Kyrie et Gloria in unum

Um Erbarmen, Jubel, Trauer und Glauben geht es in einer Messe generell. Wenn Gebete, Glaubensinhalte in Musik gefasst werden, können diese über unser Gemüt fassbar werden – erst recht, wenn die Vermittler Mozart und Haydn heissen.

Die beiden Männerstimmen: Loïc Paulin, Tenor und Christian Marthaler, Bass in einem ihrer seltenen Einsätze.

So führte der Reformierte Kirchenchor Höngg unter der Leitung von Peter Aregger zusammen mit dem Orchester Aceras barock, dem Organisten Robert Schmid, Kathrin Hottiger, Sopran, Alexandra Forster, Alt, Loïc Paulin, Tenor und Christian Marthaler, Bass, in der Reformierten Kirche Michael Haydns «Veni sancte spiritus» und Mozarts Krönungsmesse und auf.

Die ersten Takte der «Kirchensonate C-Dur», KV 27, sind Paukenschläge, denen dunkel gehaltene Basstöne folgen, die dann von den Streichern mit tänzerischer Eleganz übernommen werden, aber immer überlagert von den Pauken und Basstönen. Dieser kurzen Einführung folgte gleich das einsätzige Chorwerk «Regina coeli», KV 276, ein an die Mutter Jesu gerichteter Gesang, bei dem das Solistenquartett Kathrin Hottiger, Sopran, Alexandra Forster, Alt, Loïc Paulin, Tenor und Christian Marthaler, oft nur in kurzen Einwürfen in einem ständigen Wechsel zwischen Soli und Tutti mit dem Chor dialogisiert. Zum Schluss wiederholt Mozart den eigentlich kurzen vierzeiligen Text noch einmal, der jeweils mit einem «alleluja» in allen Variationen von himmelhochjauchzend zu geflüstert zum «bestimmt-so-ist-es« endet.

Peter Aregger lässt der Himmelskönigin Maria von Mozart ein weiteres «Ave Regina» von Michael Haydn, dem fünf Jahre jüngeren Bruder von Josef Haydn, folgen, den es im Gegensatz zu seinem Bruder nicht an einen hochfürstlichen Hof der kaiserlich und königlichen Monarchie gezogen hatte, sondern der zeitlebens in Salzburg im Dienste der Kirche blieb. Dort stiessen Haydn und Mozart in wechselnden Abhängigkeiten aufeinander.

Das «Ave Regina», MH 14, ist vor allem eine Sopranarie mit hohen stimmlichen Anforderungen, denen Kathrin Hottiger scheinbar mühelos und elegant entsprechen kann. Dann weist Aregger mit dem Chorwerk «Veni sancte spiritu», den Ohrenmerk weg von Maria und hin zum Heiligen Geist und zu den Glaubensinhalten einer Messe. Haydn lässt den Heiligen Geist wuchtig, dann wieder zartschmelzend wie eine raffinierte dunkle Schokolade mit Caramel- und Salzsplittern, mächtig mit Chor, Solisten und dem Orchester einfahren. Dann eine kurze Pause, um die barocken Instrumente, die so charaktervoll klingen können, neu zu stimmen.

Eingestimmt in die Krönungsmesse wird mit der «Kirchensonate C-Dur» KV 329, die oft zusammen mit dieser aufgeführt wurde. Unvermittelt tönt es dann vom Chor: «Kyrie, kyrie eleison – Herr erbarme dich, Christus erbarme dich», das von einem Duett zwischen der Sopranistin und dem Tenor kontrastiert und vom Orchester begleitet oder unterbrochen wird. Dem Kyrie folgt das Gloria mit kaum überbietbarer Theatralik: «Gloria pump pum pum, Laudamus te, adoramus te…», das der Chor bestimmt und sich im weiteren Verlauf mit den Solisten abwechselt. Konzentriert und klangprächtig, von den Trompeten überstrahlt, zieht der Satz dahin, bis er vom ausgedehnten jubelnden «Amen» schliesst. Das Herzstück der Messe ist das «Credo in unum deum», das Glaubensbekenntnis mit über 40 Bekenntnis-formeln in Latein, was diese so kurz und knackig macht, die von Mozart aber quasi Zeile für Zeile musikalisch gefühlsecht in Noten gesetzt hat – und für alle Darbietenden eine grosse Herausforderung darstellt. Die Stimmungswechsel, der stete Wechsel zwischen Chor, Solisten und Instrumentalisten verlangen eine Konzentration, eine Sicherheit in der Ausführung wie beispielsweise die geschmeidigen Wort- und Tonkaskaden in Latein, die der Chor wohl nur mit hartnäckigem Üben erreichen konnte. Das «Sanctus» gehört dem Chor, dem feierlichen Anfangsteil folgt bei «Hosanna» ein lebhafter, schwungvoller Schlussteil. Der berühmteste Satz der Messe ist das «Agnus Die» mit der grossen Sopranarie, das um Vergebung und Erbarmen bittet. Kathrin Hottinger zuerst in vermittelndem Ton, dann aber immer machtvoller: «Du nimmst hinweg alle Sünden dieser Welt» und zum Schluss flehentlich «miserere», erbarme dich unser in einer herzerweichenden Art. Zum Schluss dann «Donna nobis pacem», zuerst von den Solisten intoniert und dann vom Chor abschliessend übernommen.

Mozart hat bei dieser Messe nicht an die kleine Kirche Höngg gedacht, er war an Kathedralen gewöhnt. Peter Aregger demonstrierte einmal mehr, dass dies kein Nachteil sein muss: Derart intensiv kann man das Zusammenspiel von Chor und Orchester, von Einzelstimmen, von musikalischer Stille oder Fülle kaum an einem anderen Ort erleben und der Magie Mozarts erliegen.

Eingesandt von François G. Baer

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