Lost in Warteschleife

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute über die Effizienz der modernen Welt.

Dagmar Schräder bringt ihre Gedanken aufs Papier. (Foto: dad)

Na gut, es stimmt. Im Moment hänge ich gedanklich oft in der Vergangenheit. Und ja, eigentlich sind solche Vergleiche total nervig. Die, in denen früher alles besser war. Aber manchmal ist es doch wahr. Das muss man dann auch mal loswerden dürfen. Ich musste nämlich vor Kurzem ein offizielles Telefonat führen. Mit irgendeinem Dienstleistungsbetrieb. Und da ist es mir aufgefallen. Wie einfach das Leben einst war.

Damals nämlich, da waren solche Anrufe nervenaufreibende Geduldsproben. Man rief an, es war besetzt, man legte auf und versuchte es wieder. Zugegeben, anstrengend. Aber nicht so wie heute.

Denn jetzt läuft das ganz anders. Es gibt nämlich gar kein Besetztzeichen mehr. Heute wähle ich eine Nummer, es klingelt einmal und dann folgt eine Melodie, begleitet von einer betont freundlichen Computerstimme. Die führt mich durchs Programm. Brav folge ich den Anweisungen, tippe Tasten, spreche mein Anliegen möglichst deutlich aufs Band. Fühlt sich komisch an, so in den leeren Raum zu reden.

Dieses Spiel dauert gefühlt mindestens zehn Minuten, dann vermeldet die Stimme sanft: «Leider sind momentan all unsere Mitarbeitenden im Gespräch.» Macht nix, ich hab ja Zeit. Als Versöhnungsangebot folgt ein peppiger Hit aus den 1980er-Jahren, von Modern Talking, wem denn sonst. Und dann heisst es warten.

So langsam nervts, eigentlich bin ich versucht, einfach aufzulegen. Aber das geht nicht, ich will schliesslich nicht all die Zeit vergebens am Hörer verbracht haben. Ach, was sage ich: Hörer. Am Smartphone natürlich. Dieses wird übrigens langsam unangenehm heiss am Ohr.

Wie war das nochmal mit der Strahlung, die durch meinen Kopf dringt? Vielleicht doch lieber per Lautsprecher telefonieren? Wenn nur mein Sohn mit seinen Freunden nebenan nicht so laut wäre, da versteht man ja kein Wort. Mittlerweile wiederholt Madame Siri, oder wie sie heisst, bereits zum fünften Mal ihren Spruch mit den Mitarbeitenden. Aber ich habe Glück, ich bin an erster Position in der Warteschleife. Kann ja nicht mehr lange dauern. Oder ist der oder die Anrufer*in vor mir so glücklich, endlich eine menschliche Stimme zu hören, dass sich daraus gleich ein längeres Gespräch ergibt?

Musikalisch sind wir unterdessen bei den Scorpions angekommen. «Wind of Change». Dass ich nicht lache. Was wollte ich eigentlich nochmal fragen?

Vielleicht könnte ich zwischendurch kurz auf Toilette gehen? Doch ich trau mich nicht auszutreten. Dann verpass ich noch den Moment, in dem ein Mensch mit mir spricht. Kostet mich dieser Anruf eigentlich auch Geld? Oder nur Lebenszeit? Da, endlich, es regt sich was am anderen Ende der Leitung. «Grüezi, wie kann ich helfen?» Ich bin erleichtert. «Ja, grüezi, ich wollte fragen …» Eifrig formuliere ich meine Anfrage. Doch es kommt keine Reaktion. Mein Gegenüber bleibt merkwürdig stumm. Ich starre auf das Display meines Handys. Dunkel wie die Nacht. Akku leer.

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