Kultur
«Ich habe immer eine Idee»
Von Tier- über Reiseaufnahmen bis hin zum Makrobereich: Die aktuelle Ausstellung in der Residenz Tertianum Im Brühl zeigt Werke von Beatrice Roth. Es ist nur ein Teil ihres künstlerischen Schaffens. Roth ist eine Koryphäe der Glasgravur und reüssierte in Modedesign.
12. Dezember 2024 — Daniel Diriwächter
Eine Kohlmeise in der Nahaufnahme ist ein faszinierender Anblick. Fotografiert hat sie die Hönggerin Beatrice Roth. Das Bild zeugt von Geduld und der Liebe zum Detail. Zu sehen ist die Kohlmeise in einer Fotoausstellung in der Residenz Im Brühl: Roth stellt ausgewählte Fotografien vor, darunter auch Bilder einer im Sand versunkenen Stadt in der Namib-Wüste, Eisberge in Island oder Werke der Makrofotografie. Doch wer die 88-Jährige «nur» als Fotografin bezeichnet, wird überrascht: Roth hat eine reiche künstlerische Laufbahn.
Die Kreativität wurde Roth in die Wiege gelegt. «Meine Eltern haben damals in Wettingen alles selbst gemacht, ich sah nie einen Handwerker im Haus, und die Mutter nähte uns vier Kindern alle Kleider selbst.» Sie wollte einen kreativen Beruf erlernen, aber es hiess, damit sei kein Geld zu verdienen. Also machte sie die Handelsschule. «Mit dieser Ausbildung war es mir möglich, meinem Ehemann im Büro zu helfen. Zu dieser Zeit war es üblich, dass eine Frau ihren Mann bei der Selbstständigkeit unterstützt.»
Kreativ blieb Roth trotzdem: «Früher warteten wir immer gespannt auf die neuen Trends in der Mode», erinnert sie sich. Sie begann Designs zu entwerfen und nähte die Kleidung auch selbst. Das hatte Erfolg: Ihre Einzelstücke, feminin und bunt, wurden laut eigener Aussage bei einigen Wettbewerben ausgezeichnet, etwa bei jenem vom Burda-Verlag, der damals erste Schnittmuster publizierte. Auch in Modezeitschriften wurden ihre Kleider präsentiert.
Einzige Schweizerin in britischem Club
Nach 15 Jahren in der Modebranche hatte Roth genug. Durch ihren Mann entdeckte sie die Diamantengravur auf Glas und sie war eine der ersten Schülerinnen von Ruth Weber, die dieses Kunsthandwerk in den 1970er-Jahren wiederbelebte. «Ich erkannte, dass mir das Kunsthandwerk liegt und ein halbes Jahr später konnte ich die erste Ausstellung ausrichten», sagt sie. Roth gravierte das Glas, beispielsweise Vasen, manchmal zwei Wochen lang mit einem Diamantenstift. Die Sujets zeigen oft Tiere oder Blumen.
Dank diesem Talent wurde sie als bisher einzige Schweizerin im britischen Club «Guild of Glass Engravers» aufgenommen. Gegründet wurde der Club im Jahr 1975 von Laurence Whistler unter dem Patronat der Königinmutter. Ziel war es, die weltweit besten Kunstschaffenden in diesem Bereich zu vereinen und zu fördern. Roth gab das Know-how auch weiter: Sie unterrichtete das Kunsthandwerk 27 Jahre lang.
Die Ausstellung
Aktuell stehen in Höngg ihre Fotos im Fokus. «Nach dem Ableben meines Mannes habe ich mich auf eine Fotoreise begeben», erzählt sie. Dort lernte sie den berühmten Bergsteiger Dölf Reist kennen, der nach dem Erklimmen vieler Bergspitzen auch als Fotograf tätig war. «Er hat mich beeindruckt und mir vieles beigebracht.» Zunächst dominierte die Reisefotografie, doch zusehends wollte sie die Poesie im Alltag und der Natur festhalten.
Die Makrofotografie lernte Roth schliesslich in einem Tagesseminar kennen. «Es gibt Bilder, auf denen man nicht erkennen kann, was es ist, das fasziniert mich.» Für solche Aufnahmen verdunkelte sie ein Zimmer und experimentierte mit Wassertropfen, Glasscherben oder Seifenblasen. Die kleinen Motive in enormer Vergrösserung ergeben abstrakte Bilder.
Roth, die vor 44 Jahren nach Höngg zog, sagt, sie würde als kreativer Mensch wahrscheinlich überall glücklich werden. Sie muss es wissen, bereiste sie doch über 50 Länder. «Mir ist nie langweilig, ich habe immer eine Idee.»
Fotoausstellung von Beatrice Roth
Tertianum Residenz Im Brühl,
Halle/Foyer
Kappenbühlweg 11
Bis 2. März, 10–20 Uhr
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