Frank Frei
Ich habe mir DIE Strickjacke gekrallt!
5. November 2019 — Eingesandter Artikel
Sicher haben Sie es mitbekommen: Am 26. Oktober wurde Curt Cobains Strickjacke für 334’000 US-Dollar versteigert. Kurt wer? Cobain. Frontmann von Nirvana? Grunge-Ikone? Nahm sich im April 1994 das Leben? Keine sechs Monate nach dem legendären Unplugged-Konzert, an dem er besagte Jacke getragen hatte? Ja, der. Seine Strickjacke. Wobei es eigentlich keine Jacke ist, sondern eher ein formloser Lappen mit Ärmeln und Knöpfen, gefertigt aus Schafwolle und danach von einem Hunnenkönig während 26 von Cobains total 27 Jahren unter dem Sattel seines Tatarenhengstes zu Filz geritten. Aber egal. Jedenfalls habe ich mir dieses Ding gekauft. Ungewaschen sei es, seit jenem Konzert, inklusive Flecken. Und einem Loch, das aber nichts mit Kurtlis Suizid zu tun hat, dafür liegt es viel zu tief. Nein, es ist ein Brandloch. Von einer Zigarette, wird gesagt. Vielleicht war es aber auch ein Joint. Oder eine in Whisky getunkte Havanna. Oder ein selbstentzündetes Amphetamin, so genau weiss man das bei Cobain nicht. Spielt aber auch keine Rolle. Jedenfalls habe ich mir den Spass geleistet und das Ding gekauft.
Gleich am Montag darauf habe ich das Steueramt angefragt, als was ich meine Trophäe nächstes Jahr zu deklarieren hätte. Primär als Vermögenswert, kam die Antwort. Das fand ich verständlich. Weniger verständlich fand ich dann den Nachsatz: «Bitte denken Sie daran, für die Jacke einen Eigentragwert von Fr. 15’000 pro Jahr als Einkommen zu deklarieren». «Eigentragwert»? «Einkommen»? Ja, wurde mir beschieden, Eigentragwert, denn ich könnte die Jacke ja vermieten, solange ich das aber nicht tue, sei dieser fiktive Eigentragwert anzugeben. Das sei wie bei Wohneigentum, in dem man selber wohnt: Man könnte es theoretisch ja vermieten, also muss man auch einen Eigenmietwert versteuern, als Ein-kommen, auch wenn man das gar nicht be-kommt. Logisch, oder? Ich stutzte und wies dann gutgläubig auf den Schmutzgehalt der Fasern und das Brandloch hin, ob ich die wie bei Liegenschaften als Minderwert abziehen könne? Nein, nur allenfalls die chemische Reinigung und die Schneiderrechnung, würde ich meine Erwerbung entsprechend aufwerten. Können Sie sich den Shitstorm vorstellen, wenn das bekannt würde? Also argumentierte ich weiter, dass es sich hier um eine Strickjacke, so ein Omi-Ding, handle, und nicht um eine Liegenschaft. Egal, fand das Steueramt, denn ich hätte mir für das viele Geld theoretisch eine Liegenschaft – vielleicht im Jura oder Ostdeutschland – kaufen können und deshalb sei es im Rahmen der sozialen Umverteilung des Volksvermögens nur recht und billig, wenn ich nun den Eigentragwert bezahlen müsse (fast hätten sie «berappen» geschrieben, fanden das dann aber in Anbetracht der vielen Nullen doch etwas degoutant). Im Kleingedruckten wurde «soziale Umverteilung» dann mit «Instandsetzung Sozialhilfezentrum» definiert, was mich aber auch nicht beruhigte. Mein Einwand, dass nebst mir auch sonst niemand im Jura oder in Ostdeutschland wohnen wolle und ich meine theoretisch erworbene Wohnung dort nicht einmal theoretisch vermieten könne, wurde schnöde weggewischt.
Gut, dass ich mir Kurtlis Gitarre, weitere 340’000 Dollar, nicht auch noch gekauft hatte, die ebenfalls versteigert wurde. Gespielt hatte er sie auf der «In Utero»-Tournee und bei dem Namen wage ich nicht, mir vorzustellen, wie sie im Tageslicht aussieht. Wahrscheinlich gleich versifft wie der Eigenspielwert, den das Steueramt als theoretisch mit ihrer Vermietung zu erzielendes Einkommen veranschlagen würde.
Es grüsst in sozialer Umverteilungslaune
Frank Frei
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