Quartierleben
«Ich begegne den Menschen auf Augenhöhe»
Lisa Bögli, die ausgebildete Bewegungsschauspielerin, besucht das Alters- und Pflegezentrum Riedhof bereits zum dritten Mal als feinfühlige und behutsame Clownin.
7. April 2024 — Eingesandter Artikel
Morgens um 9.30 Uhr sind noch nicht viele Bewohnende im Foyer, deshalb kriegen zuerst einmal einige Mitarbeitende nicht ihr Fett ab, sondern eine sanfte Rückenmassage mit dem Igelball. Lisa Bögli gelingt damit bereits innert kürzester Zeit, eine Brücke zu schlagen und Vertrauen aufzubauen.
Es ist, als ob man die Frau mit der roten Nase und dem Strubbelkopf seit Jahren kennt und das nicht nur, weil sie bereits zum dritten Mal im Hause ist. Alle Begegnungen im Laufe des Tages gründen auf der ersten; mit Humor kommt sie auf die morgendlichen Interaktionen zurück, wie beispielsweise auf die kleinen Glückskäferli, die sie den Mitarbeitenden auf die Namenstäfelchen klebte und jedem einzelnen einen Namen gab. So bekam der technische Leiter eine Chantal, der Geschäftsführer Nicolai Kern eine Sibylle.
Fritz, das Eichhörnchen
Langsam füllt sich das Foyer mit Bewohnenden, sodass die Clownin mit ihrem eigentlichen Vorhaben beginnen kann. Mit einem Leiterwägelchen voller Requisiten mischt sie sich unter die Runde, ohne zu wissen, wer unter den Anwesenden von Demenz betroffen ist. Das ist ihr aber auch nicht wichtig. «Ich bin wertefrei, ich begegne den Menschen auf Augenhöhe und das spüren sie. Und mir ist ganz wichtig, nie zu vergessen, dass ich bei diesen Menschen zu Hause bin, sie wohnen da und ich komme von aussen, dabei ist es bedeutsam, dass es allen wohl ist».
Wenn Lisa Bögli über ihre Arbeit spricht, redet sie von Humor und Heiterkeit, nicht von Clownerie. Ihr geht es um die Atmosphäre im Raum und darum, diese zu bereichern. Dabei ist Zeit ein wichtiger Faktor beziehungsweise ein Geschenk und als Clown sind Begegnungen weit weg von einer Leistung. Ein Ballon, der durch die Luft schwebt, verbunden mit dem alten Song «Ganz Paris träumt von der Liebe» aus dem Grammophon genügt bereits, um ins Träumen zu kommen.
Die Clownin hat einen Koffer mit Requisiten und holt eine nach der anderen hervor. So schlüpft sie mit einer Hand in das Eichhörnchen namens Fritz und hantiert mit diesem so gekonnt, dass man meinen könnte, es sei ein echtes Hörnchen. Viele sind dann richtig entzückt. Alsbald wird es wieder ruhiger, dann, wenn Lisa Bögli Seifenblasen behutsam durch die Luft pustet. Das erinnert an ihren Auftritt vom vergangenen Mai, als sie mit ihrer Seifenblasen-Performance für Begeisterung sorgte (der «Höngger» berichtete).
Nach dem Mittagessen werden vor allem die Schwerstkranken auf den Zimmern besucht. Auch da wird Fritz aktiv und heitert auf. Wieder ist Zeit ein wichtiger Faktor, ebenso die Akzeptanz für den traurigen Moment. Lisa Bögli besitzt die Gabe, auf Menschen zuzugehen. Fürsorglich, liebevoll und sanft, oft ohne Worte, sodass das Gegenüber reagiert, manchmal unverhofft aus sich herauskommt oder einfach nur ruhig wird – oft sagen keine Worte mehr als Worte.
Eingesandt von Eva Rempfler
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