Gewerbe
Motorräder, Eisenbahnen und Hausboote
Es hat gerade angefangen zu nieseln, als der Lastwagen mit dem Kran und den geladenen Ziegeln um die Ecke der schmalen Sackgasse zirkelt. Ein Dach soll gedeckt werden – eine selten gewordene Aufgabe für den Höngger Dachdecker René Frehner.
13. September 2017 — Patricia Senn
Denkt man an Dachdecker, meint man, dass sie genau dies tagtäglich tun: Häuser mit einem Dach bedecken. Doch in Zürich sind Neubauten mit Ziegeldächern selten geworden, das Flachdach überwiegt. Kaum noch müssen komplette Dächer gedeckt werden, weit häufiger sind Reparaturen, Reinigungen von Laub oder das Ersetzen von einzelnen Ziegeln. So ein ganzes Dach komplett neu zu «beziegeln», darauf freut sich René Frehner besonders, da kann ihm auch der Regen nichts anhaben. Erst befestigt er die Paletgabel am Palet mit den Ziegeln, der Kranführer steht bereits auf dem Dach und manövriert die Ladung hoch, während Frehner behände das Gerüst erklimmt, um sie oben sicher auf einem der zuvor montierten Ziegelböcke zu platzieren. Sieben Mal wiederholt sich das Spiel, immer wieder steigt Frehner das Gerüst hoch und runter. Dass er sich in seiner Freizeit bei der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) Höngg als Rettungsschwimmer engagiert, hilft sicher, um dieses Fitnessprogramm zu bewältigen. In einer kleinen Pause erzählt er, wie er früher mit seinem Vater mit auf die Baustelle durfte, um zuzuschauen, was dieser den ganzen Tag so machte. Obwohl seine Eltern ihm die freie Berufswahl liessen, entschied er sich, die Familientradition weiterzuführen und eine Dachdeckerlehre zu machen. 2005 übernahm er schliesslich den Betrieb von seinem Vater, Hansruedi Frehner, in vierter Generation.
Immer wieder neu
Den ersten Ziegel muss er etwas zurecht fräsen, damit er über die Regenrinne passt, dann platziert er routiniert Ziegel um Ziegel und hat in Windeseile die ersten zwei Reihen voll. Er wird das Dach am zweiten Tag fertig gedeckt haben. «Auch wenn die Arbeit im Prinzip dieselbe ist, ist es jedes Mal anders. Es gibt verschiedene Ziegel, unterschiedlich steile Dächer, verschiedene Details, die es zu beachten gilt. Das gefällt mir, es wird nicht monoton», sinniert er, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Den ganzen Tag im Büro zu sitzen, nein, das wäre nicht seins. Er geniesst es, selbst bei diesem unfreundlichen Wetter draussen zu sein und am Ende eines Tages sehen zu können, was er gemacht hat. «Natürlich geht die Sicherheit vor: Wenn wir auf einem alten, Moos bewachsenen Dach arbeiten und es regnet, hören wir auf, bevor jemand ausrutscht», meint Frehner. Man wägt von Fall zu Fall ab. Er erinnert sich an das eine Mal, als es Teile einer Scheune abgedeckt hatte, nachdem der Sturm Lothar gewütet hatte. Sie waren gerade daran, den Schaden zu reparieren, als es anfing zu schneien und der Bauer meinte, sie sollten doch besser aufhören. «Es war aber nicht mehr viel, und wenn der Schnee liegen geblieben wäre, hätten wir wochenlang nicht weiterarbeiten können. Also haben wir entschieden, das Loch im Dach fertig zu schliessen». So war auch das Heu im Stock nicht verloren. Als Handwerker kennt man oft die Lebensgeschichten der Leute, für die man arbeitet. Es kommt zwar nicht mehr so oft vor, dass man zu einem Kaffee eingeladen wird, aber der diplomierte Dachdeckerpolier geniesst es dennoch, ab und zu ein paar Worte mit seinen Kunden – die meisten sind aus Höngg – zu wechseln.
Schicksalshafte Begegnung
Später in der Stube des Dachdeckers. Vor der grossen Fensterfront blühen Orchideen in allen Farben. Eine Konstante in René Frehners abwechslungsreichen Leben ist – neben seinem Engagement bei der SRLG ist er leidenschaftlicher Modeleisenbähnler und ausserdem, wann immer es das Wetter zulässt, auf seiner Harley-Davidson unterwegs – seine Frau Margot. Die gebürtige Berlinerin trat 2009 in sein Leben, oder besser gesagt: Sie fuhr mit dem Zug zu ihm. Eine Bekannte aus Deutschland stellte die beiden einander vor und meldete sich mit Margot zusammen für einen Besuch in Zürich an. Am Ende blieb sie jedoch zuhause und Margot reiste alleine an. «Ich stieg aus, sah ihn, und dachte: Den behalte ich», erzählt die drahtige Berlinerin. Und so war es. Aus der geplanten Woche wurden zehn Tage, dann fuhr Frehner sie nach Hause. Sie besuchte ihn noch ein paar Mal und blieb schliesslich für immer. Nicht nur er gefällt ihr, auch die Schweiz scheint es ihr angetan zu haben, «wir leben da, wo andere Ferien machen», sagt sie. Ihr gefällt die Ruhe, vielleicht war deshalb auch ihre Tour mit dem Hausboot durch die holländischen Kanäle ganz nach ihrem Geschmack. Es war am letzten Abend dieser Reise, als René Frehner sie fragte, wie sie sich ihre Hochzeit vorstellen würde – natürlich rein hypothetisch. 15 Minuten später stand das Hochzeitsprogramm fest.
Hochzeit im Western Stil
2012 heirateten die beiden schliesslich, genauer: Am 6. Juni 2012, auf den Tag drei Jahre, drei Monate und drei Tage nachdem sie sich kennengelernt hatten, am 3. März 2009 war das gewesen. «Die Zahl drei scheint auf eine schicksalshafte Weise mit uns verbunden zu sein», sind beide überzeugt. Denn es gibt noch weitere Beispiele: Der Pfarrer, der sie in der reformierten Kirche in Höngg getraut hat, stand als dritter auf der Liste, und er wohnte am Talersteig 3. Zur kirchlichen Trauung war halb Höngg eingeladen und für den anschliessenden Apéro hatten sich Martin Kömeter und der Verein SLRG eine besondere Überraschung für das frisch vermählte Paar ausgedacht: Eine kleine Zeltstadt im Western-Stil war aufgebaut worden, ein Geschenk für die beiden Country-Fans und Harley-Davidson-Fahrer. «Und die Tischsets, auf denen ein Foto von uns mit dem Motorrad zu sehen ist, hat übrigens noch Louis Egli gedruckt», erzählt René Frehner zum Abschied.
René Frehner, Limmattalstrasse 291, 044 340 01 76. www. frehnerdach.ch
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