Quartierleben
Jörg Schneider plauderte aus dem Bühnen-Nähkästchen
Am letzten Donnerstag war ein grosser Volksschauspieler im Pflegezentrum Käferberg zu Gast: Jörg Schneider erzählte aus seinem Leben und der Zusammenarbeit mit SchauspielKollegen – unterhaltsam, offen und herzlich.
16. Januar 2014 — Redaktion Höngger
Wenn Jörg Schneider irgendwo einen Auftritt hat, dann ist ein voller Saal garantiert. So war es auch am letzten Donnerstagnachmittag. Pünktlich um 14.30 Uhr sassen Bewohner und externe Besucher im Saal des Bistrettos Allegria und klatschten bereits, als Jörg Schneider die Bühne betrat. Er erzählte zuerst von seiner Frau Romy, welche seit kurzem querschnittgelähmt ist: «Nun habe ich extra einen kleinen Bus gekauft, damit man den Rollstuhl hineinschieben kann, so können wir weiterhin zusammen unterwegs sein», erklärte der 79-jährige Schauspieler, der am 7. Februar seinen 80. Geburtstag feiert. Heute sei sie nicht mitgekommen, da sie ihn sowieso schon jeden Tag höre «und ab däm, woni säge, meischtens de Chopf schüttlet», so der beliebte Schauspieler, der nicht nur auf die Chasperli-Abenteuer reduziert werden möchte: Für Kinder sei er «dä Chasperli», aber für Erwachsene Jörg Schneider. «Ich hoffe, Sie händ Verständnis da defür.» Ja klar, keine Frage, denn wer möchte schon nur auf eine Rolle reduziert werden?
«Der Junge, Dicke, Kleine ist gut!»
Seine Karriere habe Jörg Schneider eigentlich Schaggi Streuli, einem der damaligen Publikumslieblinge in der Schauspielerszene, zu verdanken: «Dä jung, chlii, dick findi no guet», soll Streuli gesagt haben – gemeint hat er damit Jörg Schneider. Streuli verschaffte ihm eine Rolle im Stück «E gsundi Regierig». Zwar wisse er nicht mehr ganz, um was es damals genau ging, aber auf jeden Fall habe er mit zwei älteren Herren, darunter Schaggi Streuli, auf der Bühne gestanden. Harte Schule erlebte er beim Dialekttraining: Jörg Schneider übte mit Streuli die korrekte Stadtzürcher Aussprache. «Du Tubel, du chasch ja nöd mal rächt Züritütsch!», habe Streuli ausgerufen, weil sein «Zögling» dem Fenster «Fänschter» anstatt korrekt «Feischter» gesagt habe. Als er dem harten «Lehrmeister» seine Freundin Romy «aus irgendeinem Grund» als Schwester vorstellte, ging der Schuss nach hinten los: «Schaggi fing an mit Romy ume z chäsperle, und da musste ich dann schnell Klartext reden und sagen, dass Romy mein Schatz und gar nicht meine Schwester ist», so der Schauspieler mit einem Lachen. Als er später mit ihr verheiratet war und mit dem gemeinsamen Sohn Ursli bei Streuli zu Besuch war, meinte dieser, der Tiere mehr mochte als Kinder: «Müend ihr jetzt de Goof au mitneh? De sperred mer grad in Hüehnerstall!» – dies geschah dann selbstverständlich nicht.
Ende der Diskussion!
Überraschend klingelte das Handy des Schauspielers, er drückte die Stummtaste, sagte: «Weg, fertig, so, Ende der Diskussion! Das Stör-Grät!» und fuhr unter dem Gelächter des Publikums mit Erzählen fort. Über Nacht sozusagen seien er und sein Freund Paul Bühlmann mit der ersten Fernsehserie «Polizist Wäckerli» als Vögeli und Feusi bekannt geworden. Paul Bühlmann habe eine Neigung zum «güügele» gehabt, aber nie betrunken Theater gespielt, ausser einmal. Allerdings auch nie ganz nüchtern. Das besagte eine Mal spielte sich in Basel während der Fasnacht ab: Paul Bühlmann habe mit Jörg Schneider einen Auftritt gehabt und sei schon etwas «blau» vom vielen Anstossen gewesen. Nachdem man ihm zuerst mal zwei Kilogramm Konfetti aus dem Hemd geschüttelt und ihn mit vereinten Kräften in der Theatergarderobe umgezogen habe, ging der Schauspieler auf die Bühne. «Pauls Text lautete ‹Oh, isch das schön, deheime mit de Familie am Sunntigmorge zmörgele›. Ich hörte über den Lautsprecher in der Garderobe jedoch nur ‹Oh isch das schön . . . isch das schööön! So schööön!› Paul hatte seinen Text vergessen! Ich eilte auf die Bühne und half ihm aus der Patsche.» Das Publikum habe sich den Bauch gehalten vor Lachen – so auch das Publikum im Pflegezentrum Käferberg, und Paul Bühlmann habe die ganze Vorstellung durchgezogen, einfach «gaanz laangsam und düüttlich» sprechend, aber immerhin. Es wird eine Vorstellung gewesen sein, die keiner der Anwesenden je vergessen hat.
Jörg Schneider wohnte in Höngg
Im anschliessenden Gespräch mit der Redaktorin des «Hönggers» erzählte Jörg Schneider von seiner Zeit in Höngg, denn er lebte vor etwa fünfzig Jahren vier Jahre an der Singlistrasse, vis-à-vis von Bauer Gugolz. In Höngg erzählt man sich, dass dessen Hahn jeweils spätabends krähte, wenn der Schauspieler nach seinen Auftritten heimkam. «Daran mag ich mich zwar nicht erinnern, aber dafür daran, dass die Wohnung für meine Frau Romy, unseren Sohn Ursli und mich fast zu gross war: Es war eine Vierzimmerwohnung, und wir hatten fast keine Möbel, schliesslich waren wir jung und schwammen nicht im Geld», so Jörg Schneider.
Dank Stapi Landolt in Höngg eine Wohnung bekommen
Als die kleine Familie noch in Schlieren gewohnt habe, sprach ihn der damalige Zürcher Stadtpräsident Emil Landolt nach einem Auftritt an: «Warum wohnsch du nöd z Züri?» Als der Schauspieler, der damals in den 20ern war, geantwortet habe, er könne sich die teuren Mieten in der Stadt nicht leisten, habe der «Stapi» kurzerhand gesagt «Muesch mers säge, wänd a Wohnig wotsch da, dänn schribi Dir ä Empfehlig!» Gesagt, getan: Jörg Schneider stiefelte einige Wochen später ins Stadthaus und trug sein Anliegen vor. Stapi Landolt hielt Wort und verfasste für den jungen Schauspieler ein Empfehlungsschreiben, welches ihm zur Wohnung in Höngg verhalf. Jörg Schneider schätzt, dass die Fans ihn nie belästigen. «Man sagt mir Grüezi, macht mir Komplimente für mein Spiel, und dann lässt man mich wieder in Ruhe.» Sagt’s und läuft mit seinen zwei Hunden Cleo und Mara gemütlich zum Auto. Und da passt dann irgendwie dazu, dass sein letztes Bühnenstück, mit welchem er momentan auf AbschiedsTournee ist, «Häppi Änd» heisst.
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