Letzte Ausfahrt Hönggerhof

Es ist die letzte Ausfahrt für all die Schwimmer und Gummiböötler, denn weiter unten kommt das Wehr. Da herrscht an warmen Tagen reges Treiben auf dem Höngger «Amazonas». Und es gibt kaum einen besseren Ort, um dies zu verfolgen als ein Platz am Panoramafenster im edel gestylten Hönggerhof.

Tagliolini con gamberi, zucchetti, pomodori e pistacchio.
Vorspeise: «Tartar di Tonno» mit Finocchio (Fenchelsalat) und hausgemachter Tartarsauce.
Mandelparfait mit Amaretto.
Das Gastgeberteam im Hönggerhof, von links nach rechts: Gianni (Kellner), Sabrina (Antonellas Tochter, Service), Maurizio (Chefkoch), Antonella (Gastgeberin).
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Das Wort «Panorama» passt: Die Fenster im Hönggerhof sind gross und reichen bis zum Boden. Wer sich einen Logenplatz mit Blick auf die Limmat sichern kann, fühlt sich schon fast im Breitleinwandkino. Während fünf Jahren liess der neue Besitzer Francesco Nucera die Liegenschaft umbauen, mit besonderem Augenmerk auf das Restaurant. Lichtdurchflutet, mit weissen Wänden, abwechselnd mit Steinquadern und hellem Holz präsentiert sich der Raum. Der Abstand zwischen den Tischen ist gross, sodass man einen wichtigen Businesslunch genauso gut abhalten kann wie ein intimes Tête-à-tête. Geschmack ist auch das Merkmal der Kulinarik. Antonella, die Gastgeberin, wagt den Spagat zwischen gehobener mediterraner Küche und vernünftiger Kalkulation. Bei den Mittagsmenüs standen anlässlich von Höwis Besuch unter anderem «Penne al boscaiola» auf der Karte, für 19 Franken gut bestückt mit Schinken, Erbsen und Champignons. Oder das Schweinsschnitzel an Zitronensauce mit Risotto für 24 Franken. Täglich steht auch eine andere Pizza im Angebot, à la carte sind es neun Variationen. Darunter exklusive, die es sonst nirgends gibt; wie die Pizza mit Burrata (crémiger Mozzarella), Bresaola und karamelisierten roten Zwiebeln. Aber auch eine Kinderpizza namens «Nemo» mit Würstli. Schade, werden die Kreationen auf der Website nicht aufgeführt, denn die müssen sich neben dem Mistkratzerli oder der Tagliata vom Rind keineswegs verstecken.

Eine Woche lang täglich ein Pastagericht?

Das geht locker, denn im Hönggerhof gibt es neun verschiedene Variationen, und die gehören zu den Stärken des Hauses. Höwi probiert die Tagliolini «mit mediterraner Zugabe». Den knackigen Krevetten merkt man an, dass sie frisch sind, wie alles, das aus dem Meer und von Bianchi kommt. Die fein geschnittenen Zucchetti und die Cherry-Tomaten sorgen für fröhliche Farbtupfer, während geröstete Pistazien dem Gericht eine nussige Note verleihen. Einzig vom grossen Gambero, der paniert in der Mitte thront, hätte sich Höwi gerne noch zwei, drei mehr gegönnt! Desgleichen von der hausgemachten Tartarsauce bei der Vorspeise, dem «Tartar di tonno» mit Fenchelsalat. Vergessen Sie die müde Tartarsauce, die es in den «Knusperli»-Restaurants gibt. Der Chefkoch Maurizio kommt aus Rom, nichts da von Systemgastronomie, hier wird authentisch, frisch und offensichtlich mit Liebe gekocht.

Dolci fatto in casa

Klar finden sich auf der Dessertkarte Klassiker wie Tiramisù, Glacés und Sorbets. Das übrige Angebot ist jedoch ausgesprochen kreativ. Es reicht vom Kaffee mit Granita über Profiteroles mit Schokolade und Waldfrüchten bis zu einer sizilianischen Spezialität, die sich «Cannoli» nennt: frittierte, gerollte Crêpes, gefüllt mit Ricotta, begleitet von kandierten Orangen, Pistazien und einem Mandarinensüppchen. Maurizio kreiert auch wechselnde Parfaits, anlässlich von Höwis Besuch war es ein Mandelparfait mit Amaretto, à la minute zubereitet, sprich: noch nicht wirklich halbgefroren, geschmacklich aber perfekt.

Auge in Auge mit dem Gast

Antonella, die Gastgeberin, ist eben aus den Ferien in Lecce (Apulien) zurück, denn dort hat die Familie Marzo ihre Wurzeln. Seit 1974 ist sie in der Schweiz in der Gastronomie tätig, vor dem Hönggerhof in einer Trattoria an der Freilagerstrasse. Auch Sabrina, ihre Tochter, steht im Service. Das schafft diese familiäre Atmosphäre, die Antonella anstrebt. «Wenn die Gäste sagen ˂komm, gehen wir zu Antonella˃, dann habe ich mein Ziel erreicht», sagt sie.
Im Oktober ist es ein Jahr her, seit Antonella den Hönggerhof übernommen hat. Zu Beginn hat das Restaurant noch nach der Form gesucht, sowohl kulinarisch als auch im Service. Jetzt hat es der Hönggerhof im neusten «Zürich geht aus» bereits auf den neunten Platz geschafft, in der Kategorie «Restaurants direkt am Wasser», noch vor dem Lake Side oder dem Mönchshof. Das sagt eigentlich alles.

Kritik?

Klar doch! Warum steht an der Fassade nur «Restaurant Hönggerhof»? Das ist zu austauschbar. Höwi würde noch den Zusatz «Da Antonella» anbringen. Warum nicht in der Handschrift der Gastgeberin, was die richtige Assoziation liefern würde: Hier ist eine Frau mit süditalienischen Wurzeln am Werk, die lebt und liebt, was sie macht. Dann: Die Saisonalität tritt zu wenig in Erscheinung. Jetzt gerade wären Eierschwämmli angesagt. Und: Es braucht ein kulinarisches Aushängeschild! Letztlich geht man in Restaurants, weil man «wieder mal Lust hat auf…». Zum Beispiel auf das beste Rahmschnitzel im Pfännli. Oder das unschlagbar knusprige Mistkratzerli. Auch Fisch könnte ein Kandidat für ein originales Hönggerhof-Gericht sein. «Da arbeiten wir dran», sagt Antonella. «Perfetto», sagt Höwi!

Hönggerhof
Am Wasser 161, 8049 Zürich
Dienstag bis Freitag 11 bis 14 Uhr und 18 und 22 Uhr
Samstag 18 bis 22 Uhr, Sonntag 11 bis 15 Uhr Brunch, bis 18 Uhr Kaffee und Kuchen und ab 18 bis 22 Uhr warme Küche.
Telefon 044 296 13 13
www.hoenggerhof.ch

Zum Autor
Er nennt sich Höwi, ist ein stadtbekannter Gastrokritiker und Buchautor und schaut den kochlöffelschwingenden Profis im Kreis 10 in die Töpfe. Die Gastrokolumne erscheint monatlich im «Höngger» und alle drei Monate im «Wipkinger».

 

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