Immer Monat übrig am Ende des Geldes

Das Fokusthema dieser und der nächsten Ausgabe widmet sich dem Thema Armut. Armut? In der reichen Schweiz? In Höngg? Ja, auch wenn Armut in Höngg kaum sichtbar und statistisch eher eine Ausnahme ist, doch sie existiert.
Monat am Ende des Geldes übrig zu haben ist etwas, das die grosse Mehrheit von uns nicht kennt. Oder nicht regelmässig. Was aber, wenn das ein Dauerzustand ist? Wann mussten Sie sich zum letzten Mal überlegen, ob sie eine bestimmte Ausgabe tätigen können oder nicht? Nein, ich meine nicht die Ferien auf den Malediven, das wäre ein Luxusproblem. Die Rede ist auch nicht von selbstgewählter Geldknappheit, weil man zum Beispiel auf eine grössere Investition hin spart oder sich aus ideologischen Gründen dem Konsum entzieht. Reale Armut hat andere Gesichter. Oder soll man Fratze sagen? Wie sie sich zeigt, wenn man abwägen muss, ob man nun eher mit ihrem Kind mal wieder in den Zoo will oder ob es diese Woche doch mal noch ein Stück Fleisch auf den Tisch geben soll? Oder ob man sich diesen einen Cafébesuch nun gönnen soll, auch wenn das Budget eigentlich laut «nein!» schreit? Was bedeutet es, in einem reichen Land arm zu sein? Wie fühlt sich das an, wenn ringsum der Luxus Urstände feiert und man selbst von den hintersten Rängen nur zuschauen kann, während man versucht, sich unsichtbar zu machen, weil die Scham zu gross ist? Ich weiss es nicht. Und mit mir die anderen rund 85 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung auch nicht. Aber 615’000 wissen es dauerhaft und weitere 600’000 sind auf dem traurigen Weg dazu. Auch Menschen in Höngg. Sie wollen wir mit diesem Fokusthema ins Bewusstsein rücken. Auch weil mögliche Ursachen der Armut, so zeigt der Blick in die Höngger Vergangenheit, sich erschreckend wenig geändert haben: Wie früher, so sind auch heute oft Alleinerziehende, Alleinstehende und Kinder betroffen. Und auch wenn man heute nicht mehr in der Kirche anstehen muss, um ein Brot zu erhalten, sondern vom Sozialamt Unterstützung erhält, so überwiegt doch oft die Scham und man bezieht keine Hilfe. Bis es einfach nicht mehr anders geht.
Ja, auch in Höngg gibt es Armutsbetroffene, mitten unter uns sind sie eine meist unsichtbare Realität. Ihnen gehören ein paar Seiten im «Höngger».

Fredy Haffner
Verlagsleiter «Höngger»

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