Politik
Limmattal-Trämli: Eine Subvention der Distanz
Weil es Aufschwung gibt im Limmattal, müsse man eine neue Bahn bauen, heisst es überall. Das Gegenteil ist wahr: Weil man eine Bahn subventioniert, gibt es Wachstum in Form von Beton.
27. Oktober 2015 — Eingesandter Artikel
Es gibt eine seltsame Konstante: Die Wegzeit für einen Pendler beträgt eine Stunde. Vor zweihundert Jahren marschierten die Tieflohnbezüger aus Höngg und Oberengstringen zur Hofmeister’schen Kattunfabrik an den Letten und am Abend wieder zurück. Dafür benötigten sie eine Stunde. Vor hundert Jahren kam das Höngger Tram: Die Tieflohnbezüger aus Unterengstringen marschierten zur Wartau und fuhren mit dem Höngger Tram zur Industrie beim Neumühlehof, dem heutigen Escher-Wyss-Platz. Zeitbedarf: Eine Stunde.
Nun soll die Limmattalbahn kommen. Dann wohnen mehr Leute in Killwangen und fahren ins Büro in die Stadt – Zeitbedarf eine Stunde.
Die Distanz steigt
Neue Verkehrsmittel reduzieren die Fahrzeit nicht, sie verlängern die zurückgelegte Distanz. Mit dem Lötschbergtunnel ist der Tagestourismus im Wallis gewachsen. Es hat keine Umlagerung stattgefunden, sondern mehr Menschen legen mehr Personenkilometer zurück. «Prognosen sagen voraus, dass der Verkehr im Limmattal auch in Zukunft zunehmen wird», stand im letzten «Blickfeld». Das ist richtig vorausgesagt, aber diese Prognostiker verwechseln Ursache und Wirkung. Das Bauchgefühl trügt: Nicht weil der Verkehr wächst, baucht es eine neue Bahn, sondern weil es eine neue Bahn gibt, wächst der Verkehr.
Es gibt keine Umlagerung vom Auto zur neuen Bahn. Vielmehr passiert Folgendes: Die Zeitkosten verschieben sich. Mit der anhaltenden Masseneinwanderung stehen unendlich viele Tieflohnbezüger zur Verfügung. Ihre Zeitkosten bleiben konstant, weil das Wachstum pro Kopf wegen der Masseneinwanderung nicht steigt. Mit dem Mengenwachstum steigen hingegen die Vermögenswerte. Die Immobilien werden immer teurer.
Immobilienwerte steigen – Löhne stagnieren
Die neue Bahn bevorteilt die Immobilienbesitzer. Die Vermögenswerte werden steigen, vor allem die Land- und Häuserpreise. Die grossen Firmen erhalten für eine Milliarde Franken tolle Aufträge. Kein Wunder, ist der Gewerbeverband Feuer und Flamme für höhere Staatsausgaben, und der Hauseigentümerverband jubiliert über die Stadtentwicklung. Die Tieflohnbezüger haben keinen Verband, sie sind bedrängt und benachteiligt.
Jedes Jahr kommt netto die Stadt Winterthur in die Schweiz. Was machen wir in zwanzig Jahren? Eine Magnet-Schwebebahn ins Mettauertal? Der Druck ist gewaltig und erwürgt die Menschen mit wenig Lohn. Ihr Lohn wird nicht ansteigen, daher zügeln sie weiter weg und kompensieren die tieferen Mieten mit höheren Zeitkosten. Die Limmattalbahn ist eine Jahrhundert-Fehlinvestition. Man muss die Masseneinwanderung stoppen, nicht neue Trämli bauen.
Martin Bürlimann, Ökonom, Gemeinderat SVP
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