(K)ein Naturtalent

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge im Leben. Heute darüber, wie talentfrei frau in einigen Gebieten sein kann.

Dagmar Schräder liebt es zu schreiben. (Foto: Jina Vracko)

Lernen kann man ja bekanntlich eigentlich alles. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg und sowas. Man muss sich nur richtig anstrengen, dann schafft man eigentlich fast alles. Aber eben nur fast. Denn es gibt schon so Dinge, die liegen einem nicht, die sind einfach ausserhalb des Vorstellungsvermögens oder der eigenen Grenzen. Ich rede jetzt hier nicht von ganz aussergewöhnlichen Fähigkeiten wie Trapeznummern oder der selbst komponierten Oper. Nein, ich denke an so hundskommune Dinge wie das Rückwärtsfahren mit dem Auto. Oder dem räumlichen Vorstellungsvermögen. Da klemmts einfach bei mir.

Ich kann mir das zuhause auch hundert Mal vorstellen, wie ich das Lenkrad drehen muss, um in einer bestimmten Situation richtig in die Parklücke reinzukommen. Hab sogar schon mit so einem Spielzeug-Bobby-Car versucht, die Situation nachzuempfinden und das kleine Lenkrad in die richtige Position zu bringen. Klappt in den eigenen vier Wänden. Aber in der Praxis nicht. Da versuche ich mich an der Parklücke, sehe, es passt nicht, von hinten kommt bereits der nächste Verkehrsteilnehmer angefahren, mir wird die Sache peinlich. Also tue ich so, als hätte ich gar nie versucht, einzuparken oder als sei ich gerade aus der Lücke rausgekommen, drehe ab und fahre weiter. Suche mir irgendwo kilometerweit entfernt einen Parkplatz, bei dem ich unbeobachtet und vorwärts manövrieren kann. Und lege dann den letzten Kilometer bis zu meinem Ziel notgedrungen zu Fuss zurück. Bewegung ist schliesslich gesund.

Klar, das ist sicher Übungssache und ich bin da jetzt noch nicht so weit, weil ich nie ein eigenes Auto hatte und seit meinem Führerscheinerwerb nur sehr selten hinter dem Steuer sass. Aber das zählt trotzdem nicht so richtig. Denn wenn ich mir da meinen Sohn anschaue, der gerade erst mal den Lernfahrausweis hat und noch gar nie eingeparkt hat – der kann das. Er setzt sich hinters Steuer, kurbelt zweimal in die eine und einmal in die andere Richtung – und das Auto steht perfekt zwischen den Nachbarfahrzeugen. Wir beide bedienen da voll die Genderstereotypen. Der überlegt gar nix, der macht einfach ganz intuitiv. Und ich sitze daneben und staune Bauklötze.

Einerseits sehr praktisch für mich, wenn wir mal zusammen wohin müssen. Dann kann ich ihm jetzt das Feld grosszügig überlassen. Andererseits frage ich mich schon ein wenig: Wieso klappt das bei ihm? Fehlt mir ein Areal im Gehirn, das für das räumliche Vorstellungsvermögen verantwortlich ist? Oder ist es tatsächlich alles eine Frage des Selbstvertrauens? Und wenn ja, wie kann ich das aufbauen?  Out of the box – Handeln, das hatte ich mir zu Beginn des Jahres vorgenommen. Also nicht mehr zu sagen: «Ich kann das nicht». Sondern einfach tun. Probier ich ja. Aber diese doofen Parklücken sind einfach immer so wahnsinnig eng geschnitten.

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