«Es darf nicht peinlich sein, um Hilfe zu fragen»

Mit kostenfreien oder günstigen Angeboten bieten die Kirchen in Höngg finanziell schwächer gestellten Personen eine Möglichkeit, weiterhin soziale Kontakte zu pflegen.

Treffpunkte, wo man ohne Konsumationspflicht verweilen kann, sind wichtig.

Wie im Artikel zur Geschichte der Armut in Höngg zu lesen war, ist die Fürsorge seit der Eingemeindung 1934 Sache der Stadt. Dennoch sind die Kirchgemeinden auch heute noch Anlaufstellen für Menschen in verschiedenen Notlagen. Das können sogenannte «Passanten» sein, die bereits beim Sozialamt gemeldet sind, Suchtkranke oder Obdachlose, die mit einer gewissen Regelmässigkeit beim Pfarrhaus anklopfen und um eine Spende bitten. «In diesen Fällen vergeben wir beispielweise Gutscheine von der Migros oder Coop», sagt Patricia Lieber, Sozialdiakonin und Integrationsbeauftrage der Katholischen Pfarrei Heilig Geist. Matthias Reuter, Pfarrer der Reformierten Kirche in Höngg, ergänzt: «Wenn es körperlich und psychisch möglich ist, kann jemand bei uns gewisse Arbeiten übernehmen und erhält dafür eine Entschädigung». Bei Anfragen von Personen aus anderen Quartieren, verweise man auf deren eigene Kirchgemeinde. Dies mag für die Betroffenen ärgerlich sein, bietet aber auch einen gewissen Schutz davor, ausgenutzt zu werden, sind sich die beiden Kirchenleute einig. Manchmal suchen die Menschen aber nicht nur Geld, sondern auch das Gespräch. Sich die Sorgen von der Seele zu reden, kann die Verzweiflung bereits etwas lindern.

Ist der erste Schritt getan, kann die Hilfe beginnen

Sowohl die katholische als auch die reformierte Kirchgemeinde unterstützt ihre Mitglieder, wenn sich diese beispielsweise eine Gemeindereise nicht leisten können oder das Geld nicht reicht, um die Kinder auf eine Konfirmations- oder Firmenreise zu schicken. Auf den jeweiligen Flyern wird jeweils auf diese Möglichkeit hingewiesen. «Die betroffenen Personen müssen allerdings die eigene Scham überwinden und von sich aus auf uns zu kommen. Von aussen ist für uns nicht immer sichtbar, wer von Existenznöten betroffen ist. Und proaktiv zu fragen, ob jemand Unterstützung braucht, ist auch heikel», meint Reuter. «Wir versuchen, den Menschen zu vermitteln, dass es ihnen nicht peinlich sein muss, wenn sie um Hilfe bitten müssen», sagt Lieber. «Ist der erste Schritt einmal getan, können wir sie weiter beraten, gemeinsam ein Budget erstellen oder andere Massnahmen treffen, um das Problem längerfristig zu entschärfen – wenn es geht».

Bargeld gibt es eigentlich nie. Eher wird in Notfällen einmal eine Rechnung übernommen oder punktuell mit Sachspenden ausgeholfen, beispielsweise wenn das Geld für Wanderschuhe fehlt, die ein Kind für ein Lager benötigt. «Wir treffen zusammen mit den Hilfesuchenden vertragsartige Abmachungen, um eine nachhaltigere Verbesserung der Lage zu ermöglichen», erklärt die Sozialdiakonin. Manchmal sei eine punktuelle Hilfe aber nicht genug, bei langanhaltender Armut komme auch die Kirche an ihre Grenzen, «da bemühen wir uns aber, die betroffenen Personen an die richtigen Stellen in der Stadt zu vermitteln». Der Vorteil der Stadt im Gegensatz zu ländlichen Gebieten ist, dass es viele Anlaufstellen gibt, die Menschen in Notlagen unterstützen können, wie der reformierte kirchliche Sozialdienst oder das Café Yucca der Zürcher Stadtmission im Kreis 1.

Anlässe ohne Konsumationszwang sind wichtig

Eine Möglichkeit, um Menschen mit wenig Geld den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, ist bei der reformierten Kirche zum Beispiel das Kafi & Zyt. Es gibt keine Konsumationspflicht und der Kaffee kostet zwei Franken. In Oberengstringen veranstaltet die Reformierte Kirche einmal im Monat einen Spaghetti-Plausch, wo sich Erwachsene für fünf Franken und Kinder sogar gratis sattessen können, und auch in Wipkingen gibt es ähnliche Angebote.

Die Katholische Kirche bietet kostenfreie Veranstaltungen an, unter anderem einen regelmässigen Spielnachmittag und den Suppenzmittag während der Fastenzeit. «Diese Angebote richten sich aber nicht explizit an Arme, sondern an alle», betont Patricia Lieber. «Es wäre kontraproduktiv, wenn man Einschränkungen machen, und so die ärmeren Menschen weiter isolieren würde». Ähnlich sieht es auch Matthias Reuter: Das «Mittagessen für Alle» sei, wie der Name schon sagt, für alle gedacht, wobei die Preise bewusst so gesetzt seien, dass sie auch für tiefere Einkommensschichten erschwinglich bleiben. «So muss sich niemand eine Blösse geben». Mit ihren niederschwelligen Angeboten haben die Kirchengemeinden in Höngg einen guten Weg gefunden, mit einem sensiblen Thema auch sensibel umzugehen.

 

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