Dagmar schreibt: Lebenslektionen eines Achtjährigen

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge in ihrem Leben.

Dagmar Schräder liebt es zu schreiben. (Foto: Jina Vracko)

Manchmal gibt es so Tage, an denen anscheinend nichts gelingen will. Oder man sich das zumindest einredet. Und je mehr man sich selbst davon überzeugt, dass sich die Welt gegen einen verschworen hat, desto mehr Gründe finden sich auch dafür. Und so lässt sich ganz genüsslich im Selbstmitleid versinken und Weltuntergangsstimmung verbreiten.

Fluchend und schimpfend, mit den Nerven am Ende, sass ich an solch einem Tag kürzlich am Küchentisch. Ein Glas war auf dem Boden in tausend Teile zersprungen, im Wohnzimmer regierte das Chaos, das Mittagessen drohte anzubrennen und an der Tür klingelte ein Vertreter, der sich nicht so ohne weiteres abwimmeln liess. «Alles sch……», rief ich meinem achtjährigen Sohn, der auf sein Mittagessen wartete, zu. Ein pädagogisch vollkommen inkorrekter Ausruf, aber angesichts der puren Verzweiflung war es mir nicht möglich, mich auch noch pädagogisch wertvoll im Elend zu suhlen.

Doch dieser liess sich nicht beirren. Seelenruhig und abgeklärt erklärte er mir, dass das Leben doch vielmehr sehr schön sei: «Kuck mal», sagte er zu mir. «Hier auf dem Tisch stehen so viele verschiedene Gefässe. Stell Dir vor, sie stünden alle für einen glücklichen Moment, den wir miteinander hatten. Siehst Du, wie viele das sind? Der Tisch ist fast vollkommen bedeckt. Warum kuckst Du sie Dir nicht an und freust Dich darüber, was Du alles erleben durftest und darfst? Der Rest ist doch egal.» Oha. Erwischt. So viel Weisheit. Beschämt wischte ich die Scherben des umgekippten Glases zusammen, beeilte mich, das Mittagessen fertigzustellen und erfreute mich an dem einzigartigen Moment mit meinem Sohn, der schon so viel begriffen zu haben scheint. Manchmal zumindest.

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