Kinderbegleitung in der Arche

In der Kinderbegleitung der «Arche Zürich» engagieren sich Freiwillige für Schulkinder. Bei wöchentlichen Treffen lösen sie gemeinsam Hausaufgaben, tauschen sich aus und vergnügen sich mit Gesellschaftsspielen. Auch die Hönggerin Margrit Oppliger ist hier aktiv.

Auch das gemeinsame Spiel ist ein wichtiger Bestandteil der Kinderbegleitung (Foto: Dagmar Schräder)

Ein unscheinbares Mietshaus direkt an der Langstrasse, an der Klingel nur ganz versteckt der Hinweis auf die Kinderbegleitung. Ein altes Treppenhaus, die Stufen knarren unter den Schritten. Kurzer Zwischenhalt im ersten Stock: eine umfunktionierte, behaglich eingerichtete Altbauwohnung, in jedem Raum ein Arbeitsplatz und an den Wänden Regale mit unzähligen Stofftieren und Spielsachen. In der  gemütlichen Küche sind Snacks und Getränke zur Stärkung in der Pause bereitgestellt. An der Wand hängt eine Weltkarte, daneben Fotos all der Kinder, die hier im Haus ein und aus gehen.
Weiter gehts, über die ächzenden Stufen hoch in den vierten Stock. Eine zweite Altbauwohnung, auch hier einzelne Zimmer, in denen sich die Teams treffen können. Freundlich und fröhlich wirken die Räumlichkeiten, wenn auch etwas warm, jetzt, im Sommer.

Sinnvoller Ausgleich

Hier wartet die Hönggerin Margrit Oppliger auf die zwölfjährige R.J. Wie jeden Donnerstagnachmittag wollen sie sich auch heute nach der Schule für anderthalb Stunden treffen, um gemeinsam Hausaufgaben zu lösen, sich über die Schule auszutauschen oder einfach nur ein paar Spiele zu machen. Die ehemalige Psychologin, die lange Jahre im kinderpsychiatrischen Dienst gearbeitet hat, ist seit 14 Jahren bei der Arche aktiv. «Nach meiner Pensionierung», erzählt sie, «bin ich ins Sozialzentrum gegangen, um mich über die Möglichkeiten, mich sozial engagieren zu können, zu informieren. Dort stiess ich auf die Kinderbegleitung der Arche.» Seither ist sie mit Leidenschaft dabei. Sie schätzt es, mit dieser Tätigkeit am Leben der heutigen Jugendlichen «dranzubleiben», wie sie sagt, mitzukriegen, was diese so bewegt.

Chancengleichheit herstellen

Die Arche ist eine soziale Institution, die mit unterschiedlichen Angeboten Hilfestellungen für Menschen in schwierigen Situationen bietet. Beratungen, Wohnplätze, Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt, ein Biohof und ein Brockenhaus gehören ebenso dazu wie die Kinderbegleitung.
Rund 180 Kinder und Jugendliche, mehrheitlich mit Migrationshintergrund, werden im Programm momentan betreut, verteilt auf mittlerweile vier Standorte in der ganzen Stadt. Die Anzahl der Freiwilligen ist etwas kleiner, da nicht wenige, so wie Oppliger, mehr als nur ein Kind begleiten. Das Ziel des Programms ist es, einen Beitrag zur Chancengleichheit zu leisten. «Denn viele Eltern mit Migrationshintergrund», so Oppliger, «sprechen nicht so gut oder gar nicht Deutsch und können ihre Kinder daher bei schulischen Belangen nicht optimal unterstützen. Das ist für die Kinder in der Schule oft nachteilig. Wir versuchen, hier einen kleinen Ausgleich zu schaffen.» Viele der Freiwilligen sind im Pensionsalter, es gibt jedoch auch Jüngere, die sich engagieren. Voraussetzungen gibt es wenige – wer sich hier meldet, muss vor allem Interesse und Freude mitbringen und eine gewisse Konstanz bieten können. «Man sollte eigentlich schon jede Woche Zeit haben», erklärt Oppliger. «Denn um eine Beziehung zueinander aufbauen zu können, braucht es vor allem Zeit.»
Und oft ergeben sich aus diesen Tandems jahrelange Beziehungen. Zumindest ist das bei Oppliger so. «Ihre» Kinder kommen regelmässig über Jahre hinweg – und manchmal sogar noch über die obligatorische Schulzeit hinaus.
Den Kontakt zwischen Arche und Kindern vermittelt in der Regel die Schule. So schlagen etwa die Lehrpersonen Eltern vor, ihren Kindern einen Besuch in der Kinderbegleitung zu ermöglichen. Diese melden sich bei der Arche an und bezahlen einen geringen Betrag pro Semester. Das macht die Sache etwas verbindlicher, als wenn das Angebot gratis wäre. Nicht selten allerdings empfehlen auch die Kinder selbst die Arche weiter – und schicken dann auch ihre Freund*innen hierher.

«Vier gewinnt»

Es ist halb vier, die Schule ist aus, R. trifft ein. Ihre Eltern stammen aus Sri Lanka, sie selbst ist hier aufgewachsen. Momentan besucht die sechste Klasse eines Schulhauses in der Nähe der Langstrasse. Die Sommerferien stehen vor der Tür, R. hat bereits alle Hausaufgaben in der Schule erledigt. Zeit für ein Gespräch über das Klassenlager, das die Woche zuvor stattgefunden hat. Und über den anstehenden Schulwechsel in die Oberstufe. Oppliger stellt Fragen, hört interessiert zu, macht sich Gedanken. Und R. gibt bereitwillig Auskunft. Das Verhältnis der beiden wirkt sehr familiär. R. ist vor Kurzem umgezogen, wohnt nun nicht mehr in der Nähe der Arche, sondern in Schwamendingen. Trotzdem möchte sie auch nach den Sommerferien weiter zur Kinderbegleitung kommen. Die beiden schmieden Pläne, wie sie den besten Weg von Schwamendingen an die Langstrasse austüfteln könnten. «Was wollen wir denn heute noch machen?», fragt Oppliger anschliessend. R. weiss genau, was sie möchte. «Ein Spiel», sagt sie und macht sich gleich auf die Suche. Sie bringt Jenga, das Spiel mit den Holzklötzen, die neu gestapelt werden müssen, ohne dass der Turm zusammenbricht. Nicht ganz einfach. Fingerspitzengefühl ist gefragt. Zwei, drei Runden spielen die beiden. «Ich bereite meine Stunden hier in der Arche nicht wirklich vor. Mir geht es vor allem um den Austausch mit den Kindern, das Gespräch, die Begegnung. Wenn Hausaufgaben anstehen, machen wir sie – und sonst geniessen wir die gemeinsame Zeit, in der wir wirklich intensiv aufeinander eingehen können. Ich bin dann voll für die Kinder da und lasse mich nicht durch Handys oder dergleichen ablenken», beschreibt Oppliger ihren Ansatz. Sprichts – und widmet sich gleich wieder dem Spiel. «Vier gewinnt» ist jetzt dran.

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