Leben in der digitalen Welt

Angebote, die ältere Menschen bei der Nutzung von digitalen Medien und Geräten unterstützen, haben Zulauf. In die Begeisterung mischt sich aber auch Skepsis. Dennoch kann eine gewisse digitale Kompetenz das Leben erleichtern.

Symbolbild Freepik.com

J. W., der Name ist der Redaktion bekannt, hält wenig von den digitalen Errungenschaften der letzten Jahre. Mit 75 Jahren befällt ihn im Hinblick auf Internet und Co. nicht selten Fassungs-, aber auch Hilflosigkeit. Zwar besitzt J. W. ein Smartphone, nutzt dieses aber nur für Telefonate. Dabei ist ihm der digitale Wandel nicht fremd. «Mit Computern kam ich bereits Ende der 1980er-Jahre beruflich in Kontakt», sagt er. Dem damals neuen Arbeitsinstrument schenkte er die nötige Beachtung, mehr nicht.

Als rund zehn Jahre später die Handy-Telefonie aufkam, zu einer Zeit, in der Computer auch die Privathaushalte eroberten, besorgte sich auch J. W. den sogenannten Quasselknochen. «Keineswegs wollte ich immer erreichbar sein, aber das Handy schien mir nützlich», sagt er.

Seither wurde die Welt noch digitaler und der Fortschritt ist rasant. Mit den sozialen Medien wie Facebook oder Instagram verlagerte sich ein erheblicher Teil der Kommunikation ins Internet. Das käme für J. W. nicht infrage. Er schreibt auch keine E-Mails, sondern bevorzugt Briefe und Postkarten.

Das Internet selbst bereitet ihm Sorge. «Mit den neuen Möglichkeiten stieg auch die Informationsflut», so J. W. Es irritiert ihn zutiefst, wenn die Menschen nur noch in dieses kleine Ding schauen. «Vor einiger Zeit lief ich am Hauptbahnhof dem damaligen Bundesrat Alain Berset über den Weg, aber kaum ein anderer hat ihn bemerkt, alle schauten in ihr Telefon.» J. W. will seinen Prinzipien treu bleiben und er ist bei Weitem nicht der Einzige, der so denkt. Die Frage lautet, wie lange kann man sich der digitalen Welt entziehen?

Ein Kanal zur Aussenwelt

Anders als J. W. gibt es viele ältere Menschen, die den digitalen Wandel mitmachen wollen. Laut einer Studie von Pro Senectute aus dem Jahr 2020 seien 74 Prozent der Generation 65plus bereits online unterwegs. Ein «digitaler Graben» öffne sich dann bei Menschen über 80 Jahre. Die Seniorinnen wollen im Familien-Chat mitreden und auch Fotos versenden. Sie haben genug von Radiosendern und wählen einen Musik-Streamingdienst. Auch Bankgeschäfte gilt es heutzutage digital abzuwickeln.

Aber einige stossen dabei auf Widerstand. Deswegen gibt es mittlerweile viele Angebote, die Hilfe und Unterstützung versprechen. Ein in Höngg bereits etabliertes Angebot sind die Supportnachmittage und Vorträge des Vereins Computeria Zürich, bei denen ältere Menschen im Umgang mit Computer, Tablet und Handy Unterstützung finden. Die Nachmittage finden regelmässig im reformierten Kirchgemeindehaus statt.

Die Genossenschaft Zeitgut Zürich Höngg-Wipkingen setzt mittlerweile jeden Samstag auf die digitale Unterstützung: Kostenlos und ohne Anmeldung können sich dort Leute mit ihren Fragen hinwenden (siehe Box). «Es ist von grosser Bedeutung, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, Unterstützung im Umgang mit digitalen Geräten zu erhalten», sagt Regina Hinding, Geschäftsführerin von Zeitgut. Für viele würden diese Geräte einen Kanal zur Kommunikation mit der Aussenwelt darstellen. «In einer Zeit, in der Einsamkeit ein immer grösseres Thema wird, ist es umso notwendiger, dass alle die Fähigkeit haben, die digitalen Technologien zu nutzen», so Hinding.

Ein Fachmann weiss Rat

Einer, der sich dieser Situation stellt, ist Zaheer Uddin Qureshi, ein Fachmann in der Cyber-Security, der als Freiwilliger seit einem Jahr zum Zeitgut-Team gehört. «Das Angebot wird immer bekannter, aktuell kommen pro Samstag vier bis sechs Personen. Manchmal müssen wir auf den nächsten Samstag verweisen», sagt er.

Qureshi erlebt die Klientel als direkt. «Die Menschen kommen mit einer klaren Frage auf uns zu.» Meistens gehe es um das Smartphone, seltener um den Computer, wobei aber auch der Laptop vorbeigebracht werde. Er hört Fragen wie: Warum ist das System plötzlich langsam? Warum funktioniert das Login nicht mehr? Und was passiert bei einem Update? Dazu gesellen sich Fragen über das Versenden von Fotos, den Speicherplatz, die Verwendung einer App usw. Es sind Anliegen, die nicht nur ältere Menschen haben.

Alle zwei, drei Wochen gebe es aber auch eine komplexere Frage, wie der Cyber-Fachmann erzählt: «Eine Dame besass eines der ersten iPhones und sie wollte ihre Dokumente und Fotos auf ein neues Gerät übertragen. Niemand konnte ihr dabei helfen.» Qureshi musste zunächst recherchieren, aber es hat geklappt. «Viele, die unsere Unterstützung besuchen, gehen davon aus, dass wir ihre Frage innert Sekunden lösen, das ist aber nicht immer der Fall», sagt Qureshi. Es lohne sich daher, etwas Zeit einzuplanen. Die Dankbarkeit, die er beim Lösen eines digitalen Problems erlebt, sei enorm.

Hilfsmittel im Alter

Digitale Hilfsmittel spielen zunehmend eine wichtige Rolle für das Leben im Alter. Sie erfordern aber auch das Aufbauen einer digitalen Kompetenz, wie die Stadt Zürich auf ihrer Website der Fachstelle Zürich im Alter schreibt. Es sind Hilfsmittel, die für die Selbstständigkeit von Vorteil ein können.

Etwa Gesundheits-Apps: Programme, die beispielsweise medizinische Daten sammeln und verwalten. Apps, die das Trinken in Erinnerung rufen oder generell als Gedächtnisstütze fungieren. Viele Krankenkassen wissen über diese Apps Bescheid und bieten oftmals eine eigene Coach-App an, welche die Aktivitäten aufzeichnet, aber auch mit wertvollen Tipps aufwartet.

Weiter gibt es laut der Stadt Zürich auch Programme, welche die Absprache und Organisation von mehreren Angehörigen und Betreuungspersonen vereinfachen (erwähnt wird die App «we+care»). Auch Armbänder mit Notfallknopf sind gefragt: Das Seniorenportal Schweiz spricht von «digitalen Schutzengeln», Anbieter gibt es mehrere. Bei einem Sturz oder in einer gefährlichen Situation können die Trägerinnen den Notfallknopf betätigen und die gespeicherten Adressen (Familie, Notrufzentrale usw.) werden umgehend informiert.

Manchmal sind es vermeintlich einfache Dinge, die ins Gewicht fallen. Bedeutend sind sie trotzdem: Einer der Hauptgründe, warum der eingangs erwähnte J. W. heutzutage Mühe mit den Smartphones hat, ist die fehlende Tastatur. Das «Wischen» auf einem Display bleibt ihm suspekt, das Eingeben von Texten bereitet ihm auf diese Weise Mühe.

Er, wie auch andere Menschen, bevorzugen noch immer Tasten und eine einfache Bedienung. Das blieb der Industrie nicht verborgen: Sogenannte Senioren-Handys sind im Handel erhältlich und neue Anwendungen funktionieren dort auch.

Wer nicht auf das Smartphone verzichten möchte, für den gibt es – man ahnt es – Apps: Die Stadt erwähnt als Beispiel «easier phone». Dank diesem Programm wird die Handhabung erleichtert.

Achtsamkeit ist wichtig

Der digitale Wandel öffnete auch Tür und Tor für eine neue Art der Kriminalität. Zeitgut-Mitarbeiter Qureshi, der hauptberuflich als Cyber-Security-Spezialist tätig ist, kennt die Abgründe im professionellen Bereich, hält aber Tipps für den privaten Gebrauch bereit. Damit meint er das sogenannte Phishing: «Achten Sie bei E-Mails immer auf den Absender. Fragen Sie sich, ob Sie diese Person oder diese Firma kennen», sagt er.

Kriminelle imitieren Banken, Krankenkassen und weitere Institutionen und fordern zum Eingeben sensibler Daten auf. «Aktivieren Sie daher keinen Link, öffnen Sie kein angehängtes Dokument und geben Sie niemals Kontoinformationen oder Passwörter preis», so Qureshi. Habe man ein ungutes Gefühl, sei die telefonische Nachfrage eine gute Lösung, um ganz sicher zu gehen.

Angebote in der Stadt Zürich – eine Auswahl

Computeria Zürich
Vorträge und Supportnachmittage
im reformierten Kirchgemeindehaus Höngg
Ackersteinstrasse 186 und 190
www.computeria-zuerich.ch

Digitale Unterstützung
Genossenschaft Zeitgut
Jeden ersten und dritten Samstag im Monat, von 10 bis 11 Uhr, im «Höngger», Meierhofplatz 2 (kostenlos, ohne Anmeldung).
Jeden zweiten und vierten Samstag, von 10 bis 11 Uhr, in der Pfarrei Guthirt, Guthirtstrasse 3–7 (kostenlos, ohne Anmeldung).
www.zeitgut-zuerich.ch

Pro Senectute Zürich
Digitaler Coach und
Schutz vor Finanzmissbrauch:
www.pszh.ch

Stadt Zürich:
Fachstelle Zürich im Alter
Informationen zu digitalen Hilfsmitteln: www.stadt-zuerich.ch /zuerich-im-alter

Gesundheitszentren für das Alter: Computercorner
Regelmässige Unterstützung in den Zentren Bürgerasyl-Pfrundhaus, Dorflinde, Eichrain, Langgrüt, Laubegg, Limmat und Wildbach.
www.stadt-zuerich.ch/gesundheitszentren

Im Fokus: Wertvolle Jahre

Der «Höngger» veröffentlicht auch in diesem Jahr verschiedene Artikel, die sich der Lebensrealität von Betagten und Menschen mit Behinderung widmen. Diese Reihe entsteht mit freundlicher Unterstützung der Luise Beerli Stiftung, die sich für solche Menschen stark macht.

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