Lautlose Flieger über Höngg

Neben den Flugzeugen, die nun wieder mit ohrenbetäubendem Lärm über Höngg hinweg zu donnern beginnen, gibt es hier auch lautlose Flieger. Rotmilane kreisen hoch am Himmel über den Wiesen und kurven elegant um die Häuser.

Scannt im Suchflug Wiesen ab.
«Gabelwei» – wegen seines gegabelten Schwanzes.
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Vor den Schulferien flogen bei uns fünf Rotmilane mehr oder weniger geschickt herum. Drei davon versuchten immer wieder auf einer Buche zu landen. Sie streckten bereits die Beine zur Landung aus, doch plötzlich verliess sie der Mut und sie starteten durch. Offenbar handelte es sich um einen der ersten Ausflüge von Jungtieren, die unter Anleitung ihrer Eltern eine Flugstunde mit Landemanövern absolvierten. Inzwischen beherrschen sie den eleganten Flug der Erwachsenen. Diese sind, mit einer Spannweite von mehr als eineinhalb Metern, die grössten Greifvögel in Höngg. Doch das Gewicht der eindrücklichen Vögel ist mit rund einem Kilogramm erstaunlich leicht. Ihre Knochen wiegen lediglich 100 Gramm, weil einige davon dank luftgefüllten Hohlräumen «aufgelockert» sind. Und ihre Federn sind ja ohnehin federleicht. Mit seinen langen, schmalen Flügeln kann ein Rotmilan stundenlang kreisen. Als Richtungssteuer eingesetzt, bewegt sich dabei nur der Schwanz, der im Gegensatz zum Schwarzmilan tief gegabelt ist. Dank seines – für Greifvögel typischen – starken Sehvermögens, erspäht er Beutetiere selbst aus über einem Kilometer Flughöhe. Mit angezogenen Flügeln lässt er sich im schwindelerregenden Sturzflug fallen, ergreift eine Maus mit seinen scharfbekrallten Zehen, um sie mit kräftigen Schnabelhieben zu töten. Auch Nestlinge, etwa die von Krähen, und Aas stehen auf seinem Speisezettel. Er kann anderen Vögeln ihre Beute entreissen oder sogar Fleischstücke vom Grill abservieren, was mir aus Höngg bisher allerdings noch nicht zu Ohren kam. Festschmaus ist angesagt, wenn ein Bauer eine Wiese mäht oder ein Feld ackert. Dicht folgen die Milane dem bäuerlichen Gefährt, ergreifen flüchtende Heupferde oder ausgegrabene Würmer und stecken sie sich im Flug in den Schnabel. Und kaum zieht der Bauer von dannen, landen ganze Gruppen auf dem Feld. Sie stolzieren herum und suchen aufgescheuchte Kleintiere, um sich danach gesättigt zurück in ihr eigentliches Reich, die Lüfte, zu erheben. So elegant ihr Flug auch ist, ganz lautlos sind Rotmilane nun auch wieder nicht. Oft hört man ihr typisches «wiiieeh-wiiieeh», ein scharfer, durchdringender Schrei. Doch aufgepasst: Wenn’s so herrlich nach Milanenart wiehert und man den Himmel vergeblich nach einem kreisenden Vogel absucht, kann man durchaus in einer Baumkrone den perfekten Spötter, einen Eichelhäher, entdecken.

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