Jugend
«Ich habe alle Social-Media-Accounts gelöscht»
Technische und politische Themen interessieren Oliver Bieri ebenso wie Serien und Musik. Der 19-jährige Höngger schliesst demnächst seine Lehre ab und hat auch schon einige Zukunftspläne.
26. Februar 2019 — Lara Hafner
Junge Gesichter aus Höngg
Was wäre ein Fokusthema zum Thema Jugend, ohne Porträts von Jugendlichen aus Höngg?
Um junge Menschen zu verstehen, herauszufinden, was sie denken, planen und sich wünschen, reicht es nicht, sich selber ein stereotypenreiches Bild der Jugend zusammenzustellen. Die verlässlichste Quelle sind die Jungen selber, denen der «Höngger» in diesem Fokusthema eine Stimme gibt. Einen Einblick in das Leben von drei jungen Menschen, welche Höngg ihr Zuhause nennen.
«Ich bin momentan im Netzwerkteam tätig. Wir sorgen dafür, dass jene Geräte, die dazu bestimmt sind, ein Drucker und ein Computer zum Beispiel, miteinander kommunizieren und solche, die nicht dazu gedacht sind, nicht. Zum Beispiel externe Geräte mit internen Geräten der Zürcher Kantonalbank (ZKB), diese Kommunikation ist auf jeden Fall aus Sicherheitsgründen zu unterbinden.» Oliver Bieri scheint seine Arbeit als Informatiklehrling bei der ZKB sichtlich Spass zu bereiten. Bald ist die Lehrlingszeit aber auch schon vorbei, der Abschluss steht vor der Tür. An gewisse Arbeiten, welche es dafür zu schreiben gibt, setzt sich Oliver am liebsten mit Musik. Überwiegend Rockmusik, mit dieser in den Ohren kann er sich am besten konzentrieren. Auch selber spielt er ab und zu mit seiner E-Gitarre in einer Jugendband aus Höngg. Die ehemalige Spirit-Band trat früher im Rahmen der Jugendgottesdienste «Spirit» der Kirchgemeinden Wipkingen, Höngg und Oberengstringen auf, welche sich seit diesem Jahr zum Kirchenkreis 10 zusammengeschlossen haben. Heute sind die meisten Mitglieder zu alt und ihre eigene Zeit im Religionsunterricht und im Spirit längst vorbei, deshalb haben sie sich aus dieser Umgebung zurückgezogen. Aus ebendiesen Gründen ist die Band zurzeit auch auf Namenssuche.
Fehlendes Angebot für junge Erwachsene
Neben der Musik pflegt Oliver gerne soziale Kontakte, in einem seiner Freundeskreise ist immer etwas los. «Wenn ich aktiv etwas mit Kolleg*innen unternehme, gehen wir meist ins Zentrum der Stadt. Mehrheitlich aber mit Freunden, die sowieso nicht aus Höngg kommen. Mit denen aus Höngg treffe ich mich oft am Meierhofplatz, dort wird dann entschieden, was wir machen. Entweder wir kochen etwas zusammen, gehen im Stadtzentrum in eine Bar oder laufen in Höngg herum. Dabei kann man gut reden. Im Sommer grillieren wir oft im Hönggerwald oder bei der Waid. Ab und zu gehen wir auch in einen Club, am liebsten in die Härterei, wenn gerade Hardstyle läuft.» Angebote für Junge in Höngg kennt der 19-Jährige keine, es fehle etwas für junge Erwachsene von 18 bis 25 Jahren, meint er. Jugendräume habe es zwar schon, es käme ihm aber immer so vor als bräuchte man «Connections», um hineinzukommen. Ausserdem bringe es ihm nicht viel, wenn diese am Mittwochnachmittag offen seien, dann sei er nämlich nicht im Quartier. Olivers Wunsch für Höngg: eine Stammkneipe. «Weil man in Höngg nicht weiss, wohin man gehen soll, geht man schnell einmal ins Stadtzentrum. Ich denke, wenn es hier eine gute Alternative hätte, würde diese sicher auch von einigen genutzt werden», so sein Vorschlag. Auch Sportgeschäfte seien seiner Meinung nach vielleicht mehr gefragt, bis auf Velos gäbe es im Quartier kein grosses Angebot. Er glaubt, dass Wintersportartikel zum Beispiel eher örtlicher gemietet würden, bestünde die Möglichkeit dazu. Der 19-Jährige ist selbst gerne auf den Skiern oder dem Snowboard in den Bergen unterwegs. Im Alltag treibt er keinen konkreten Sport, sondern versucht, sich mit verschiedenen Übungen fit zu halten, als Ausgleich zu seinem Beruf.
«WhatsApp ist unser wichtigstes Kommunikationsmittel»
So gern Oliver auch Kontakte pflegt, den sozialen Medien hat er mehrheitlich abgeschworen. «Ich habe alle Social-Media-Accounts gelöscht. Bis auf WhatsApp, denn da sind alle meine Freunde drauf, es ist unser wichtigstes Kommunikationsmittel. Ansonsten sehe ich den Nutzen der anderen Kanäle nicht mehr, ich habe noch nie viel gepostet und es geht immer sehr viel Zeit damit verloren.» Stattdessen liest Oliver nun mehr Zeitung auf dem Arbeitsweg, den Tages-Anzeiger zum Beispiel. Das Gefühl, etwas zu verpassen hat er nicht, seine engen Freunde würden ihm wichtige Dinge persönlich mitteilen oder allenfalls ein Bild auf WhatsApp senden. Von ehemaligen Schulkolleg*innen erfahre er natürlich weniger, aber man treffe sich immer mal wieder. Olivers Katze schleicht ins Zimmer, schnuppert. Sie riecht Besuch. Nach seinem Lehr- und Berufsmaturitätsabschluss möchte Oliver gerne Wirtschaftsinformatik oder Wirtschaftsrecht studieren. Sein aktuelles Berufsziel ist Anwalt, die Staatsanwaltschaft würde ihn sehr interessieren. Vielleicht kann er sich mit einem solchen Beruf später sogar wieder ein Zuhause in Höngg leisten, denn er würde schon gerne hier bleiben. Die idyllische Umgebung mit Wald, Fluss und Dorflandschaft, gepaart mit guten Busverbindungen ist für ihn ein super Kompromiss. Es sei eben einfach teuer.
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