Im Saal häts Platz für all

Die Mitsingwienacht der reformierten Kirche bildet für viele den eigentlichen Beginn der Weihnachtszeit. Die Weihnachtsgeschichte «Im Stall häts Platz für all» thematisierte mit viel Humor ein aktuelles Thema.

1
Die Kinder sangen "maximal gut".
Kaiser Augustus berät sich mit Titus und Leo.
Josef und Maria auf der Suche nach einer Bleibe.
Im Gasthaus wird gejasst, Fremde sind nicht gerne gesehen.
Doch am Ende finden alle im Stall Platz.
"Lasst uns offen sein" mahnte Pfarrer Markus Fässler
Der Saal war einmal mehr bis auf den letzten Platz besetzt.
Nach gelungener Aufführung traf man sich auf einen Punsch und Weggen.
1/8

Die Empfehlung der reformierten Kirche, frühzeitig zur Mitsingwienacht zu erscheinen, um noch einen Platz zu ergattern, erwies sich als höchst angebracht: Der Ansturm auf die besten Sitzplätze war gross, nach der Türöffnung füllte sich der Saal im Nu mit freudig aufgeregten Stimmen und Lachen. Dank der professionellen Koordination der Helfer fanden schliesslich alle Platz, Ruhe legte sich über die erwartungsvollen Gesichter. Endlich öffnete sich die Saaltür und hinein marschierten die Schülerinnen und Schüler des Kiki Unti2+3, des Treff4, des Club5 und den sechsten Klassen, angeführt von den Trägern des Sterns von Bethlehem. Konzentriert und selbständig stellten sich die Kinder in Reihen auf und spähten ins Scheinwerferlicht, um im dunklen Saal einen Blick auf Eltern oder Geschwister zu erhaschen.

Kinderchor begeistert

Viel Zeit blieb nicht: Schon legte die Band, bestehend aus Peter Aregger, Pfarrer Martin Günthardt, Doris Curchod und Lucy Haller, Michael Beusch, Christof Wey, sowie Lena Bürgi, Florian auf dem Keller, Olivier Holzgang, Maik-Laurin Kleinlogel, Wanja Mantel und Jodok Zweifel los, und der Chor setzte perfekt in das erste Lied ein. Rund 100 Kinder intonierten mit kräftigen Stimmen taktsicher die nicht ganz einfache Melodie des Eröffnungsstücks «Alli singed mit». Pfarrer Markus Fässler, der zusammen mit Sozialdiakonin Claire-Lise Kraft diesen beliebten Anlass leitet, hat die ursprünglich von Andrew Bond geschriebenen Lieder für die Mitsingwienacht angepasst, erzählte er anschliessend in seiner kurzen Begrüssungsrede. «Wir machen das so, wie es kommt und so, wie wir es können», meinte er bescheiden, bevor er die nächsten beiden Stücke ankündigte, «Bethlehem» und «So schpaat no störe?», nicht ohne das Publikum vorher noch einmal zum Mitsingen zu ermutigen.

«Im Stall häts no Platz»

Auch in diesem Jahr hatten die sechsten Klassen zusammen mit Pfarrer Fässler ein Theaterstück einstudiert und unter Anleitung von Rahel Aschwanden und Yanosh Drossen das Bühnenbild selber gezimmert und gemalt. Die Geschichte beginnt in Rom, wo sich Kaiser Augustus mit Titus und Leo über die politische Lage berät und eine Volkszählung anordnet, um die Grösse seiner Macht zu demonstrieren. Die Menschen sollen sich allerdings nicht an ihrem Wohn-, sondern an ihrem Heimatort registrieren. Titus Einwände, dass dies dem guten «Image» des Augustus als Friedensbringer schaden könnte, finden kein Gehör. Der Kaiser wusste offensichtlich schon damals, wie er selbst sagte, «dass schlechte Presse besser ist, als gar keine». Nach einem kurzen Umbau, der darin besteht, dass Pfarrer Fässler den Thron aus dem Bild entfernt, wechselt die Szene nach Bethlehem in ein Gasthaus mit Namen «McDonald’s». Über Headsets und Mikrophone verstärkt, unterhält sich dort eine Gruppe jassender Einheimischer über die vielen «Fremden», die plötzlich in ihre Stadt strömen. Jedes Hotel ist ausgebucht, jedes Zimmer belegt, und da ist ein junges Paar, welches dringend einen Unterschlupf braucht: Die Frau ist hochschwanger. Trotz der Proteste der Stammgäste, gewährt das Wirtenpaar den beiden – es handelt sich natürlich um Josef und Maria – im Stall Asyl.

«Lasst uns offen sein»

Die klassische Weihnachtsgeschichte zeigt in diesen Zeiten der Völkerwanderungen und schwelenden Fremdenfeindlichkeit ungeahnte Aktualität. Als erst die Hirten und dann auch die Heiligen Drei Könige im Stall eintreffen ─ nicht ohne kurz in Erwägung zu ziehen, lieber in den McDonald’s einzukehren ─ zeigen auch die anfänglich unfreundlichen Dorfbewohner Einsicht und begrüssen das «besondere Kind», das im Stall geboren wurde. «Lasst uns so offen sein, wie die Leute in Bethlehem», bat Pfarrer Fässler die Gäste denn auch, nachdem der begeisterte Applaus im Saal abgeklungen war. Pfarrer Martin Günthardt bedankte sich in einer kleinen Rede bei allen Beteiligten und sorgte mit einer ungewollt eigenwilligen Präsentation noch einmal für Applaus und Gelächter. Auch die Verantwortlichen des Projekts Chinserve in der Himalaja-Region, an welches in diesem Jahr die Kollekte gespendet wird, erklommen die Bühne und bedankten sich bei den Kindern für ihre grossartige Leistung. Bevor die stolzen Eltern ihren strahlenden Nachwuchs wieder in Empfang nehmen konnten, um gemeinsam mit Weggen und Punsch den gelungenen Abend zu feiern, stimmte der Chor zum Abschluss die Lieder «Stille Nacht» und «Feliz Navidad» an. Die Mitsingwienacht war einmal mehr ein schöner Auftakt in die Weihnachtszeit. Oder um es mit Kaiser Augustus’ Worten zu sagen: «Maximal gut!».

Dieses Jahr ging die Kollekte an das Projekt Chinserve (www.chinserve.ch) von Gaby Scheidegger aus Höngg. Seit 2003 arbeitet Chinserve in der Himalaja-Region. Mit direkter und nachhaltiger Entwicklungshilfe soll den Menschen einer der ärmsten Provinzen Chinas geholfen werden, damit die nächste Generation ihren Fähigkeiten entsprechend das Leben gestalten kann.

1 Kommentare


Themen entdecken