Eier aus dem Freiluftgehege von Abus Frau, mit der er vier Kinder hat.
Restaurant Rütihof
Rütihofstrasse 19, 8049 Zürich-Höngg
Telefon 043 544 24 56
www.restaurantruetihof.ch
Dienstag bis Donnerstag 11 bis 23 Uhr, Samstag 16 bis 23 Uhr,
Sonntag 17 bis 21 Uhr, Montag Ruhetag.
Zum Autor
Er nennt sich Höwi, ist ein stadtbekannter Gastrokritiker und Buchautor und schaut den kochlöffelschwingenden Profis im Kreis 10 in die Töpfe. Die Gastrokolumne erscheint monatlich im Höngger und alle drei Monate im Wipkinger.
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