Langeweile kennt sie nicht

An Energie und Engagement mangelt es Suprihatin Tukiyati nicht. Neben ihrem Job kämpft sie nicht nur für Frauenrechte in Indonesien, sondern unterrichtet auch noch Yoga und Tanz. Wenn dann noch Freizeit übrigbleibt, liebt sie es, zu zeichnen und zu illustrieren.

Suprihatin Tukiyati fühlt sich am Strand eindeutig wohler als im Schnee

Dass ich in Höngg wohne, ist eigentlich reiner Zufall. Davor habe ich mit einer Freundin in einer WG an der Brauerstrasse gewohnt. Sie war dann mal zur Wohnungsbesichtigung im Frankental und meinte, das wäre etwas für uns. Ich habe ihr vertraut und zugesagt, dort einzuziehen, ohne die Wohnung selbst anzuschauen – und ich muss sagen, es hat sich gelohnt. Ich bin hier sehr zufrieden, die Nachbarschaft ist super, und vor allem die Nähe zur Limmat gefällt mir sehr gut. Meine Kollegin ist nach ungefähr einem Jahr bereits wieder ausgezogen, doch ich bin geblieben und lebe nun bereits seit fast sieben Jahren im Quartier.

Im Kollektiv Kulturveranstaltungen organisieren

Mindestens genauso lange oder sogar noch etwas länger, so genau weiss ich das momentan grad gar nicht mehr, arbeite ich im «Ziegel oh Lac» in der Roten Fabrik. Hier sind wir ein Kollektiv von insgesamt rund 50 Leuten, die gemeinsam den Betrieb führen, ohne hierarchische Strukturen. Mein Arbeitspensum beträgt so 60 bis 80 Prozent, hauptsächlich arbeite ich im Service und im Barbetrieb, habe aber zusätzlich mit einigen anderen noch die Aufgabe, kulturelle Veranstaltungen zu organisieren. Wir veranstalten Vernissagen, Ausstellungen, Podiumsgespräche und Konzerte und bieten Nischengruppierungen und Solidaritätsprojekten eine Bühne für ihre Anliegen.

Frauenempowerment als Herzensangelegenheit

 Im Moment betreue ich ein Projekt, ein Frauenkollektiv aus Indonesien, das «needle n’bitch» heisst. Diesen Aktivistinnen geht es um Frauenempowerment, Aufklärungsarbeit, Thematisierung von und Schutz vor häuslicher Gewalt, Missbrauch und anderen Problemen, mit denen Frauen konfrontiert sind. Das Kollektiv finanziert sich hauptsächlich durch den Verkauf von selbstproduzierten Produkten wie bedruckten T-Shirts, aber auch wiederverwendbaren Damenbinden. Gerade diese Hygieneartikel sind ein wichtiges Produkt – einerseits, weil der Zugang dazu für Frauen auf dem Land oft erschwert und unerschwinglich ist, andererseits aber auch, weil es die Möglichkeit bietet, mit der Produktion dieser Artikel Tabus zu brechen und mit den Frauen – und Männern – in einen Diskurs zu treten – und vielleicht dazu beizutragen, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken.
Bei uns im «Ziegel» planen wir deshalb zu diesem Thema zum Weltfrauentag im März eine Ausstellung und Veranstaltung, die der Vernetzung und dem Wissensaustausch dienen und die Solidarität unter Frauen stärken soll. Dazu haben wir verschiedene Referent*innen eingeladen. Hier wollen wir auch die Produkte des Kollektivs verkaufen und auf die Situation der Frauen dort aufmerksam machen. Wir müssen nur hoffen, dass sich die Lage mit Corona bis dahin soweit beruhigt hat, dass solche Veranstaltungen wieder möglich sind.

Zweite Heimat Indonesien

Mit Indonesien verbindet mich auch unabhängig von diesem Engagement vieles. Meine Wurzeln liegen dort, ich bin in Jakarta geboren, anschliessend allerdings hier in der Schweiz aufgewachsen. Ich habe immer wieder längere Zeit dort verbracht: So habe ich zum Beispiel meine Bachelorarbeit zum Abschluss meines Studiums in Kulturwissenschaften in Jakarta geschrieben. Damals habe ich fünf Monate auf Bali gelebt und zum Thema «Populärkultur» einen alten balinesischen Brauch genauer unter die Lupe genommen. Ich habe untersucht, wie er sich im Laufe der Zeit verändert hat und wie moderne Einflüsse aufgenommen wurden. Das war sehr spannend und hat mich dem Land und der Kultur noch ein Stück nähergebracht.  Die Sprache «Bahasa Indonesia» habe ich mir selbst angeeignet durch Kurse und vor allem während der Reisen durch die Kommunikation mit den Leuten. Zum Glück ist die Sprache relativ einfach zu lernen und hat als ehemalige Kolonie viele Lehnwörter aus dem Holländischen, so dass ich mich recht schnell verständigen konnte. Seither fliege ich regelmässig nach Indonesien, wenn ich die Möglichkeit habe. Besonders im Winter habe ich das Bedürfnis, in die Wärme zu fliehen, Schnee und tiefe Temperaturen liegen mir nicht so besonders.
Um die Menschen in Indonesien zu unterstützen, arbeite ich nicht nur mit dem Kollektiv «needle n’bitch» zusammen, sondern habe mittlerweile mit Gleichgesinnten einen eigenen Verein gegründet: «Ikan paus», das bedeutet Walfisch auf Bahasa. Dieser Verein soll den Wissensaustausch zwischen der Schweiz und Indonesien fördern und einen Dialog auf Augenhöhe ermöglichen. Die Themen, mit denen sich unser Verein auseinandersetzt, sind dabei ganz vielfältig – von Frauenthemen bis hin zu Umweltschutz.

Yoga zum Ausgleich und Zeichnen als Hobby

Neben meinem Job und dem Engagement für Indonesien schliesse ich momentan gerade noch meine Ausbildung zur Yogalehrerin ab. Yoga praktiziere ich schon seit vielen Jahren. Ursprünglich habe ich mal als Aerobic- und Tanzlehrerin angefangen und bin dann auf Yoga gekommen. Nun bin ich schon länger als Yogalehrerin tätig, aber das letzte offizielle Dokument, mit dem ich meine Ausbildung bescheinigen kann, hat mir bis anhin noch gefehlt.  Für die theoretische Abschlussprüfung meiner Ausbildung habe ich mir ein Projekt überlegt, in dem Schüler*innen mit Migrationshintergrund, insbesondere solche, die als Asylsuchende in die Schweiz gekommen sind und von der AOZ betreut werden, Zugang zu Yogalektionen erhalten. Yoga kann da als Unterstützung im Schulalltag und vielleicht auch als Beitrag zur Integration dienen.
Und wenn ich zufällig am Ende des Tages mal noch Zeit übrighabe? Dann male und zeichne ich. Das würde ich eigentlich am liebsten den ganzen Tag tun, wenn nicht meine anderen Projekte auch so spannend wären. Am liebsten mixe ich beim Zeichnen traditionell-indonesische Elemente mit etwas Street Art. Da kommen ganz spannende Sachen dabei raus.

 

In diesen monatlichen Beiträgen werden ganz normale Menschen aus Höngg porträtiert: Man braucht nicht der Lokalprominenz anzugehören und muss auch nicht irgendwelche herausragenden Leistungen vollbracht haben, nein, denn das Spezielle steckt oft im scheinbar Unscheinbaren, in Menschen «wie du und ich». 
So funktioniert es: Die zuletzt porträtierte Person macht drei Vorschläge, an wen der Stab der Porträt-Stafette weitergereicht werden soll. Die Redaktion fragt die Personen der Reihe nach an und hofft auf deren Bereitschaft.
Sollte die Stafette abreissen, sind wir froh, wenn auch Sie uns mögliche Kandidat*innen melden. Kontaktangaben bitte per Mail an redaktion@hoengger.ch oder Telefon 044 340 17 05.

 

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