Vom Ende der Jugend

Wenn wir als Ende der Jugend das Erreichen der vollständigen Selbstständigkeit betrachten, dann sind wir Menschen hierzulande über einen Viertel unseres Lebens von unseren Eltern abhängig. Anders sieht das bei den Höngger Tieren aus.

Kohlmeisen können zwölf Jahre alt werden. Die 18 Tage im Nest sind nicht einmal ein halbes Prozent ihres Lebens.
Amos, die Waldmaus, deren Mutter von einer Katze getötet wurde, konnte ich nach dreiwöchiger Handaufzucht frei lassen. Mit viel Glück verbrachte er in der Natur noch über 90 Prozent seines Lebens.
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Da ist bei uns Menschen zuerst die lange Schwangerschaft, die Kindheit und eine ausgedehnte Jugend – glücklich ist heutzutage, wer sie schon mit 20 selbstständig entlassen darf. Bei den meisten Höngger Amphibien geht es ruck-zuck: Noch nicht mal Embryo, wird die Eizelle als Laich ins Wasser entlassen. Nach einigen Wochen geschlüpft, schwänzeln die Kaulquappen bereits selbstständig durchs Leben, um Wochen später als Erwachsene an Land zu gehen. Eine Starthilfe leistet nur der «Glögglifrosch». Das Männchen dieser seltenen Geburtshelferkröte trägt die befruchteten Eier schützend an seinen Hinterbeinen mit sich herum und entlässt nach einem Monat die geschlüpften und fertig entwickelten Larven ins Gewässer. Feuersalamander leisten sich zwar eine Trächtigkeit von ganzen acht Monaten, gebären danach aber sehr weit entwickelte, völlig selbstständige Larven. Eine Jugendzeit gibt es bei Amphibien also nicht. Ähnlich «jugendlos» sind Fische und Reptilien. Auch sie sind nach dem Schlupf aus dem Ei selbstständig. Anders verhält es sich bei den Vögeln, ob sie nun als Nestflüchter oder als Nesthocker zur Welt kommen. So schlüpfen Stockentenjunge befiedert aus dem Ei und können sofort schwimmen und selber Nahrung aufnehmen. Trotzdem bleiben sie rund zwei Monate in der Obhut ihrer Mutter, die sie gegen Feinde verteidigt. Geschlüpfte Eichelhäher hingegen sind unbefiedert und verbringen drei Wochen in völliger Abhängigkeit von ihren Eltern im Nest. Rechnet man mit einer Lebensdauer von zehn Jahren für den Eichelhäher, beziehungsweise 15 für die Stockente, dann sind beide bereits nach etwa 1 Prozent ihres Lebens selbstständig. Ähnlich kurz ist die Abhängigkeit von den Eltern bei den meisten einheimischen Säugetieren. Im Vergleich dazu sind wir Menschen also richtige «Spätzünder», die mindestens 25 Prozent ihres Lebens im Elternhaus verbringen. Allerdings sind wir nicht die einzigen. So bleiben Biberjunge bis zu 3 Jahre im Familienverband, etwa einen Drittel ihres Lebens. Ähnlich ist es bei den Wildschweinen, deren Töchter bis eineinhalb Jahre lang in der Mutterfamilie verweilen, während sie oft bereits selber Nachwuchs haben. Ob man hier nun oder allgemein bei den Tieren von einer Jugendzeit sprechen darf, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass die meisten von ihnen gleich nach der Geburt oder sehr früh in ihrem Leben selbstständig sind.

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