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Mit Innovation trotzt die Zunft Höngg dem Coronavirus
Tradition und Moderne berühren sich beim Weinbau – gefordert sind Beharrlichkeit und Geduld, aber auch Innovation und zupackende Flexibilität. Eigenschaften, die man getrost der Zunft Höngg zuschreiben darf und die sie an ihrer Weinprobe unlängst erneut unter Beweis stellen konnte.
20. Oktober 2020 — Eingesandter Artikel
Als einzige Zürcher Zunft pflegen die Höngger mit einer Rebbaugruppe jahraus, jahrein Weinstöcke im Rebberg Klingen für ihren eigenen Zunftwein. Vorgestellt wird der aktuelle Jahrgang jeweils im Rahmen einer feierlichen Weinprobe. So war es dann auch dieses Jahr, obwohl eigentlich alles anders war als sonst. Denn die Coronavirus-Pandemie forderte auch hier ihren Tribut und zwang zu neuen Lösungen. Statt wie gewohnt im Juni im Fasskeller der Firma Zweifel 1898 fand die Weinprobe 2020 erst am 2. Oktober im reformierten Kirchgemeindehaus statt. Dort steht für das Einhalten der Abstandsregeln mehr Platz zur Verfügung, weshalb als zusätzliche Gäste auch die Zünfterfrauen geladen waren. Erstmals sorgten im Küferkostüm auch Zunftgesellinnen mit für das leibliche Wohl der insgesamt 115 Anwesenden. Diesen trug Alt-Zunftmeister Peter Aisslinger den Wahlspruch von 1937 solo vor, denn auch das gemeinsame Singen fiel dem Coronavirus zum Opfer.
Weinvorstellung per Videokonferenz
Trotz dieser gewissenhaften, risikobasierten Vorbereitungen blieb es Zunftmeister Walter Zweifel nicht erspart, auch kurzfristig zu improvisieren. Denn seine Gastreferentin Nicole Rolet konnte auf Grund der dauernd ändernden Quarantäneregeln nicht nach Höngg zur Weinprobe reisen. Die Amerikanerin war in London gestrandet, so dass ihr nichts anderes übrigblieb, als ihr französisches Weinbaugebiet Côtes du Ventoux per Videokonferenz vorzustellen und die Geschmacks- sowie Duftnoten ihrer ausgewählten Weine digital zu übermitteln. Etwas mehr Glück hatte da der Holländer Rob van Oorschot, der aus Stuttgart angereist das katalanische Weinbaugebiet Priorat persönlich vor Ort vorstellen konnte, allerdings ohne seinen in Spanien blockierten Kellermeister.
«Öchsle-Monster» mit Jahrgang 2018
Also entstand aus der Not die erste gewissermassen international-hybride Höngger Weinprobe. Sie umfasste die genannten europäischen, aber auch hiesige Köstlichkeiten aus dem Haus Zweifel 1898. Deutlich übertroffen wurden diese allerdings – natürlich – vom Zunftwein mit Jahrgang 2018. Nach Vorstellung mit Fanfaren und eloquenter Anpreisung als «Öchsle-Monster» durch Alt-Zunftmeister Daniel Fontolliet blieb unter den Argusaugen der Mitglieder der Rebbaugruppe sowie von Kellermeister Urs Zweifel dem in mehrfacher Hinsicht befangenen Zunftmeister und seinem unwesentlich weniger befangenen Statthalter Thomas Schönbächler eigentlich nichts anderes übrig, als den edlen Tropfen formell abzunehmen.
Von dessen Qualität durften sich die Anwesenden anschliessend gleich selbst überzeugen. Das inszenierte und durchaus nicht ganz ernst gemeinte Abnahmeprozedere liefert in zünftigen Zürcher Kreisen jedoch schon lange die Steilvorlage für so manchen träfen Spruch. Gewisse Andeutungen fehlten denn auch nicht in den Grussbotschaften der beiden als Ehrengäste geladenen Vorsteher historischer Zünfte. Der umtriebige Christian Schindler von den Schneidern vermutete in der rot-grünen Geschenkverpackung des ihm überreichten Zunftweins nicht weniger als ein politisches Fanal. Und der gewitzte Christian Bretscher von der Zunft zum Kämbel überreichte dem Höngger Zunftmeister dessen lebensgrosses Ebenbild auf Karton, ob zur Kapazitätserweiterung oder Leistungssteigerung blieb dahingestellt. An der denkwürdigen Weinprobe 2020 rückten beide jedoch das Verbindende und Anerkennende für die Dynamik der Höngger Quartierzunft in den Vordergrund.
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